„Stadtmitte am Fluss“ Wie der Autobahntunnel fast in Vergessenheit geriet

Beim 2003 angeschobenen Projekt „Stadtmitte am Fluss“ geht es um hunderte Millionen Euro – zu viel Geld für Stadt und Land?

2003: Damit die Landeshauptstadt attraktiver wird, schlägt der Städtebaubeirat vor, die Stadtautobahn zwischen Bismarck- und Luisenbrücke in einen Tunnel zu verlegen. Der Tunnel soll ein Teil eines großen Projekts zur Aufwertung der City sein.

2004: Die Idee gewinnt immer mehr Unterstützer. Der Saarbrücker Stadtrat stimmt einem Masterplan zu. Die Kostenfrage ist aber ungeklärt. Außer­halb Saarbrückens fürchten Bürgermeister, dass bei einer solchen Investition für ihre Gemeinden künftig weniger Geld übrigbleibt.

2005: Das zunächst mit 115 Millionen Euro veranschlagte Großprojekt soll inklusive Tunnel nun 170 Millionen Euro kosten. Je ein Drittel sollen die EU und der Bund zahlen, den Rest die Stadt und das Land.

2006: Eine Studie ergibt: Die „Stadtmitte am Fluss“ könnte in Saarbrücken bis zu 3000 Arbeitsplätze langfristig sichern oder neu schaffen.

2008: Statt 180 Millionen Euro werden nun Kosten von 300 Millionen Euro erwartet. Wer welchen Anteil trägt, ist immer noch völlig ungewiss.

2009: Saarbrücken fordert vom Bund 193 Millionen Euro für die „Stadtmitte am Fluss“. Doch der Bund verspricht nur 64 Millionen – die Prüfer des Bundesrechnungshofs empfehlen sogar nur 22 Millionen Euro, weil sie am verkehrstechnischen Nutzen des Tunnels zweifeln. Land und Bund vereinbaren, sich die Kosten zu teilen, die nach den Zuschüssen von Bund und EU übrigbleiben. Die geschätzten Kosten steigen auf 372 Millionen Euro.

2010: Ministerpräsident Peter Müller (CDU) wirft der Stadt vor, sie sei nicht in der Lage, eine entscheidungsreife Vorlage für die EU zu liefern – was die Stadtspitze erbost zurückweist. Müller macht klar, dass er den Tunnel für verzichtbar hält und über den Bau erst 2013 entschieden wird. Bei der EU werden offiziell Mittel beantragt.

2011: Land (CDU-regiert) und Stadt (SPD-regiert) sind dermaßen zerstritten, dass für 63 000 Euro ein Mediator engagiert werden muss. Am Ende unterzeichnen beide Seiten eine Finanzierungsvereinbarung – obwohl eine Unternehmensberatung ermittelt hat, dass die Finanzierung „nicht darstellbar“ ist. Über den Bau des Tunnels soll 2013 entschieden werden, wenn klar ist, wie hoch die Finanzierungsanteile von Bund und EU tatsächlich sind. Die EU beschließt, 49 Millionen Euro für das Projekt zu geben.

2012: Der Zeitplan für den Tunnel wird über den Haufen geworfen. Nun soll erst 2015 entschieden werden, Baubeginn soll frühestens das Jahr 2020 sein. OB Charlotte Britz (SPD) begründet den neuen Zeitplan mit den hohen Schulden von Stadt und Land sowie mit Verzögerungen in der Tunnelplanung. Unabhängig vom Tunnel sollen bereits andere „Stadtmitte“-Projekte wie die Aufwertung der Eisenbahnstraße oder des Osthafens angegangen werden.

2013: Der Landesrechnungshof fällt ein vernichtendes Urteil über das „Stadtmitte“-Projekt, hält die Planungen für „mehr als dilettantisch“. Die Prüfer erkennen „keine realistische Umsetzungschance“ und empfehlen die Rücknahme des Großprojektantrags bei der EU. Statt der 372 Millionen Euro erwarten sie Kosten von mindestens 428 Millionen Euro, am Ende eventuell sogar von über einer halben Milliarde Euro. Das Projekt könne nur noch gerettet werden, wenn der Bund die Kosten für die Eintunnelung der A620 übernimmt.

Stadt und Land vertagen den Tunnelbau auf unbestimmte Zeit und reichen bei der EU einen geänderten Projektantrag ein – ganz ohne Tunnel. Die EU lehnt den Antrag ab.

2014: Land und Stadt schließen eine neue Finanzierungsvereinbarung für das geschrumpfte Projekt ohne Tunnel ab. 77 Millionen Euro, davon 16 Millionen vom Land, stehen nun zur Verfügung für die Aufwertung der Berliner Promenade und des Rabbiner-Rülf-Platzes, der Eisenbahnstraße, den Lärmschutz am Staden, die Aufwertung des Osthafens und der Freifläche am Neumarkt.

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