Wohnraum wird knapper

Tholey · Flüchtlinge unterbringen, Hilfestellung leisten, die Integration fördern: Für die Gemeinden im Landkreis St. Wendel gilt es einiges zu schultern. Wir fragen nach, wie die Verwaltungen mit den Mehrbelastungen klar kommen und wo es hakt. Dieses Mal im Gespräch mit Tholeys Bürgermeister Hermann Josef Schmidt.

177 Wochenstunden - ein Thema: Flüchtlinge . Das Arbeiten im Tholeyer Rathaus hat sich verändert, die Aufgaben einiger Mitarbeiter wurden neu verteilt. Zudem musste Bürgermeister Hermann Josef Schmidt (CDU ) auf die wachsende Arbeitsbelastung reagieren: Zweieinhalb neue Stellen wurden geschaffen. Hinzu kommt eine Bundesfreiwilligendienstlerin. Sie ist zu 100 Prozent mit dem Thema Flüchtlingsunterbringung beschäftigt.

119 Flüchtlinge hat die Gemeinde Tholey bislang aufgenommen, aktuell leben noch 102 Menschen dort. 14 Prozent der Flüchtlinge , die dem Landkreis St. Wendel zugewiesen werden, kommen nach Tholey . Mit einer Zahl von nur 17 Flüchtlingen, die weggezogen sind, hat die Schaumberggemeinde zusammen mit der Gemeinde Perl die niedrigste Wegzugsquote saarlandweit. Die Flüchtlinge stammen aus Syrien (80), Eritrea (14) und dem Irak (8). Untergebracht sind 32 von ihnen in gemeindeeigenen Gebäuden, 70 in Privatwohnungen. Deren Eigentümer haben in den meisten Fällen die Mietverträge direkt mit den aus der Heimat Vertriebenen abgeschlossen.

Monatlich kommen momentan 25 Flüchtlinge hinzu. "Die Unterbringung bis Ende des Jahres kriegen wir hin", sagt Schmidt. Aktuell laufen noch kleinere Arbeiten im Jugendwerkhaus in Theley. Dort können künftig zwölf Flüchtlinge untergebracht werden. Ab Anfang November ist auch der ehemalige Kindergarten in Sotzweiler zum Einzug bereit. 14 Personen finden hier Platz. Das ist einiges an Wohnraum, aber noch nicht genug. Deshalb hat die Verwaltung die Eigentümer leer stehender Häuser angeschrieben. 65 Briefe gingen raus, von denen fünf nicht zugestellt werden konnten. Die Rückmeldungen waren überwiegend negativ (24), nur in 16 Fällen gab es positive Nachricht für die Gemeinde. Schmidt weiß aber: "Nicht jedes Wohnungsangebot können wir annehmen. Es ist uns nicht möglich, grundlegend zu sanieren. Nur kleinere Arbeiten können wir stemmen." Das sei auch ein Zeitfaktor: Denn Renovieren gehe nicht von heute auf morgen.

Kleine Sorgenfalten bilden sich auf der Stirn des Verwaltungschefs mit Blick auf die weitere Entwicklung. Ihm ist klar, der Flüchtlingsstrom wird nicht abreißen. Daher rechnet er im nächsten Jahr mit weiteren rund 250 Vertriebenen. Damit entspricht die jährliche Zahl der Flüchtlinge zwei Prozent der Bevölkerung der Schaumberggemeinde (12 500 Einwohner). "Der Wohnraum wird knapper", bringt Rathaus-Mitarbeiter Mathias Wöllner die Problematik auf den Punkt. Trotz des wachsenden Drucks, Flüchtlinge unterbringen zu müssen, betont der Bürgermeister: "Auf keinen Fall will ich Hallen belegen." Stattdessen könne er sich eher eine Zeltstadt vorstellen. Wobei Schmidt darauf hofft, weiter das Prinzip der dezentralen Unterbringung aufrechterhalten zu können. Denn es gibt eine zweite Sorge: "Die Stimmung ist nicht mehr gut." Der Bürgermeister war auf verschiedenen Festen zu Gast, sei von den Bürgern immer wieder auf die Flüchtlings-Situation angesprochen worden. "Die Leute haben Ängste bezüglich Wohlstand und innerer Sicherheit. Die Bedenken haben zugenommen."

Es gibt aber auch diejenigen, die nach wie vor alles tun, um die Willkommenskultur zu leben. Die Rede ist von rund 60 Ehrenamtlern, die sich engagieren. Alle vier bis sechs Wochen trifft sich Regina Backes, bei der Gemeinde hauptverantwortlich in Sachen Flüchtlinge , mit einem Teil der Freiwilligen. "Wir sind in der Regel 20 bis 30 Personen", berichtet sie. Und freut sich besonders über Verstärkung. Junge Leute vom Verein Volcano, der das gleichnamige Festival organisiert, wollen sich einbringen. Da Backes den Altersdurchschnitt der Flüchtlinge auf zirka 25 Jahre schätzt, passe das gut. "Ich finde es schön, wenn junge Leute die Flüchtlinge begleiten", sagt Backes. Außerdem kann jede Hilfe gebraucht werden. "Die Ehrenamtler machen sehr viel. Aber auch sie stoßen an die Belastungsgrenze und können sich wegen der hohen Zahl der Flüchtlinge nur noch um Kernaufgaben kümmern", erklärt Wöllner.

Flüchtlinge kommen mit großen Hoffnungen ins Saarland. Und, so beobachtet Bürgermeister Schmidt, ihre Ansprüche wachsen. So wollte eine syrische Familie ein eigenes Haus, weil eine andere Familie eines bewohne. Regina Backes kann von einer syrischen Frau berichten, die es gewohnt war, in einem großen Haus mit Bediensteten zu leben und nun plötzlich in einem alten Haus stand. "Zuerst wollte sie wieder weg, jetzt hat sie es akzeptiert."

"Wir stehen erst am Anfang", sagt Schmidt ernst. "Die Probleme kommen erst noch. Überall sind wir zum Sparen angehalten, die Gemeinde muss freiwillige Leistungen kürzen und plötzlich sehen die Bürger, das Geld für die Flüchtlinge da ist." Es gibt aber auch die schönen Momente. Wenn ein syrisches Kind zu einem Mitarbeiter, der Verständigungsprobleme mit einem Flüchtling hat, sagt: "Sag es mir, ich kann übersetzen." Oder wenn am Tag der deutschen Einheit Tholeys erstes Flüchtlingsbaby geboren wird: Es ist ein kleines Mädchen.

Im Wertstoffzentrum der Gemeinde Tholey ist eine Abgabestelle für Kleider und Fahrräder eingerichtet. Mathias Wöllner bittet jene, die helfen wollen, die Kleider möglichst nach Kinder-, Damen- und Herrenbekleidung vorzusortieren, das erspare Arbeit. Auch eine Sortierung nach Größe würde helfen.

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