Neue Seidenstraße Missverstandenes China?

Saarbrücken · Welche Chancen und Risiken birgt das Mega-Projekt „Neue Seidenstraße“ für Europa? Darüber sprach der Autor Stefan Baron bei der Saarbrücker Union Stiftung.

 Die „Neue Seidenstraße”

Die „Neue Seidenstraße”

Foto: SZ/Müller, Astrid

China will eine „Neue Seidenstraße“ schaffen: Knapp eine Billion US-Dollar will die Volksrepublik in den nächsten 20 Jahren in Häfen, Straßen, Bahnstrecken, Pipelines und Flughäfen entlang der antiken Handelsrouten investieren und so ein modernes Verbindungsnetz zwischen Asien, Afrika und Europa aufbauen. Über 70 Nationen mit 4,5 Milliarden Menschen haben sich bereiterklärt, mitzumachen. „Das ehrgeizigste Entwicklungsvorhaben der Menschheitsgeschichte“, so das Urteil von Stefan Baron, der lange Chefredakteur der „WirtschaftsWoche“ war und heute als Autor und Kommunikationsberater tätig ist. Ob in dem Mega-Projekt eine Gefahr oder eine Chance für Deutschland und Europa steckt – dieser Frage ging der China-Kenner am Montag im Haus der Union Stiftung in Saarbrücken nach. Ein brandaktuelles Thema offenbar: 225 Zuhörer waren gekommen. Damit hatte selbst der Veranstalter nicht gerechnet. „Wir sind regelrecht überrannt worden“, sagte Gerd Brosowski vom Vorstand der Stiftung.

Die EU stehe dem Vorhaben skeptisch bis ablehnend gegenüber, sagte Baron. Sie werfe China vor, es bei der Ausschreibung an Transparenz mangeln zu lassen und europäische Sozial- und Umweltstandards nicht einzuhalten. Alles nur vorgeschoben, dahinter stehe die Sorge, China wolle die Weltherrschaft erringen – eine Fehleinschätzung, ist Baron überzeugt. Ziel des Projekts sei es, neue Märkte zu erschließen und Überkapazitäten im Stahl- und Bausektor abzubauen. Allein um wirtschaftliche Interessen gehe es zwar tatsächlich nicht. Es sei vielmehr ein „geopolitischer Wettbewerb um die führende Position in der Weltordnung von morgen“. Die USA, die ihre Vormachtstellung bedroht sähen, beschuldigten die Volksrepublik, die Länder, die sich beteiligen, auszubeuten, so Baron. „Heuchlerische Propaganda“ sei das. Doch China wolle die USA als Welt-Hegemon nicht verdrängen, sondern strebe eine multipolare Weltordnung an. Die Befürchtung, dass Peking sein autoritäres Gesellschaftsmodell weltweit verbreiten wolle, sei falsch. Dieses Modell sei so „spezifisch chinesisch geprägt“, dass es sich gar nicht auf andere Länder übertragen ließe. Und: „Anders als die USA haben die Chinesen kein Sendungsbewusstsein. Sie halten sich nicht für die Weltpolizei.“ Dieser Ansatz wirkte stellenweise zwar etwas schematisch vereinfacht – die Amerikaner die Bösen, die Chinesen nur missverstanden – bot aber eine erfrischend neue Sichtweise.

Europa sieht Baron an einem historischen Scheideweg. Beteilige es sich nicht an der „Neuen Seidenstraße“, verspiele es seine Zukunft. Das Projekt biete Wachstumschancen, vor allem für die Investitionsgüter-Industrie. Und, so Baron, es könnte den Migrationsdruck auf Europa verringern, weil es zur Entwicklung afrikanischer Staaten beitrage. Darüber hinaus spiele die EU eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob der Konflikt zwischen den USA und China eskaliert oder nicht. Eine kluge europäische Fernost-Politik könnte zur Entspannung beitragen, ist Baron überzeugt.

Stefan Baron und seine Frau Guangyan Yin-Baron haben ein Buch über China verfasst: „Die Chinesen – Psychogramm einer Weltmacht“ (Econ Verlag).

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