Studie: Jugend ist nicht angepasst

Saarbrücken. Die heutige Jugend ist bei weitem nicht so angepasst, wie es ihr oft nachgesagt wird. Das jedenfalls glaubt der Heidelberger Sozialwissenschaftler Marc Calmbach. Er ist einer der Autoren der im Auftrag des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend und des Hilfswerks Misereor erstellten Sinus-Jugendstudie des Instituts "Sociovision"

Saarbrücken. Die heutige Jugend ist bei weitem nicht so angepasst, wie es ihr oft nachgesagt wird. Das jedenfalls glaubt der Heidelberger Sozialwissenschaftler Marc Calmbach. Er ist einer der Autoren der im Auftrag des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend und des Hilfswerks Misereor erstellten Sinus-Jugendstudie des Instituts "Sociovision". Kürzlich war Calmbach bei der Arbeitskammer zu Gast, um seine 700-Seiten-Studie vorzustellen.

Diese unterteilt rund 2400 Kinder und Jugendliche vorzugsweise im Alter von 14 bis 27 Jahren nach Werten und Lebensstilen in Traditionelle, Bürgerliche, Konsum-Materialisten, Postmaterielle, Hedonisten, Moderne Performer und Experimentalisten. Die größte Gruppe im Alterssegment von 14 bis 19 Jahren mit einem Anteil von 26 Prozent der Befragten sind die Hedonisten. Sie geben sich unangepasst und schrill, sind auf den Spaßfaktor fixiert und haben ein geringes bis mittleres Bildungsniveau. Gleich dahinter folgen mit einem Anteil von 25 Prozent die Modernen Performer, eine pragmatische, karriere- und leistungsorientierte "Nachwuchselite" mit relativ hohem Bildungsniveau. Während die Hedonisten mit zunehmendem Alter weniger werden, scheint der Anteil der Performer längerfristig stabil zu sein. Letztere stehen nach Meinung der Heidelberger Forscher für das "Leitbild der Zukunft". Sie seien am ehesten in der Lage, in die gesellschaftliche Mitte hineinzuwirken.

Das höchste Bildungsniveau weisen die Postmateriellen (sechs Prozent der Befragten), das niedrigste die Konsum-Materialisten (elf Prozent) auf. Die Postmateriellen sind am politischsten. Sie sind links, grün und kritisch gestrickt, neigen beispielsweise Attac zu. Die Performer sind weniger eindeutig links gepolt, können sich aber ein Engagement für WWF, Greenpeace oder die Grünen vorstellen. Die Konsum-Materialisten haben indes mit politischem oder sozialem Engagement nicht viel am Hut. Sie sind eher in der Unterschicht zu verorten. Ihr größte Sorge ist, im Vergleich zu Gleichaltrigen "nicht abgehängt zu werden".

Daneben gibt es der Studie zufolge das zu Lasten der Postmateriellen wachsende Milieu der Experimentalisten (14 Prozent). Diese sind laut Calmbach ähnlich idealistisch und humanistisch gestimmt wie die Postmateriellen, leben diese Haltung aber "weniger verbissen und ideologisch". Für sie steht stärker das Ziel der Selbstentfaltung im Vordergrund.

36 Prozent der Jugendlichen sehen sich laut Calmbach von Armut, zehn Prozent von Obdachlosigkeit bedroht. Selbst bei den Performern fürchten 20 Prozent, künftig von Armut betroffen zu sein. Ein bemerkenswerter Befund vor dem Hintergrund, dass es sich bei ihnen um gut ausgebildete junge Menschen mit starkem Karrierebezug handelt. Calmbach hält es für möglich, dass sich in diesem Umfrageergebnis auch ein Trend zu immer mehr prekärer Beschäftigung (befristete Verträge, Scheinselbstständigkeit) selbst unter jungen Akademikern niederschlägt.

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