Wirtschaftsförderung in der Krise „Die Wertschöpfung in der Region halten“

Beraten und informieren: Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendeler Land hat in der Corona-Krise viel zu tun.

 Wirtschaftsförderer Hans-Josef Scholl.

Wirtschaftsförderer Hans-Josef Scholl.

Foto: Volker Fuchs

Die Corona-Krise trifft die Unternehmen im St. Wendeler Land hart. Betriebe haben geschlossen. Nicht wenige sehen sich in ihrer Existenz gefährdet. Viele suchen Rat bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendeler Land. Dazu ein Interview mit Wirtschaftförderer Hans-Josef Scholl

Wie sieht die wirtschaftliche Lage im Landkreis St. Wendel aus?

Wirtschaftsförderer Hans-Josef Scholl: Die wirtschaftliche Lage ist natürlich derzeit sehr angespannt. Unternehmer und Arbeitnehmer sind gleichermaßen verunsichert und machen sich große Sorgen um ihre wirtschaftliche Existenz. Uns erreichen dazu viele Anfragen und Rückmeldungen. Die allermeisten Unternehmer sind aber gleich ins Krisenmanagement eingestiegen und nutzen alle vorhandenen Instrumente. Unternehmer kommt eben von unternehmen – und das machen sie im Guten wie im Schlechten. Dafür habe ich großen Respekt.

Welche Branchen und Unternehmen sind von der Krise besonders betroffen?

Scholl: Das sind leider viele: Gastronomie, Hotellerie, der Handel, die im Freizeitsektor tätigen Betriebe, auch der Gesundheitssektor, Künstler, Dozenten und sehr viele Solo-Selbstständige und Klein-Unternehmer unterschiedlicher Branchen. Auch Dienstleister, vor allem unternehmensnahe Dienstleister. Teilweise auch das Handwerk. Durch unsere klein- und mittelständische Wirtschaftsstruktur hier im Landkreis St. Wendel sind es bei uns weniger die großen Industrieplayer, die im Fokus stehen. Aber natürlich haben auch wir Zulieferer und produzierendes Gewerbe, das an den großen Unternehmen dran hängt und jetzt auch mit betroffen ist.

Welche Unterschiede gibt es zwischen den Problemlagen großer Player und kleiner Betriebe?

Scholl: Unterschiede gibt es darin, dass große Player oft einfach eine bessere Kapitaldecke haben oder auch mehr Ressourcen, um mit den Anforderungen der Krise umgehen zu können. Kleine Betriebe sind häufig so aufgestellt, dass die Planungen und die Kapitaldecke nur für die nähere Zukunft reichen. Wenn die Umsätze wegbrechen, wird es schnell existenzbedrohend. Sich in einer solchen Situation dann schnell und erstmals mit allen Instrumenten der Liquiditätssicherung und damit auch der Existenzsicherung beschäftigen zu müssen, erzeugt großen Stress und Unsicherheit. Nicht zuletzt ist bei kleinen Unternehmen der Firmeninhaber sehr oft mit seiner ganzen wirtschaftlichen Existenz von der Firma abhängig.

Kommen viele Anfragen an die Wirtschaftsförderung?

Scholl: Sehr viele, die Telefone auf unserer Hotline (0 68 51) 90 30 klingeln ständig. Auch per Mail und über Social Media-Kanäle kommen viele Anfragen rein.

Was sind die wichtigsten Fragen?

Scholl: Zentral ist die Frage nach der Liquidität. Wie überstehe ich die nächsten Tage, Wochen, Monate? Wie fange ich die Umsatzverluste auf, wo kann Geld herkommen? Wie zahle ich meine Löhne, was mache ich mit den laufenden Kosten? Wer hilft mir wo, wann, zu welchen Bedingungen? Hinzu kommen aber auch sehr branchen- oder unternehmensspezifische Fragen. Oder auch mal die Frage, ob man noch mit dem Hund die Bekannten besuchen darf. Und dann – das ist ganz besonders bemerkenswert – kommt von Unternehmern in der Krise auch tatsächlich die Frage, wie sie trotz genügend eigener Probleme noch anderen helfen können. Das finde ich einfach ganz große Klasse!

Wie können Sie als Wirtschaftsförderungsgesellschaft helfen und unterstützen?

Scholl: Wir haben sehr früh umfassende Informationen auf unserer Homepage www.wfg-wnd.de und auf unserem Facebook-Account Wirtschaftsförderungsgesellschaft St. Wendeler Land mbH eingestellt. Diese werden immer aktuell gehalten und auch intensiv genutzt. Dort finden sich Links, Dokumente, Ansprechpartner, Checklisten, Anforderungen. Vor allem weisen wir aber immer auf die Instrumente hin, die jetzt genutzt werden müssen: Die direkten Liquiditätshilfen von Bund und Land, die Kreditprogramme bei KfW und SIKB, die Möglichkeiten der Hausbanken von Kreditlinienerhöhung bis zur Tilgungsaussetzung, die Kontakte zu den Steuerberatern wegen der Stundung von Steuern oder der Herabsetzung von  Steuervorauszahlungen und das ganze Portfolio der betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung.

