Tanz für Toleranz Starkes Signal für Minderheit ohne Stimme

Homburg/Saarbrücken · Tanzprojekt des Dekanats Saarbrücken gehört zu den Sieger-Beiträgen eines Bundeswettbewerbs gegen Extremismus und Gewalt.

 Menschen am Boden. Diskriminierung zerstört Leben. Die Tänzer packen das in starke Bilder. So gut, dass es dafür einen Preis in einem bundesweiten Wettbewerb gab.

Menschen am Boden. Diskriminierung zerstört Leben. Die Tänzer packen das in starke Bilder. So gut, dass es dafür einen Preis in einem bundesweiten Wettbewerb gab.

Foto: Carsten Thiele

() Als es losging, war Heiner Buchen und den jungen Leuten die Dimension ihres Vorhabens klar. Ein starkes Zeichen gegen die Diskriminierung der Sinti und Roma wollten Buchen und die anderen überzeugten Europäer setzen. Es ging ihnen darum, nachhaltigen Protest auf die Bühnen der Region zu tragen, darum, ihn als getanzte Anklage rüberzubringen. Sie wollten einen Denkanstoß weit über Saarbrücken hinaus geben. Der Impuls kam aus einer Gegend, in der die Europa-Idee  längst gelebter Alltag ist. Und er kommt noch immer gut an. Jetzt hat der Tanz gegen Ausgrenzung und Menschenverachtung, die in den organisierten Massenmorden an Sinti und Roma in der Nazi-Zeit gipfelte, die bislang größte Ehrung erfahren. Das Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT), angedockt an die Bundeszentrale für politische Bildung, hat  „Ohne Stimme“, den Toleranz-Tanz, in die Reihe der Siegerprojekte eines deutschlandweiten Wettbewerbes aufgenommen. Sein Titel:  „Demokratie und Toleranz — gegen Extremismus und Gewalt“. Das Tänzerteam aus der Grenzregion mit Verstärkung aus anderen Ländern  bekam 2000 Euro.

Buchen erinnerte sich jetzt beim SZ-Besuch an den langen Weg, der schon hinter ihm und dem Ensemble liegt. Der Pastoralreferent versammelte im vergangenen Jahr mit elf weiteren Betreuern rund 60 junge Leute aus Saarbrücken, Lothringen, Bosnien-Herzegowina und Rumänien zu einem Sommerworkshop, darunter zehn  Jugendliche aus Saarbrücker Romafamilien. Die Atmosphäre im Team begeisterte Buchen von Anfang an. „In Zeiten, in denen Europa scheinbar auseinanderdriftet, begegnen sich hier junge Europäer und tanzen miteinander“, sagte er damals.

Die Uraufführung war im vergangenen Sommer im rumänischen Targu Jiu. In diesem Jahr eröffnete „Fara Voce – Ohne Stimme“ das deutsch-französische Bühnenfestival Perspectives.  Solche Erfolge brauchen Förderer, wie Buchen betont. „Das Projekt des Dekanats Saarbrücken bekam vor allem vom Deutsch-Französischen Jugendwerk und vom Regionalverband Geld.“ Es war gut angelegt, wie Antworten von Teilnehmerinnen zeigen.

Sophie Yelda Siegwart aus Saarbrücken  sagt: „Ich habe eine Menge gelernt. Unter anderem, was der Unterschied ist zwischen Sinti und Roma. Mir ist klar geworden, dass diese europäische Minderheit keine Stimme hat — weder in den nationalen Parlamenten noch auf Europaebene. Und das ist nicht gut.  Das ist Unrecht.“

Fabiola Buchen fasste ihre Begeisterung für das gemeinsam  Erreichte in diese Worte: „Was an Freundschaften wuchs über Länder-, Kultur- und Religionsgrenzen hinweg, ist so schön, dass es mich schwindlig macht.“ Ines Arnone aus Freyming-Merlebach findet, es komme nicht oft vor, dass Menschen sich  auf ästhetisch-anspruchsvolle Art mit einem sehr ernsten Inhalt beschäftigen. „Ich freue mich auf weitere Aktionen dieser Art.“

Alexandra Kurth vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Gießen hielt jetzt bei der Preisverleihung in Heidelberg die Laudatio auf den Beitrag aus dem Saarland. Dass junge Leute sich auf Tanzen einlassen, das könne sie nachvollziehen. Aber dass sie sich auf ein so schwieriges Thema einigen, das finde sie toll.

 Die zermürbende Macht der Masse gegen Ausgegrenzte spiegelt sich in starken Szenen.

Die zermürbende Macht der Masse gegen Ausgegrenzte spiegelt sich in starken Szenen.

Foto: Carsten Thiele

Heiner Buchen erinnert sich an die Siegerehrung: „Alexandra Kurth hat die Komplexität des Projektes gewürdigt und uns bescheinigt, dass wir ein kaum beleuchtetes Thema an die Öffentlichkeit bringen: die Situation der Sinti und Roma. Es ging um deren Geschichte bis hin zu den Bildern in uns. Und um den von den Nazis begangenen Massenmord an Sinti und Roma mit 500 000 Opfern, dem ein langer Kampf um die Anerkennung dieses Leides folgte.“ Es soll nicht das letzte wichtige Thema sein, das junge Leute aufgreifen. Geplant ist für 2018 eine Aktion in Spanien. Es geht um das Gegeneinander und Miteinander der drei Buchreligionen Christentum, Judentum und Islam. Dass Talente aus Saarbrücken und Umgebung solche Stücke gut auf die Bühne bringen können, haben sie ja gerade bewiesen.

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