Stadtteil-Name als "immaterielles Denkmal"

Meinrad Grewenig, Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte, hat sich in die Debatte um den Stadtteil-Namen "Hermann-Röchling-Höhe" eingeschaltet - mit einem Beitrag, den er als "gutachterliche" Stellungnahme bezeichnet. Er sieht die Benennung des Stadtteils als "immaterielles Denkmal" und plädiert dafür, nicht umzubenennen, sondern mit einer Gedenkstätte zu erklären. Wir dokumentieren seinen Text in Auszügen.

Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte (hier eine Aufnahme von 1991) entwickelte sich auf dem Gelände der früheren Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke. Foto: Becker & Bredel

Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte (hier eine Aufnahme von 1991) entwickelte sich auf dem Gelände der früheren Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke. Foto: Becker & Bredel

Völklingen. "Die Sorgen, dass mit der Benennung der Hermann-Röchling-Höhe ein verurteilter Kriegsverbrecher posthum weiter geehrt würde, kann man durchaus verstehen. Jedoch ist das Thema der persönlichen Ehrung bei der Benennung der Hermann-Röchling-Höhe nicht entscheidend, da diese Benennung in der Tradition der Benennung von Flurnamen und Landschaften steht. Grundsätzlich ist mit einer Benennung einer Gemarkung, Siedlung oder Straße keine Ehrung verbunden. . . . In diesem Fall trägt die Siedlung den Röchlingschen Namen entsprechend ihrer Gründerfamilie. . . Ein anderes prominentes Beispiel ist die Essener Margarethenhöhe, benannt nach Margarethe Krupp, ihrer Stifterin. Obwohl die Familie Krupp auch an den faschistischen Gräueln aktiv beteiligt und Alfred Krupp ebenfalls ein verurteilter Kriegsverbrecher war, ist bisher in Essen noch niemand auf die Idee gekommen, den Kruppschen Namen durch Umbenennungen . . . aus dem historischen Bild der Stadt zu tilgen.Die Benennung der Hermann-Röchling-Höhe 1956 durch Stadtratsbeschluss hat während der aktiven Zeit der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke im Umfeld der Völklinger Hütte ein historisches Faktum gesetzt und damit . . . ein immaterielles Denkmal errichtet. Dieses Denkmal hat positive Seiten, aber auch dunkle Flecken. Dies ist nahezu allen Denkmälern der Industriekultur eigen.

Es ist der falsche Ansatz, die dunklen Flecke der Geschichte durch ihre Beseitigung zu tilgen. Ein aktiver und aufklärerischer Umgang mit der Geschichte kann nicht dadurch erfolgen, dass man sie unsichtbar macht. Diese Diskussion wurde z. B. auch um das Reichsparteitagsgelände und andere Bauten der Nazis geführt, mit dem Ergebnis, dass diese nicht - wie ursprünglich geplant - abzureißen seien, sondern es sei ihre Geschichte weiter öffentlich sichtbar zu machen. Geschichte zu erklären, wäre auch der richtige Ansatz für die Hermann-Röchling-Höhe. Eine öffentliche Gedenkstätte mit er- und aufklärender Beschilderung zum Namen und der Geschichte der Zwangsarbeiter in den Röchling'schen Werken wäre eine bessere Reaktion. . . .

Eine Umbenennung würde bedeutende gewachsene Spuren der Geschichte der Völklinger Hütte tilgen und möglicherweise dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte . . . Schaden zufügen . . . Moralische Größe im Umgang mit Geschichte zeigt sich nicht in einer Denkmalvernichtung mit einer nachträglichen und falsch verstandenen Siegerpose."

Foto: Ruppenthal

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