Interview Statt Schaumberg jetzt den Dom vorm Fenster

Ehemaliger Tholeyer Pfarrer spricht über seine neue Aufgabe als Generalvikar im Bistum Trier und die Umsetzung der Synode.

 Einen herrlichen Ausblick auf den Dom hat Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg in seinem Büro in Trier. Vor gut neun Monaten ging es für ihn  vom Schaumberg an die Mosel.

Einen herrlichen Ausblick auf den Dom hat Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg in seinem Büro in Trier. Vor gut neun Monaten ging es für ihn  vom Schaumberg an die Mosel.

Foto: Evelyn Schneider

Herr von Plettenberg, jetzt sind Sie seit mehr als einem halben Jahr als Generalvikar in Trier. Wie hat sich Ihr Leben verändert.

Ulrich Graf von Plettenberg: Es sind sogar schon fast neun Monate. Wenn man bedenkt, dass eine Frau nach neun Monaten ein Kind gebären kann, müsste ich jetzt schon die ersten Früchte ernten können. Das ist nicht  ganz so. Es ist jede Menge passiert. Ich bin sehr wohlwollend in Trier aufgenommen worden, sehr freundlich, mit sehr viel Zutrauen. Das hat mir den Start erleichtert. Ich musste nicht um die Anerkennung kämpfen, die man für eine solche Arbeit braucht. Ich konnte aufgrund des Vertrauens locker reingehen. Aber es ist ein Full-Time-Job, der mich gerade jetzt während der Umsetzungsphase der Synode komplett in Anspruch nimmt. Der Alltag ist da, die Erwartungen sind es auch. Ich muss jetzt schauen: Was kann ich und was will ich erfüllen und was will ich verändern?

Wie sieht ein Tag im Leben des Generalvikars Plettenberg aus?

von Plettenberg: Ich versuche, zwischen 8 und halb 9 im Büro zu sein. Von 9 bis 18 oder 19 Uhr sind fast durchgehend Einzel- oder Gruppengespräche, Konferenzen oder Sitzungen. Die Mittagspause fällt relativ kurz aus. Zwischen den Terminen geht es darum, diese zu reflektieren, die Post zu sichten oder neue Besprechungen zu vereinbaren. Jede Menge Unterschriften gehören dazu. Die Mappen stapeln sich. Da muss drübergeschaut werden, damit ich weiß, was ich da unterschreibe. Die normale Büroarbeit erledige ich am Wochenende, an freien Tagen oder indem ich abends länger bleibe. Das habe ich mir in der Fülle nicht so vorgestellt. Von der Stundenzahl her habe ich als Pfarrer auch viel gearbeitet. Aber hier ist es eine andere Arbeit. Und der Verantwortungsgrad hat sich verändert.

Wie entspannen Sie vom Stress?

von Plettenberg: Bis März bin ich gependelt: Unter der Woche war ich in Trier und am Wochenende noch öfter am Schaumberg. Inzwischen habe ich hier eine Wohnung, in der ich mich sehr wohl fühle. Mit einem großen Garten, um den ich mich jetzt mal kümmern muss. Gartenarbeit ist bisher nicht mein Hobby, aber vielleicht wird sie das noch. Ansonsten treffe ich mich gerne mit Freunden. Bei der vielen Arbeit im Sitzen soll auch ein sportlicher Ausgleich her. Früher habe ich Fußball gespielt, das machen die Knie aber nicht mehr mit. Deshalb habe ich  mit dem Laufen angefangen,  das ist für mich eine neue sportliche Erfahrung.  Für den Sommer habe ich mich schon mit Freunden verabredet, um mit dem Motorrad mal einen Tag rauszufahren.

Stichwort Synode: Die geplanten Zuschnitte der künftigen Pfarreien im Bistum Trier wurden vorgestellt. Im Landkreis St. Wendel soll es nach derzeitigem Stand zwei geben: St. Wendel und Tholey. Wie bewerten Sie diese Einteilung? Welche Reaktionen gab es bislang aus dem St. Wendeler Land?

von Plettenberg: Ich war nicht unmittelbar beteiligt an den Zuschnitten der „Pfarreien der Zukunft“. Das hat eine Arbeitsgruppe erarbeitet. Die Ergebnisse wurden mit dem Bischof, der Leitungskonferenz des Bistums und  den diözesanen Räten diskutiert. Jetzt ist der Entwurf für die Raumgliederung in der Resonanzphase. Es gibt Stimmen im St. Wendeler Land, die sagen: Wir würden es auch mit einer Pfarrei machen. Andere sind sehr zufrieden mit zwei Pfarreien. Aktuell holen wir Meinungen ein. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit diesen und arbeitet gegebenenfalls Änderungen in den Plan ein. Es ist ein Entwurf, den wir vorgelegt haben. Es wird mit Sicherheit noch Veränderungen geben. Wo und wie – das wird sich dann im Herbst beziehungsweise Ende des Jahres zeigen.

