Stolpersteine gegen das Vergessen

Merzig. Emil Bone, Nikolaus Engel und die jüdische Familie Bonnem - sie alle lebten zur Zeit des Nationalsozialimus in Merzig. Sie alle wurden ermordet. Die Familie Bonnem auf Grund der Tatsache, dass sie dem jüdischen Glauben angehörte, Nikolaus Engel war KPD-Chef in Brotdorf. Emil Bone wurde von einem Freund verraten. Er wollte zur Französischen Fremdenlegion

Merzig. Emil Bone, Nikolaus Engel und die jüdische Familie Bonnem - sie alle lebten zur Zeit des Nationalsozialimus in Merzig. Sie alle wurden ermordet. Die Familie Bonnem auf Grund der Tatsache, dass sie dem jüdischen Glauben angehörte, Nikolaus Engel war KPD-Chef in Brotdorf. Emil Bone wurde von einem Freund verraten. Er wollte zur Französischen Fremdenlegion. Um sich Vorteile beim Feind zu verschaffen, wollte er geheime Unterlagen weitergeben.Alle diese Personen haben in den Augen des Merziger Bernd Schirra einen Stolperstein verdient. Denn die Opfer dieser Zeit - egal ob Juden, politisch Verfolgte oder Homosexuelle - sollen nicht vergessen werden.

Seit Oktober 2010 setzt sich Bernd Schirra für das Projekt Stolpersteine in Merzig ein. Im kommenden Jahr will er 17 Steine verlegen lassen. Seine Zwischenbilanz: "Bis jetzt läuft es gut." Allerdings wünscht er sich etwas mehr Unterstützung durch den Oberbürgermeister. Denn es komme der Punkt, an dem er als Privatperson auf die Unterstützung der Stadtverwaltung angewiesen sei: "Ich brauche jetzt die Namen der heutigen Hausbesitzer, wo die Steine verlegt werden sollen." Dabei muss ihm die Stadtverwaltung helfen. Denn obwohl er die Erlaubnis der Anwohner nicht braucht, fragt er sie, ob sie einverstanden sind. "Nicht alle sind von der Idee so begeistert wie ich."

Er könne sich vorstellen, dass einige Leute Angst haben. Zum Beispiel davor, dass man fragen könne, wie sie zu den Häusern gekommen seien. Schließlich wurden viele Juden damals enteignet. Dabei ist er schon auf Ablehnung gestoßen: Er holt zwei Stolpersteine aus einer Stofftasche und legt sie auf den Tisch: "Die konnten wir nicht verlegen, weil die heutigen Hausbesitzer sich im letzten Moment dagegen entschieden haben", erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Denn ein Stolperstein wird immer am letzten frei gewählten Wohnort eines Opfers verlegt. Die beiden Steine mit den typischen Messingplatten tragen die Namen von Irma und Edmund Michel. Bis Juli wurden insgesamt 31 000 Stolpersteine in 670 Orten verlegt - nicht nur bundesweit, auch in Österreich, Ungarn und Holland. Im Saarland findet man bereits in Saarlouis, Losheim und Saarbrücken Gedenksteine. Der Künstler Gunter Demnig, der aus der Nähe von Köln kommt, hämmert alle Inschriften selbst von Hand in die Messingplatten. Auch um das Einsetzen kümmert er sich persönlich: "Deshalb muss man die Steine ein halbes Jahr vorher bestellen", erklärt Schirra.

Für das kommende Jahr hat sich Bernd Schirra vorgenommen, 17 Stolpersteine in Merzig zu verlegen. Weitere sollen 2013 folgen. "Dann hat man auch einen besonderen Anlass: nämlich 75 Jahre Reichspogromnacht", erklärt er. Zurzeit sammelt er noch Spenden für sein Projekt.

"Ein Stein kostet ab Januar rund 120 Euro", erzählt der Merziger. Seit kurzem gibt es auch ein offizielles Spendenkonto.

