Trotz emsiger Suche blieb der Schatz verschwunden

St. Wendel. Als einen "Kriminalfall dreister Art", der "ungehört und unerhört" gewesen sei, sprach am Montagabend Gerd Schmitt vor 70 Zuhörern im Cusanushaus. Das letzte der "Gespräche im Pfarrgarten", die Teil des Veranstaltungsprogrammes der 650-Jahr-Feier der Wendelinus-Basilika waren, musste wegen des Regens in das Cusanushaus verlegt werden

 Den Kelch, den Graf Johann II. im Jahre 1369 stiftete, nahmen die Kirchendiebe 1716 nicht mit. Er war im Mai und Juni im Stadtmuseum zu sehen. Foto: Pfarrei

Den Kelch, den Graf Johann II. im Jahre 1369 stiftete, nahmen die Kirchendiebe 1716 nicht mit. Er war im Mai und Juni im Stadtmuseum zu sehen. Foto: Pfarrei

St. Wendel. Als einen "Kriminalfall dreister Art", der "ungehört und unerhört" gewesen sei, sprach am Montagabend Gerd Schmitt vor 70 Zuhörern im Cusanushaus. Das letzte der "Gespräche im Pfarrgarten", die Teil des Veranstaltungsprogrammes der 650-Jahr-Feier der Wendelinus-Basilika waren, musste wegen des Regens in das Cusanushaus verlegt werden. Der Redner beschäftigte sich mit dem bis heute mysteriösen Kirchendiebstahl Anfang Januar 1716. Als Hüterin und Verwalterin der bedeutenden Wallfahrtskirche sei die Pfarrei St. Wendelin im Laufe der Zeit zu einem ansehnlichen Vermögen gelangt. Dazu habe auch der Gold- und Silberschatz gehört, der in einem Gewölbe im nördlichen Turmbau über der heutigen Turmkapelle aufbewahrt worden sei. Zu den besonders kostbaren Stücken habe eine silberne Ampel gehört, ein Messkelch, den Graf Johann II. von Saarbrücken 1369 gestiftet hatte, ein Reliquiar in Gestalt eines Haupt- und Bruststückes, das den heiligen Wendelin darstellte, und das so genannte Dukatenhäuschen, ein aus Silber getriebener Reliquienschrein. Das Inventarium des Kirchenschatzes verzeichnete außerdem acht silberne Kelche, verschiedene Reliquiare, Chormantelschließen, wertvolle Kreuze, silberne Lampen und Wappenschilde. Anfang 1716 habe, so erzählte Gerd Schmitt weiter, der Polenkönig Stanislaus Leszczynski aus Zweibrücken seinen Besuch in St. Wendel angekündigt. Er habe die Kirche besichtigen und den Kirchenschatz sehen wollen. Um dem hohen Gast den engen Weg in die Güldenkammer zu ersparen, habe Pastor Christian Stackler alle kostbaren Stücke in die Sakristei bringen lassen. Das hätte er nicht tun sollen, denn in der Nacht wurde dort eingebrochen und ein großer Teil des Kirchenschatzes geraubt. Vermutlich seien es mehrere Täter gewesen, denn die entwendeten Stücke hätte teilweise ein beträchtliches Gewicht gehabt. "Nichts ist bekannt darüber, wer den Verlust entdeckte", sagte Gerd Schmitt. "Es ist auch nicht bekannt, ob der Polenkönig noch rechtzeitig über den Verlust informiert werden konnte und ob er vergeblich - oder überhaupt - nach St. Wendel gekommen war." In den Kirchenakten ist lediglich ein undatiertes Verzeichnis vorhanden, das neun geraubte Stücke aufführt.Fieberhafte SucheIn den Tagen nach dem Diebstahl, so vermerkt die Chronik, begann eine fieberhafte Suche nach den verlorenen Kostbarkeiten. Jedem Verdacht wurde nachgegangen. Pastor Stackler begab sich mit dem Kirchenschöffen Peter Enkrich nach Lebach, wo es verdächtige Personen gegeben haben soll. Alle Verhöre aber erbrachten nichts Greifbares. Noch viele Jahre später erzählte man sich in St. Wendel von dem geheimnisvollen Fremden aus der Blieskasteler Gegend, der in der Nähe des Küsterhauses wohnte. Nach dem Diebstahl sei er lange Zeit verschwunden gewesen. Nach seiner Rückkehr habe er auf dem Sterbebett gestanden, der gesuchte Kirchendieb zu sein, ohne allerdings den Aufbewahrungsort der Schätze zu verraten. Beim Abbruch des Hauses im Jahre 1760 habe ein Knecht den Schatz gefunden und beiseite geschafft. "Mitte des 19. Jahrhunderts habe der Volksmund erzählt, der Geist des Knechtes müsse des Nachts umgehen und an der Stelle kratzen, wo das Dukatenhäuslein und die anderen Kostbarkeiten begraben liegen", erzählte Gerd Schmitt abschließend. In der folgenden Zeit gelang es der Kirchengemeinde, die sakralen Gegenstände nach und nach durch andere Stücke zu ersetzen. Interessant ist die Tatsache, dass der Kelch aus dem Jahre 1369 damals aus der Sakristei nicht gestohlen wurde und bei der Ausstellung über die Wallfahrtskirche im Mai und Juni im Stadtmuseum zu sehen war.

Auf einen BlickAuf der Sommerakademie der Pfarrei St. Wendelin vermittelte Gerd Schmitt an sieben Abenden Einblicke in die St. Wendeler Geschichte. Die Vortragsthemen waren: "Der Sebastianustag 1456", "St. Wendel im Dreißigjährigen Krieg", "Die Märkte im alten St. Wendel", "Düstere Tage in St. Wendel", "Die Pest und ihre Auswirkungen", "Die Geschichte des Hospitals", "Der Kirchendiebstahl von 1716". Zahl der Teilnehmer: 400.Folgende Gastronomiebetriebe bewirteten die Gäste: Restaurant Palme, Angels Hotel, Magdalenenkapelle, Gasthaus "Zum Ochsen", Café Balduin, Café Journal.Tontechnik: Bernd Naumann. gtr

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort