Streit um angebliche Befangenheit im Rat: Durften alle Grünen mitstimmen?

Saarlouis

Saarlouis. Darf Wolfgang Schmitt, Fraktionsmitglied der Grünen, nicht über das Stadtgartenbad abstimmen, weil er Vorsitzender des Fördervereins für dieses Bades ist? Und Klaudia Beck nicht, weil sie vor fünf Jahren als Juristin die Betreiber des Bürgerbegehrens Stadtgartenbad beriet? Die Stadtverwaltung mit OB Roland Henz an der Spitze sah dies in der Ratssitzung am Montagabend als gegeben an. Die Reaktion der Ratsmehrheit war pure Empörung. Ob denn bürgerschaftliches Engagement zum Interessenkonflikt mit der Tätigkeit in einem demokratischen Gremium führen könne, fragte Grünen-Fraktionschef Gabriel Mahren. Dann dürfe auch kein Ratsmitglied mehr mitstimmen, wenn es um Zuschüsse zu seinem Verein gehe, erklärte FDP-Fraktionschef Wolfgang Krichel.Henz ließ den Rat darüber abstimmen, die Mehrheit lehnte Befangenheit ab. Damit sei dann für ihn die Sache erledigt, sagte Henz. Was Jamaika noch mehr auf die Palme brachte. Denn Henz, so CDU-Fraktionschef Tim Flasche, könne nicht einfach den Verdacht äußern, eine Abstimmung verlaufe wegen Befangenheit von Ratsmitgliedern gesetzeswidrig und dann so tun als sei nichts gewesen. Er müsse die Frage anschließend der Kommunalaufsicht vorlegen.

Die Kommunalaufsicht mochte sich gestern auf SZ-Anfrage nicht festlegen. Die Frage nach Befangenheit (heißt: an der Entscheidung nicht mitwirken) sei Sache des Einzelfalles. "Ziel des Mitwirkungsverbotes ist es, eine persönliche Konfliktsituation der ehrenamtlichen Tätigen im Einzelfall möglichst auszuschließen und so das Vertrauen der Bürger in die Kommunalverwaltung zu erhalten."

Jamaika sah in dem Vorgehen von Henz eine "weitere Steigerung der Eskalation" zwischen ihm und Ratsmehrheit (Mahren). Juristisch bodenlos, politisch unerhört, rief Flasche, das werde Konsequenzen haben. Henz stemme sich gegen das Bad, weil er nicht zulassen wolle, dass sich herausstelle, seine Behauptung, es sei nicht finanzierbar, stimme nicht.

Jamaika begründete nochmals den Neubau des Bades, da war viel von der Seele und Attraktivität von Saarlouis die Rede. SPD, Linke und FWG lehnten den Bau aus finanziellen Gründen ab. Die auf Antrag der SPD (gestützt von FWG und Linken) geheime Abstimmung endete mit 26 zu 19 Stimmen für den Neubau.

Meinung

Schlecht beraten

Von SZ-RedakteurJohannes Werres

OB Roland Henz hat derzeit eine sehr unglückliche Hand. Er agiert eher wie eine Opposition denn als Verwaltungschef, dessen Aufgabe die Umsetzung von Mehrheitsbeschlüssen wäre. Und darin geht er auch noch ziemlich ungeschickt vor. Das war bei der Anweisung an die WBS-Geschäftsführerin zur Bauvoranfrage für das Freibad schon so wie jetzt bei der Befangenheits-Frage. Wie dort reizte er hier die Jamaika-Mehrheit bis zur Weißglut, und wie dort stellte sich die Frage: Was hätte es genützt, selbst wenn er durchgekommen wäre? Im ersten Fall hätte er die Bad-Planung nur verzögert, im zweiten Fall reichte die Mehrheit sowieso.

In beiden Fällen vermisst man auch politisches Taktgefühl. Dass bei Schmitt und Beck keine Befangenheit vorlag, ist wohl leicht festzustellen gewesen.

Sozialdemokrat Henz muss mit der Jamaika-Mehrheit leben und damit, dass sie sagt, wo es lang geht. Allerhöchste Zeit für ihn, sich dabei besser beraten zu lassen als bisher.

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