Renaissance der Handwerkskunst

Tholey · Die richtige Technik und Kraft in den Fingern braucht man beim Körbeflechten. Harald Finkler aus Lindscheid, Mitglied der Bohnentaler Selbermacher, hat begeisterte Anhänger für seinen Korbflecht-Kurs gefunden.

 Kursleiter Harald Finkler hilft Danila Kraß beim Flechten ihres Weidenkorbes. Fotos: Michael Stephan

Kursleiter Harald Finkler hilft Danila Kraß beim Flechten ihres Weidenkorbes. Fotos: Michael Stephan

 Auch Meggy Gräber hat sich vom Selbermach-Fieber anstecken lassen.

Auch Meggy Gräber hat sich vom Selbermach-Fieber anstecken lassen.

Auf einer langen Tischreihe liegen unzählige Weidenruten in großen Bündeln gestapelt. Helles Neonlicht leuchtet die fünf Biertische im ersten Stock des Hauses Biwer in Lindscheid aus, an denen sieben Frauen und drei Männer aus dem Bohnental mit Messern, Scheren, Hämmern und viel Muskelkraft ihrem neuen Hobby nachgehen: dem Körbeflechten.

Der 56-jährige Rudi Blug aus Neipel hat ein Weiden-Bündel vor sich liegen, rückt seine Brille zurecht und lauscht zusammen mit seinen Mitstreitern einer kurzen Erläuterung seines Lehrers Harald Finkler. Mit ruhiger Stimme korrigiert der 62-jährige Lindscheider gerade die Arbeit von Salome Junker. "Hier würde ich nicht so viel abschneiden", erklärt Finkler der 14-jährigen Schülerin, die dabei ist, den Boden ihres ersten selbst gemachten Weidekorbes zu vollenden. Geschickt flicht sie mit der tatkräftigen Unterstützung Finklers die letzten Überbleibsel eines Wirrwarrs aus Zweigen zusammen, um abschließend überstehende Enden einfach abzukappen. Währenddessen steckt Katharina Kühn die ersten der insgesamt 24 sogenannten Aufstecker - einjährige, leicht angespitzte Weidentriebe - in den Boden ein. Aus denen wird sie später die Wände ihres Korbes flechten. "Das ist schwerer als gedacht", weiß die 60-Jährige. Man spüre die Anstrengung besonders in den Händen.

Strapazierte Finger, schmerzende Handgelenke: Darüber weiß auch Harald Finkler zu berichten: "Zum Korbflechten braucht man neben der richtigen Technik vor allem Kraft in den Fingern." Vor rund 20 Jahren hat der pensionierte Polizeibeamte bei der Volkshochschule einen Kurs im Korbflechten besucht und das Handwerk mit Unterstützung von Johann Lauermann, einem inzwischen verstorbenen Bohnentaler, weiter erlernt. "Das ist ein Hobby , bei dem ich etwas mit meinen Händen machen kann und schnell den Erfolg sehe", strahlt Finkler. Und eines, das er heute gerne an andere weitergibt.

Früher waren selbst gemachte Korbwaren aus Weiden insbesondere in der Landwirtschaft und im Haushalt unentbehrlich. In großen, ovalen Körben wurden etwa Kartoffeln und Rüben gelagert, man flocht Aalreusen und Bienenkörbe aus Weiden, ja sogar Stühle, Sessel und Tische. Die Nachfrage war so groß, dass im 13. Jahrhundert der Beruf des Korbmachers entstand. Mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwand das Metier aber nach und nach aus den Städten. Bedingt durch den Gebrauch von Draht- und Kunststoffkörben und billigen ausländischen Importen war für die meisten Korbflechter ihr Handwerk nicht mehr rentabel. Die Folge: Das Korbflechten als Kulturtechnik schien so gut wie untergegangen. Seit einigen Jahren feiert das Handwerk aber eine kleine Renaissance.

Die wollen auch Finkler und mit ihm das Team der Bohnentaler Selbermacher tatkräftig unterstützen. Als Teil der Dorfentwicklung Bohnental geht es den Menschen in Scheuern, Neipel, Lindscheid und Überroth-Niederhofen aber nicht nur ums Körbeflechten. "Wir wollen generell Sachen wiederbeleben, die langsam verschwinden", erklärt die Lindscheider Ortsvorsteherin Elisabeth Biwer. Mit Hilfe einzelner Projekte und Kurse sollen alte Kulturtechniken wie das Einkochen, das Dengeln von Sensen oder eben das Körbeflechten langfristig erhalten und die Freude daran, dass man etwas selber kann, vermittelt werden.

Drei Abende zu je mindestens zwei Stunden hat Finkler für sein Projekt, das Flechten eines Kartoffelkorbes, für den mehr als 200 Weidenruten verarbeitet werden, einkalkuliert. Drei bis vier Stunden brauche ein geübter Korbflechter dafür, sagt der 62-Jährige. 2500 Weidenruten hat Finkler mit Helfern für den Kurs zusammengetragen. Die Weiden werden relativ frisch verarbeitet, lange lagern kann man sie nicht. Bei aller Anstrengung sieht man auch den zehn Teilnehmern des Kurses die Freude über das neue Hobby an.

"Ich will Weiden selber setzen und damit weitere Körbe herstellen", sagt Rudi Blug. "Zum Eigennutz oder auch als ein schönes Geschenk." Katharina Kühn ergänzt: "Wenn man einen solchen Korb selber macht, sieht man erst, dass der Preis, für den er auf einem Markt oder in einem Geschäft angeboten wird, gerechtfertigt ist." Auch das ist ein Ziel der Bohnentaler Selbermacher: Die Menschen sollen den Wert alter Handwerkskunst wieder zu schätzen wissen.

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