Wie wird die neue Pfarrei der Zukunft organisiert? Und welche Auswirkungen hat das auf die Seelsorge und die Gottesdienste?

von Plettenberg: Es wird ein Leitungsteam geben für diese Pfarrei der Zukunft: drei Hauptamtliche, davon  ein Priester. In dieses Team können noch bis zu zwei Ehrenamtliche dazukommen. Letztlich werden viele Priester von den Verwaltungsaufgaben, von denen sie jetzt teilweise gefangen sind, entlastet. Das setzt Potenzial für die Seelsorge frei. Es gibt aber nicht nur Priester, sondern auch Personalreferenten, Gemeindereferentinnen, Diakone für die seelsorglichen Aufgaben. Wir werden keine Seelsorger entlassen. Und womöglich zukünftig auch Menschen aus anderen Berufen einbinden; wieso nicht beispielsweise auch Sozialarbeiter oder Sozialpädagoginnen? Dass es in Zukunft weniger werden, ist klar. Aber nur deshalb, weil der Nachwuchs fehlt. Wir können auf dem Standard, auf dem wir jetzt sind, nicht weiterfahren. Die Gottesdienste werden zunächst so weiter stattfinden können wie bisher.. Vermutlich wird es, weil es weniger Priester gibt, auf Dauer weniger Eucharistiefeiern geben. Aber warum sollen dafür nicht andere Formen von Gottesdiensten gehalten werden? Es hängt davon ab, inwieweit es den Menschen vor Ort wichtig ist, auch ohne Priester zum Gottesdienst zusammenzukommen. Vonseiten des Bistums sind wir gefordert, die nötige Unterstützung anzubieten. Ausbildungen zum Beispiel, um die Menschen zu befähigen, Gottesdienste vorzubereiten und zu halten. Priester sind wichtig für die Kirche. Aber seelsorgerische Aufgaben haben auch andere. Und die Liturgie der Kirche kann durch viele Menschen mit ihren Erfahrungen und Glaubensgeschichten bereichert werden. Ich kann mir vorstellen, dass Beerdigungen von ehrenamtlich Engagierten, die entsprechend geschult sind, gestaltet werden können. In der Sterbebegleitung engagieren sich viele Ehrenamtliche, stehen den Menschen bei. Warum sollten sie nicht auch die Beerdigung halten?

Es scheint, dass die Synode hier und da bei den Menschen den Eindruck erweckt, dass sich die Kirche von ihnen entfernt. Aber will die Synode nicht vielmehr, was häufig gefordert wurde, dass sich die Kirche öffnet. Wird die Synode missverstanden?

von Plettenberg: Ich bekomme viele Briefe und Mails zu lesen, in denen die Leute sagen: Die Kirche zieht sich aus der Fläche zurück, wir müssen größere Entfernungen in Kauf nehmen. Eine von der Fläche her große Pfarrei – wie sollen wir da Heimat finden? Genau das aber sind unsere Ziele: Die Menschen sollen sich beheimaten und zwar zunächst nicht in der großen Pfarrei, sondern an dem Ort, an dem sie sich sowieso zuhause fühlen. Orte von Kirche, die Heimat geben, kann es dann viele geben: Das kann ein Kirchturm sein, aber nicht nur der: ein Seniorenheim, eine Kita, aber auch eine Schule, ein Kreis von Gleichgesinnten. Wir wollen vielfältige Formen von Gemeinschaften und Orten innerhalb der Pfarrei der Zukunft schaffen. In diesem Raum können sich viele kleine Gemeinschaften bilden beziehungsweise bewahrt werden. Wir wollen uns auf den Weg machen. Daher gibt es ab Herbst eine Erkundungsphase. Drei Kundschafter sind im Gebiet jeder Pfarrei der Zukunft eingesetzt. Sie laden die Männer und Frauen vor Ort ein, zu entdecken, was es alles gibt. Mir ist wichtig, dass wir uns öffnen und interessieren für das, was dem Menschen rechts und links von uns wichtig ist. Bisher war in der Pfarrgemeinde Verwaltung, Organisation und kirchliches Leben zusammengefasst. Das wollen wir jetzt stärker voneinander unterscheiden. Die Pfarrei ist Verwaltungs- und Organisationseinheit und das kirchliche Leben soll dezentral vor Ort gelebt werden, wo zwei oder drei in Seinem Namen zusammenkommen. So wird es in vielen Teilen der Welt gelebt: in Afrika, Asien oder Südamerika.

Strukturen werden im Bistum Trier verändert. Wird damit verbunden möglicherweise auch ein Personalkarussell angestoßen? Werden die Leitungspositionen der Pfarreien von neuen Priestern besetzt, die bisher nicht in der jeweiligen Region eingesetzt waren?

von Plettenberg: Was die Leitungspositionen betrifft, sind wir noch nicht entschieden. Eine eigene Teilprozessgruppe wird diese Frage mitbedenken. Es gibt Leute, die jetzt schon übergeordnet denken und denen ich das auch in Zukunft zutrauen würde. Und es gibt Situationen, wo das nicht möglich ist. Ich habe eine gewisse Sympathie für die Neubesetzung der Leitungsposition, das gebe ich gerne zu. Aber entschieden ist noch nichts.

Die Fragen stellte SZ-Redakteurin Evelyn Schneider

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