Stirbt „Lëtzebuergesch“ bald aus?

Merzig/Luxemburg · Viel deutet darauf hin, dass Luxemburgisch als Regionalsprache vom Ausstreben bedroht ist. Bei Grenzgängern scheint das „Lëtzebuergesch“ dagegen zunehmend beliebt – das Interesse an Sprachkursen steigt.

 Die Parteien im Großherzogtum (hier die Christlich Soziale Volkspartei von Premier Jean Claude Juncker) nutzen Luxemburgisch auf ihren Plakaten zur Parlamentswahl am 20. Oktober. Foto: Maria Wimmer

Die Parteien im Großherzogtum (hier die Christlich Soziale Volkspartei von Premier Jean Claude Juncker) nutzen Luxemburgisch auf ihren Plakaten zur Parlamentswahl am 20. Oktober. Foto: Maria Wimmer

Foto: Maria Wimmer

Alemannisch und Niederdeutsch sind es ebenso wie Mosel- und Rheinfränkisch sowie das Luxemburgische: Die Sprachen zählen laut Unesco zu den "unsicheren Sprachen", der ersten Stufe von fünf auf dem Weg zum Aussterben einer Sprache. Doch während die Sprachen in Deutschland höchstens regionale Bedeutung haben, kümmert sich in Luxemburg ein ständiges Gremium mit Sitz am Nationalen Literaturzentrum, der "Conseil permanent de la langue luxembourgeoise", um die Pflege und Erforschung der dritten Amtssprache des Großherzogtums. Heute spricht nur noch ein Drittel der Vorschulkinder Luxemburgisch als Muttersprache, meldet die Zeitung "Luxemburger Wort". Aber im Alltag mache sich das "Lëtze buergesch", das erst seit 1984 offizielle Amtssprache ist, zunehmend bemerkbar: Die Mehrheit der Wahlslogans der Parteien zu den vorgezogenen Kammerwahlen sind in Luxemburgisch gehalten. "Das war nicht immer so", betont Marc Barthelemy, der Präsident des "Conseil". "Vor fünfzig Jahren wurde in der Abgeordnetenkammer kaum Luxemburgisch gesprochen. Es wurde stets auf Französisch debattiert." Aktuell sprechen seiner Einschätzung nach 500 000 Menschen täglich Luxemburgisch, das sei ein Höchstniveau. "Das entspricht der Einwohnerzahl, beinhaltet aber auch Grenzgänger, die des Luxemburgischen mächtig sind." Das Interesse bei Grenzgängern, Luxemburgisch zu lernen, sei zudem sehr groß.

Das kann auch die Leiterin der Volkshochschule Merzig-Wadern, Ulrike Heidenreich, bestätigen. Die Luxemburgisch-Sprachkurse seien durchweg gut besucht, das Interesse steigend. "In etwa 90 Prozent sind berufliche Gründe die Motivation, unsere Kurse zu besuchen", hat sie beobachtet. Stark nachgefragt würden auch die zweimonatigen Intensivkurse, die von der Agentur für Arbeit gefördert werden. Die Notwendigkeit, Luxemburgisch zumindest in Grundzügen zu beherrschen, um dort beruflich Fuß zu fassen, sei in den letzten Jahren merklich gestiegen. "Vor fünf bis zehn Jahren hat es noch ausgereicht, leidlich Französisch und gut Deutsch zu können, um in Luxemburg einen Job zu finden. Heute sind gutes Deutsch und Französisch Voraussetzung und immer öfter werden in den Stellenanzeigen auch Luxemburgisch-Kenntnisse verlangt." Diese Entwicklung führt Heidenreich auf den Wandel des luxemburgischen Arbeitsmarktes zurück. "Es ist enger geworden, daher werden die Anforderungen an Externe höher." Die Bedeutung der Sprachkenntnisse sei immens: "95 Prozent aller Teilnehmer finden innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Kurses einen neuen Arbeitsplatz", sagt Heidenreich. Dies gelte auch für Arbeitnehmer über 50.

Daher sieht auch Barthelemy die Lage des Luxemburgischen nicht nur negativ. Das gesprochene Luxemburgisch habe seinen festen Platz im Großherzogtum, auch wenn es sich als geschriebene Sprache erst im Werdegang befindet. In den Zeitungen sind Artikel auf "Lëtzebuergesch" die Ausnahme.

Ob mehr Schriftsprache und eine wachsende Zahl von Luxemburgisch-Lernen den Prozess des Aussterbens dauerhaft aufhalten kann, hängt für den Sprachwissenschaftler der Universität des Saarlandes, Christian Ramelli, auch davon ab, "ob sich das Luxemburgische auch dauerhaft als Mittel in der alltäglichen Kommunikation durchsetzen kann. Da kann es natürlich durchaus positiv sein, dass mehr Menschen die Sprache lernen". In der Frage, ob das Luxemburgische überhaupt als Sprache oder nicht eher als Dialekt - aufgrund seiner Nähe zum Deutschen in insbesondere zum Moselfränkischen - eingeordnet werden kann, hält Ramelli eine Klassifizierung als Sprache für vertretbar. "Es gibt normative Regelungen, zum Beispiel eine geregelte Orthografie oder den öffentlichen Gebrauch im Schulunterricht und im Radio", so Ramelli. Auch die Tatsache, dass Luxemburg ein eigener Staat sei, habe Einfluss auf die Einordnung als Sprache.

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