Das Interesse für das Projekt kam durch seinen früheren Arbeitgeber: "Ich habe bei Villeroy und Boch gearbeitet. Und die hatten früher auch Zwangsarbeitslager." Als er das erfahren habe, habe er angefangen in deren Archiv nachzulesen. "Auch die Namen der Opfer rauszufinden, ist Detektivarbeit", sagt Schirra. Viel habe er über die Internetseite Yad Vashem erfahren, die nach der bedeutensten Gedenkstätte in Israel benannt ist. Dort gibt es eine Liste damals getöteten Juden.

Egal wie man über das Projekt von Bernd Schirra denkt, für Aufsehen sorgt es auf jeden Fall. Sogar ein früherer SS-Mann aus der Region habe ihn schon kontaktiert: "Er war neugierig und hat mich angerufen." Er kenne auch seinen Namen. Den verrate er aber nicht. Genauso wenig wie die Namen anderer Täter, die er kenne. Denn schließlich gehe es nicht darum anzuklagen. Sondern nur darum, nicht zu vergessen.

stolpersteine.com

yadvashem.org

stolpersteine-für-

merzig.de/index.html

Wer Bernd Schirra bei seinem Projekt unterstützen möchte, kann sich direkt an ihn wenden, entweder über seine Internetseite oder unter Telefon(0 68 61) 39 33.

Foto: ags

Namen

Von den in Merzig geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen: Leopold Baum (1876), Bella Berl (1888), Berthold Bonnem (1925), Edith Bonnem (1927), Gustel Bonnem (1903), Marcel Bonnem (1902), Rebecca Bonnem geb. Hanau (1863), Rudolf Bonnem (1929), Ella Daniel geb. Hayum (1894), Susanne Felsenstein (1873), Erwin Felsenthal (1896), Julie (Julia) Frank geb. Weil (1860), Clara Frenkel (1892), Dora (Sara) Frenkel geb. Neuberger (1887), Julius Frenkel (1879), Justina Frenkel geb. Schwarz (1860), Tilla Frenkel (1889), Alfred Hanau (1903), Bernhard Hanau (1865), Elsa Hanau (1902), Marie Hanau (1875), Mella Hanau geb. Keller (1882), Ottilia (Ottilie) Hanau (1875), Sara Klara Hanau geb. Mayer (1867), Theresia Hayum (1901), Otto Herz (1877), Sophronie Herz (1862), Edgar Kahn (1907), Edith Kahn (1924), Hedwig Kahn geb. Rauner (1883), Hermann Kahn (1901), Ida Kahn geb. Kaufmann (1878), Johanna (Hana) Kahn (1923), Joseph Kahn (1852), Julius Kahn (1867), Rosa Kahn (1897), Siegmund Kahn (1894), Karl Kaufmann (1882), Lina Kaufmann geb. Hirsch (1879), Dr. Rafael Kaufmann (1871), Frieda Koller geb. Benjamin (1900), Kamilla Levy geb. Levy (1876), Mathilde Levy (1878), Rose (Rosa) Levy (1875), Siegmund Levy (1865), Richard Lilienfeld (1889), Julie Markus geb. Hanau (1876), Mina Marx (1868), Rosa Marx geb. Salomon (1897), Germaine (Lilly) Mayer geb. Kahn (1913), Cécile Mühlstein geb. Berl (1876), Käte Oppenheim (1909), Werner-Moritz Oppenheimer (1921), Frieda Reinheimer geb. Grünberg (1884), Paul Reinheimer (1913), Adolf Salomon (1890), Ida Salomon geb. Kahn (1886), Theodore Salomon (1893), Dr. Ferdinand Samuels (1883), Isaak Tannenberg (1865), Max Tannenberg (1902), Amalie Tykoschinski geb. Kahn (1888), Mathilde (Tilde) Vredenburg geb. Weil (1894), Alfred Carl Weil (1873), Hermann Weil (1864), Rosa Wolff geb. Lilienfeld (1887).

Quellen: Yad Vashem, Jerusalem, und Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 bis 1945.

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