Warum brauchen Gürkchen ein Gedächtnis?

?St. Wendel

?St. Wendel. Wie sieht der Einkauf in der Zukunft aus? Beispielsweise im Jahr 2054? Werden wir dann immer noch wie viele heutzutage abends nach Geschäftsschluss vor dem leeren Kühlschrank zu Hause stehen, weil wir vergessen haben, für Nachschub zu sorgen? Wenn's nach den Experten des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) geht, wird uns das Hausgerät schon Beine machen, wenn Butter, Milch und Co. fehlen.

Doch damit nicht genug: Auch unsere Lieblingsprodukte selbst sollen uns mehr über sich verraten. Die Wissenschaft soll's möglich machen. Hochtechnologie kommt dafür zum Einsatz. Wie das Ganze dann funktioniert, ist heute bereits zu sehen. Und zwar ganz bei uns in der Nähe: im Verwaltungsgebäude der Globus-Koordination in St. Wendel. Dort ist ein Supermarkt nachgebaut, ein paar Regale mit technisch präparierten Produkten.

All das war Kulisse während Dreharbeiten eines SWR-Fernsehteams für die Kinderspielshow Tigerentenclub. Die beiden Moderatoren Pete Dwojak (28) und Katharina Gast (26) übernahmen die Hauptrolle. Die junge Darstellerin saß dabei in einem blauen Einkaufswagen, den ihr Kollege mit einem Affenzahn zwischen den Einkaufsregalen umhermanövrierte. Nur ganz knapp kamen beide vor Gerrit Kahl (28) zum Stehen. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter dieses Forschungsprojekts und erklärte als Laiendarsteller den beiden TV-Profis, wie Kunden einmal die Informationen zu ihren Produkten auf elektronischem Weg erhalten. Kahl arbeitet für das Innovate Retail Laboratory, kurz IRL, wie dieses Einkaufsforschungslabor bei Globus offiziell heißt. Es wird vom DFKI (siehe "Stichwort") betrieben.

Aufgabe des Fernsehteams, das diese und andere Szenen immer wieder erneut aufzeichnete, um die perfekte Einstellung abzupassen: mit kindlicher Sprache rüberbringen, welch komplizierte Zusammenhänge hier im Detail von Wissenschaftlern erforscht werden.

Damit's auch wirklich alle Zuschauer später kapieren, fragte Pete mit sehr verwundertem Gesichtsausdruck, während er ein Glas Gurken in die Kamera hielt: "Wozu brauchen Gürkchen ein Gedächtnis?" Damit reagierte der Moderator auf Gerrits Erklärungen, dass im Etikett des Glases ein Computerchip versteckt ist, der wie ein Gedächtnis Daten gespeichert habe. Was es damit auf sich hat: Hier sollen sich eine Unmenge von Informationen zum Produkt verbergen: unter anderem Liste der Inhaltsstoffe, Herkunft, Haltbarkeit.

Greift der Kunde das Glas, erscheinen auf einem Bildschirm im Regal die entsprechenden Details. Natürlich auch der Preis. Gleichzeitig lassen sich Angaben zu ähnlichen Artikeln anderer Hersteller auf einen Blick vergleichen, erklärte Roman Seeck, Aufnahmeleiter des Teams. Ein Sensor habe schließlich alles erfasst.

Die Aufnahmen am Nachmittag liefen wie am Schnürchen. Drehwiederholungen nahm das gesamte Team gelassen und mit viel Humor. Verhaspelte sich einer der Darsteller, während die Kamera lief, musste der Unglücksrabe einige Lästereien über sich ergehen lassen. Doch das gehört zum Geschäft und lässt die Arbeit zum Spaß werden.

Den hat Pete ganz bestimmt, sagt er. "Ich bin nach einem Casting vor zwei Jahren dazugekommen. Mir macht's einfach Spaß, Fragen zu stellen. Da gibt es immer wieder Dinge, die ich selbst schon mal wissen wollte." Er könne sich vorstellen, die Sendung durchaus noch einige Zeit zu moderieren. Zumal ihm auch die Zusammenarbeit mit Kindern sehr viel Spaß mache und der SWR als betreuende Sendeanstalt dem Team Freiheiten bei der Themenwahl lasse.

Die Spielshow Tigerentenclub läuft sonntags um neun Uhr im Ersten der ARD, als Wiederholung samstags um 9.15 Uhr im dritten TV-Programm SWR/SR-Fernsehen sowie um 14.55 Uhr im ARD/ZDF-Gemeinschaftsprogramm Kika. Die 60-minütige Sendung startete Anfang 1996 als Nachfolge des Disney-Clubs. Darin treten zwei Schulklassen gegeneinander an. Dabei geht es um Wissens- und Geschicklichkeitsspiele, ergänzt um kleine Filme (Einspieler) zum Thema. Die jetzt unter anderem in St. Wendel und Kaiserslautern abgeschlossenen Dreharbeiten zum Einkauf der Zukunft sollen kommendes Frühjahr gezeigt werden. Ein genauer Sendetermin steht noch aus.

Stichwort

Das Deutsche Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI) hat mehrere Standorte: Saarbrücken, Kaiserslautern, Bremen und ein Projektbüro in Berlin. 1988 gründeten Unternehmen der Informationstechnik und Forschungseinrichtungen die Gesellschaft.

Aufgabe des DFKI: Forschungsergebnisse sollen rasch für Anwender umgesetzt werden. Dabei geht es um Software-Entwicklungen in Zusammenarbeit mit großen Forschungseinrichtungen in Deutschland, wie sich das DFKI selbst darstellt. Der Gesellschaft stehen dieses Jahr nach eigenen Angaben über 35 Millionen Euro zur Verfügung. Mehr als 400 Mitarbeiter sind beschäftigt. Hinzu kommen knapp 360 studentische Hilfskräfte. Unter anderem gehören folgende Gesellschafter dem DFKI an: Daimler AG, Deutsche Telekom AG, IDS Scheer AG.

Im Innovative Retail Laboratory (IRL) bei der Globus-Koordination in St. Wendel testen und demonstrieren zurzeit zehn Mitarbeiter Software-Programme beim gespielten Einkauf der Zukunft. Seit drei Jahren finanziert der saarländische Familienbetrieb die dafür nötige Professur. hgn

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