"Stolpersteine" kommen nach Saarbrücken"Ich bin da sehr dafür"

Saarbrücken. Er wurde aus seiner Wohnung in der Karcherstraße 17 gezerrt und brutal verprügelt. Die Folgen dieses Überfalls überlebte Max Hanau nicht. Der Jude, geboren im Jahr 1875, starb am 13. November 1938 an den Folgen dessen, was er in der Pogromnacht am 9. November 1938 in Saarbrücken erleiden musste. An ihn und an 27 weitere jüdische Bürger, die im Saarbrücker Stadtteil St

Saarbrücken. Er wurde aus seiner Wohnung in der Karcherstraße 17 gezerrt und brutal verprügelt. Die Folgen dieses Überfalls überlebte Max Hanau nicht. Der Jude, geboren im Jahr 1875, starb am 13. November 1938 an den Folgen dessen, was er in der Pogromnacht am 9. November 1938 in Saarbrücken erleiden musste.

An ihn und an 27 weitere jüdische Bürger, die im Saarbrücker Stadtteil St. Johann lebten und Opfer des Nazi-Regimes waren, soll nun öffentlich erinnert werden: mit so genannten "Stolpersteinen" des Bildhauers Gunter Demnig. Dabei handelt es sich um zehn mal zehn Zentimeter große Betonsteine, die in den Bürgersteig vor dem letzten selbstgewählten Wohnort der Opfer eingelassen werden. Der obere Teil besteht aus einer Messingplatte. Die Inschrift darauf erinnert an die Person, die hier lebte - zu lesen sind der Name, das Geburts- und das Todesdatum. Und es ist anhand der Inschrift nachzuvollziehen, wie die Nazis diesem Menschen Leid antaten - ob dieser zum Beispiel in ein KZ deportiert oder eben, wie im Falle Max Hanaus, ein Opfer des Pogroms wurde.

Am Mittwoch, 10. März, werden die "Stolpersteine" nach Saarbrücken kommen. Das erklärte jetzt Richard Bermann, der Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, auf SZ-Anfrage. "An diesem Tag wird Gunter Demnig 28 Steine in ganz St. Johann verlegen." Der erste werde morgens um 9 Uhr am Rathausplatz 7 in den Boden eingelassen. Bermann: "Finanziert wurden die Steine durch Spenden von Privatleuten und von zwei Parteien. 3000 Euro kamen zusammen, der Betrag reichte für 30 ,Stolpersteine'". Verlegt werden nur 28 (siehe Artikel unten). Die Initiative, sie nach Saarbrücken zu bringen, kam von ihm selbst, erzählt Bermann. Sehr geholfen hätten Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (die Schirmherrin), Kulturdezernent Erik Schrader und Baudezernentin Rena Wandel-Hoefer.

Am Anfang der Recherche stand ein Ordner mit über 200 Namen, berichtet Bermann. "Mosaiksteinartig" habe er zwei Jahre lang Informationen gesucht. Was schwer gewesen sei. Bermann: "Ich habe schließlich nur Namen genommen, bei denen alles zweifelsfrei nachweisbar war."

Eigentlich sollten die nicht unumstrittenen Steine (die SZ berichtete) bereits im September verlegt werden. Damals kam dem Künstler eine Ehrung dazwischen, erklärt Bermann: "Ich bin froh, dass es nun soweit ist."

Saarbrücken. Etwa ein Dutzend Saarbrücker kamen ins Rathaus, um vom Vorsitzenden der Synagogengemeinde, Richard Bermann, und Kulturdezernent Erik Schrader Näheres zur Verlegung der "Stolpersteine" vor ihren Haustüren zu erfahren. Ein Bürger, der, wie er sagte, "noch zu denen gehört, die die Synagoge brennen sah", betonte: "Ich bin sehr dafür." Eine Anwohnerin pflichtete ihm bei - und fragte, wo man noch mehr über die genannten Personen erfahren könne: "Denn ich habe das vorher nicht gewusst."

Ein Anwohner begrüßte zwar das Angebot "nachhaltig". Aber er hatte auch einiges zu bemängeln: Unter anderem habe er sich eine frühzeitigere Ansprache und einen größeren Einbezug der Bürger gewünscht. Hierauf gab Richard Bermann den Hinweis, "dass in keiner Stadt die Bürger anders einbezogen wurden". Und auch die Kritik an der Inschrift des Steines wies Bermann zurück: "Man kann die Größe und den Text nicht beeinflussen." Daraufhin empfahl eine Teilnehmerin dem Anwohner: "Es ist Ihnen unbenommen, am Haus noch eine Zusatz-Gedenktafel zu errichten."

Ob man auch Nein sagen könne zu dem Stein vor der Tür?, wollte eine andere Anwesende grundsätzlich wissen. Bermann versicherte dies: "Wir wollen die Steine verlegen, aber nicht um jeden Preis." Ein Hinweis reiche aus.

Schrader und Bermann zeigten sich am Ende zufrieden mit der Veranstaltung. Der Kulturdezernent: "Die Fragen waren interessant und berechtigt." Er sagte, er sehe mit Interesse dem 10. März entgegen und sei froh, dass die Synagogengemeinde die Initiative ergriffen habe. "Ich hoffe, dass es noch mehr solcher Verlegungen geben wird." Auch Bermann freute sich: "Es gab keinen Einspruch."

Allerdings: Kurz nach dem Treffen bekräftigte ein Anwohner seine Einwände. Bermann: "Darum zogen wir die Verlegung zweier Steine zurück." Damit werden nun nur 28 "Stolpersteine" verlegt. up

Hintergrund

Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig schuf die "Stolpersteine". Die Idee: Nicht Kommunen sollen Geld für die Tafeln zur Verfügung stellen, vielmehr sollen Bürger und Institutionen spenden. Inzwischen gibt es die Steine in 530 Orten, 23 000 Exemplare wurden verlegt. Wie Projekt-Koordinatorin Uta Franke sagt, haben viele weitere Orte angefragt, auch aus dem europäischen Ausland. Im Saarland sind "Stolpersteine" in Blieskastel, Illingen und Losheim zu finden. Im März kommen Saarbrücken und Rehlingen-Siersburg dazu. up

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