Streit um Sprachförderung Stellenabbau durch die Hintertür? Lehrkräfte im Saarland fordern mehr Verlässlichkeit

Update | Saarbrücken · Sprachförderlehrkräfte in Schulen sollen ab September direkt beim Land angestellt werden, statt wie bisher bei einem externen Träger. Kritiker befürchten einen Stellenabbau durch die Hintertür. Das Saar-Bildungsministerium widerspricht.

 Sprachförderlehrkräfte müssen sich auf heterogene Klassen mit Schülern unterschiedlicher Erstsprachen und Lernstände einstellen. Das ist ein herausfordernder Job.

Sprachförderlehrkräfte müssen sich auf heterogene Klassen mit Schülern unterschiedlicher Erstsprachen und Lernstände einstellen. Das ist ein herausfordernder Job.

Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb/Marcus Führer

Der Bedarf an Sprachförderung im frühkindlichen als auch im schulischen Bereich ist weiter gestiegen. Nicht zuletzt durch die Pandemie. Deshalb will Bildungsministerium Christine Streichert-Clivot (SPD) die Sprachförderung auf neue Füße stellen (wir berichteten).  Für die Schulen bedeutet dies, dass rund 180 Sprachförderlehrkräfte künftig nicht mehr über den Träger Paritätisches Bildungswerk (PBW) in einem Outsourcing-Modell beschäftigt werden sollen, sondern direkt beim Land.  „Wir werden die Sprachförderung aus der wiederkehrenden externen Vergabe an Bildungsträger in die dauerhafte hoheitliche Aufgabenerledigung des Landes selbst überführen und dadurch sichere und attraktive Arbeitsverhältnisse im Öffentlichen Dienst schaffen“, heißt es aus dem Bildungsministerium.

Perspektivisch sollen ab dem Schuljahr 2023/24 unbefristete Arbeitsverhältnisse entstehen. Deshalb seien die Haushaltsmittel für Sprachförderung 2020 und 2021 von 12 auf 18 Millionen Euro aufgestockt worden. „Klar ist, dass wir künftig weitere Haushaltsmittel und Planstellen benötigen werden, um die tatsächliche Nachfrage angemessen beantworten zu können.“

Sprachförderkräfte bangen um ihre Jobs

Das klingt erstmal ganz gut: Feste Stellen im öffentlichen Dienst, im übernächsten Schuljahr dann auch unbefristet. Warum also fürchten einige Sprachförderlehrkräfte jetzt um ihre Jobs? „Es gibt keine verlässlichen Aussagen des Ministeriums wie viele Sprachförderlehrkräfte eingestellt werden sollen“, kritisiert der PBW-Betriebsrat, der die 180 Lehrer- und Lehrerinnen vertritt. Man befürchte, dass nur ein Teil der zum 31. August entlassenen Kolleginnen und Kollegen wieder eingestellt werde – und funktionierende Strukturen zerschlagen würden. Der Betriebsrat spricht von einer „fatalen Entwicklung“ und befürchtet weniger statt mehr Sprachförderstunden.

„Der konzeptionelle Systemwechsel in der Sprachförderung bringt einen deutlichen Personalabbau bei den Sprachförderlehrkäften mit sich“, behauptet Frank Wagner, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. „Der Umgang des Bildungsministeriums mit den 180 entlassenen Förderkräften ist untragbar“, kommentiert er die Pläne. Lisa Becker, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen Saar fordert, „dass Bildungsministerin Streichert-Clivot schnellstmöglich für Transparenz sorgt.“  Sie stellt den Nutzen der Umstrukturierung als „undurchdacht“ in Frage.

Der Bedarf an Fachpersonal sei riesig

Dem widerspricht das Ministerium. Auf die seit 31. Januar veröffentlichte landesweite Ausschreibung könnten sich „selbstverständlich auch die derzeit beim PBW beschäftigten Sprachförderlehrkräfte bewerben.“  Ihnen vorab eine Zusage auf  Übernahme zu geben, sei aber im Rahmen der Ausschreibung rechtlich nicht zulässig.   Deren Anforderungsprofil ist hoch: Die Bewerber müssen neben der fachlichen Qualifikation in Form eines abgeschlossenen Studiums oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung in für den Bereich der schulischen Sprachförderung geeigneten Berufsfeldern, eine dreijährige Berufserfahrung mitbringen, sowie eine Zusatzqualifikation im Bereich Deutsch als Zweitsprache.

Dass man bei der Neuaufstellung großen Wert auf fachliche Qualifikationen legt, begrüßen Experten. Zum Beispiel Stefanie Haberzettl,  Professorin für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Saar-Uni.  Derzeit bilden sich dort circa 15 Sprachförderlehrer- und lehrinnen in einem Master-Studiengang weiter. In der Regel berufsbegleitend. „Viele Sprachförderkräfte, die ich kenne und die zurzeit noch beim PBW arbeiten, haben sich  nicht nur in der Praxis bewährt, sondern auch auf dem Papier die richtige Qualifikation. Um die mache ich mir gar keine Sorgen. Man braucht gute Leute“, sagt Haberzettl. Denn der Bedarf an Fachpersonal sei riesig. Es sei daher richtig, die Sprachförderung weiter zu professionalisieren und sie direkt im Ministerium anzusiedeln.

Doch wie viele Vollzeit-Stellen werden ab September nun wirklich geschaffen?

 „Eine seriöse Aussage, wie viele Stellen im Rahmen der Ausschreibung personalisiert werden können, ist derzeit noch nicht möglich“, schreibt das Ministerium. Derzeit personalisiere das PBW 4000 Lehrerwochenstunden. Das sind um die 150  Vollzeitstellen, legt man eine Lehrerwochenstundenzahl von 27 zugrunde. Der Grund: Es stünden derzeit rund neun Millionen Euro für Sprachförderung zur Verfügung, doch es gibt keinen Stellenplan. „Wir werden personalisieren, soweit uns Haushaltsmittel zur Verfügung stehen“, betont das Ministerium.  Ab 2023 soll es die Planstellen aber geben, wird versichert. Haushaltstechnisch abgesichert. Erstmalig sollen dann auch die Förderschulen mit Sprachförderlehrkräften verstärkt werden.  „Erst nach der Bedarfsabfrage an den Schulen, dem Bewerbungsschluss und der Haushaltsaufstellung steht auch die Zahl der Vollzeit-Stellen fest“, teilt Pressesprecher Fabian Bosse mit. 

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