Wer unterstützt noch?

Scholl: Wir haben ein sehr gut funktionierendes Netzwerk, auf das wir immer wieder verweisen und zugreifen können. Ich will hier ausdrücklich unsere beiden regionalen Banken erwähnen, die Kreissparkasse St. Wendel und die Bank1Saar. Wir stehen in engem Kontakt und ich weiß, dass dort alles getan wird, den Kunden zu helfen. Die Banken setzen sich zudem auf übergeordneter Ebene sehr dafür ein, die Anforderungen an die Hilfsprogramme so einfach wie möglich zu gestalten. Gleiches tun die Steuerberater. Dann muss an dieser Stelle aber auch die Politik einmal lobend erwähnt werden. Wir bekommen derzeit Instrumente an die Hand, die vor wenigen Tagen noch schlicht undenkbar gewesen wären. Ich bin überzeugt, dass die Entscheidungsträger in der Politik den großen Ernst der wirtschaftlichen Lage erkannt haben. Vom saarländischen Regierungschef über das saarländische Wirtschafts- und das Finanzministerium, das gleiche natürlich auch auf der Bundesebene, versucht derzeit jeder, maximale Hilfestellung zu gewährleisten. Und es wird auch zugehört, wenn wir von der Basis berichten. Unsere gewählten Politiker wie Landrat Udo Recktenwald oder unsere Bundestagsabgeordnete Nadine Schön, MdLs und Bürgermeister – alle setzen sich ein und geben die Probleme der Basis nach oben in die Ministerien weiter. Und wenn dann auch nicht alle unsere Anregungen immer zu 100 Prozent umgesetzt sind – wir werden sicher auch in den kommenden Wochen noch nachbessern und Lücken stopfen müssen.

Wie lange können Unternehmen die aktuelle Situation überstehen?

Scholl: Das hängt natürlich stark vom einzelnen Unternehmen ab. Die Rückmeldungen bei uns reichen von wenigen Wochen bis hin zu einigen Monaten. Insgesamt ist es aber in den allermeisten Fällen so, dass durch die Nutzung der Instrumente von den direkten „Corona-Soforthilfen“ über die Kreditangebote bis hin zur Stundung bei Steuern oder sonstigen Kosten die Liquidität in einem gewissen Umfang erhalten werden kann. Und damit werden die meisten über die kommenden Wochen und Monate kommen, bis sich die Situation entspannt und sie wieder Umsätze machen können.

Lässt sich abschätzen, wie viele der Beschäftigten derzeit in Kurzarbeit sind?

Scholl: Diese Zahlen hat die Bundesagentur für Arbeit. Ich weiß von einigen Unternehmen, die schon einen Antrag auf Kurzarbeitergeld gestellt haben. In einigen der oben aufgeführten besonders betroffenen Branchen ist das ein hilfreiches Instrument. Aber ich weiß auch, dass viele Unternehmer damit zögern, weil sie ihren Arbeitnehmern die damit verbundenen Gehaltseinbußen ersparen wollen. Womöglich wird das Kurzarbeitergeld auch bei uns im Kreis weniger genutzt als in stärker industriell strukturierten Gebieten.

 Leere City: Die Geschäfte in der St. Wendeler Innenstadt haben geschlossen.

Leere City: Die Geschäfte in der St. Wendeler Innenstadt haben geschlossen.

Foto: B&K/Bonenberger/

Wie fühlt sich die aktuelle Situation für einen Wirtschaftsförderer an? Schlagen Ihnen gefühlt die Wellen über dem Kopf zusammen? Oder bleiben Sie trotz allem optimistisch?

Scholl: Das ist eine große Herausforderung, aber dafür sind wir ja auch da. Ich habe ein tolles und hoch motiviertes Team an meiner Seite, das sehr engagiert arbeitet. Wir sitzen teilweise mit vier oder fünf Kolleginnen und Kollegen gleichzeitig an der Hotline und an der Beantwortung der Fragen. Aber unsere Köpfe sind noch über Wasser und da bleiben sie auch. Ich bin vor allem realistisch. Wir sind jetzt in einem tiefen Tal und werden sicherlich auch noch einige Zeit darin bleiben. Aber danach geht es auf der anderen Seite auch wieder bergauf. Wer als Unternehmer vor der Krise ein gutes Geschäftsmodell hatte, gut aufgestellt war und jetzt alle verfügbaren Instrumente nutzt, der hat auch gute Chancen, nach der Krise beim Aufschwung wieder dabei zu sein. In diesem Zusammenhang ein Appell an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger: Bitte beauftragen Sie unsere regionalen Unternehmen und kaufen Sie bei unseren regionalen Händlern ein, sobald es wieder möglich ist. Wir müssen die Wertschöpfung in der Region halten. Wir haben viele kleine und mittelständische Unternehmen, eine hohe Handwerksdichte und viele Familienbetriebe. Damit hat der Landkreis St. Wendel insgesamt mit dieser widerstandsfähigen Struktur sehr gute Aussichten auf die Zeit danach. Dafür arbeiten wir alle.

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