Untreueverdacht Staatsanwalt ermittelt gegen Leitung des Staatstheaters in Saarbrücken

Saarbrücken · Wirbel um verschwundenes Material für 200 000 Euro: Das Kultusministerium hält die Vorwürfe gegen die Staatstheater-Führung bereits für ausgeräumt.

  Bei der Inventur in den  Theaterwerkstätten fiel dem damaligen Werkstattleiter fehlendes Material auf. Nun hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Bei der Inventur in den  Theaterwerkstätten fiel dem damaligen Werkstattleiter fehlendes Material auf. Nun hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Foto: fine art/fine art press

Verschleierungs-, gar Untreueverdacht – das legt Feuer unters Dach des Saarbrücker Staatstheaters. Aber im Löschtrupp, der den öffentlichen Schaden für das Haus gering halten soll, fehlen sowohl Intendant Bodo Busse wie auch der Aufsichtsratsvorsitzende des Staatstheaters, Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD). Beide sind in Urlaub, doch zweifelsohne wären sie vor Ort, hätte das, was an Verdacht im Raum steht, aus ihrer Sicht nicht bereits vollumfänglich aufgeklärt werden können, zumindest intern. Angeblich, so meldete es zuerst der Saarländische Rundfunk, soll in den Werkstätten und in Lagern Material im Wert von rund 200 000 Euro fehlen und die Theaterleitung dafür verantwortlich sein. Derzeit sind dies der kaufmännische Direktor Matthias Almstedt und Generalintendant Bodo Busse. Wobei sich die womöglich strafrelevanten Vorgänge nicht in Busses Amtszeit ereignet haben sollen.

 „Die Theaterleitung hat unser vollstes Vertrauen“, sagt denn auch Commerçons Kulturabteilungsleiterin Heike Otto der SZ. Der Aufsichtsrat habe im Oktober 2018 auf erste Hinweise direkt reagiert und sehe nach zweimaliger Befassung mit dem Thema „alle Vorwürfe als entkräftet an“. Der Grund: Die bei einer Inventur monierten Fehlbestände seien überhaupt nie weg gewesen, sondern lediglich an anderer Stelle als in den Werkstätten (Heinrich-Böcking-Straße), nämlich im Großen Haus, gelagert worden. Gleichwohl ermittelt die Staatsanwaltschaft. Zumindest das bestätigt deren Sprecher Mario Krah der SZ. Aber warum gegen wen – keine Angaben. Das legten Otto und die Rechtsanwältin des Staatstheaters, Kathi Feldbausch-Hohaus, auf Nachfrage am Freitag gegenüber der SZ offen. Das Ermittlungsverfahren sei wegen Verstoß gegen den Paragraphen 331 HGB (Handelsgesetzbuch) eingeleitet worden, der die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der finanziellen Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft ahndet. Aber auch Untreue könne womöglich eine Rolle spielen, denn ermittelt würde wegen aller in Betracht kommender Straftaten.

Aus ihren und den Ausführungen von Commerçons Kulturabteilungsleiterin Otto ergibt sich folgendes Bild: Die Ermittlungen gehen zurück auf einen Hinweis des Landesrechnungshofs. Der wiederum war Anfang Oktober durch einen heute nicht mehr am Saarländischen Staatstheater beschäftigten, damals schon frei gestellten Werkstättenleiter auf vermeintliche Materiallücken in den Beständen aufmerksam gemacht worden, die der Mann (53) bei der jährlichen Inventur entdeckt hatte. Zeitgleich gingen Briefe, die wohl harte Vorwürfe gegenüber der Theaterleitung formulierten, an den Aufsichtsrat und den Finanzminister. Laut Otto legte die Theaterleitung bereits am 11. Oktober eine umfangreiche Stellungnahme vor, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei eingeschaltet worden, am 19. Dezember sei im Aufsichtsratsprotokoll vermerkt, dass alle Verdachtsmomente ausgeräumt seien. Im April 2019 habe das Gremium dann den Jahresabschluss für die Spielzeit 2017/2018 als korrekt angenommen und noch einmal bekräftigt, dass es keinerlei Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gebe. Ob dem tatsächlich so ist, werden die Ermittlungen ergeben. Nach SZ-Recherchen befinden sich die umfänglichen Akten, unter anderem dicke Inventarlisten, derzeit noch zur Prüfung bei der Polizei. „Wir stellen uns den Vorwürfen und kooperieren mit den Ermittlungsbehörden“, so die SST-Rechtsanwältin. Bisher seien im Staatstheater weder Vernehmungen noch Durchsuchungen erfolgt. Sie rechnet nicht damit, dass sich die Angelegenheit schnell wird aufklären lassen.

So ernst dies alles ist, hat die Geschichte auch ihre kuriose Seite. Nicht nur, weil, sollte es sich als richtig erweisen, das fehlende Material, das den Wirbel macht, nie weg war. Und: Bei den vermeintlich privat abgezweigten Gegenständen handelt es sich nicht um teure Requisiten, sondern um Bau-Materialien, aus denen Bühnenbilder entstehen: Holz, Vorhangstoffe, Schrauben, Farben, Flaschen mit Propan (Schweiß-)Gas und Tanzteppiche, die auf der Bühne als abfedernder Schutz fürs Ballett ausgelegt werden. Zudem „menschelt“ es. Denn der Mitarbeiter schickte die Briefe ab, wenige Tage nachdem man ihn frei gestellt hatte. Das war am 25. September. Ein Racheakt?

Der Ingenieur war erst seit 2016 am SST engagiert, hatte einen Zweijahres-Vertrag, den das SST auslaufen ließ, also nicht verlängerte. Womöglich brachte er dies mit seinen Entdeckungen im Zuge der Inventur im Sommer 2017 in Verbindung. Denn über die seiner Meinung nach fehlenden Materialien informierte er damals die Theaterleitung – und wurde dem Vernehmen nach offensichtlich nie explizit darüber aufgeklärt, dass sie im Großen Haus lagern. Warum nicht, auch das dürfte die Ermittler beschäftigen.

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