Gedicht Stimmen der Flucht
Tholey · Florence Kruchten vom Deutsch-Französisches Gymnasium in Saarbrücken gelang Platz zwei in der Altersgruppe 11./12./13. Klasse.
Wen beschatten die Schatten der Schrecken? Es war die Gefloh’ne in den Dornenhecken; ohne Silber und Papier allein auf der Flucht, den Wurzeln der Heimat entrissen mit Wucht.
Der Schatten ihres Skeletts, verhüllt in der Nacht, enthüllte ihres schwarzen Schicksals Ohnmacht;
und das dürre Astwerk einer nächtlichen Bleibe schürfte nacktes Fleisch, der Geflohenen Leibe.
Im Gebüsch und Gestrüpp, im Wipfel und Wind, überall Stille. Die Geflohene floh weiter geschwind. An der Waldmündung keuchend angekommen, musste die harte Zeit des Entscheidens kommen.
„Hör, Geflohene! Folge dem Pfad in die Schwärze, er wird rasch auspusten das Licht deiner Kerze.“ „Hör, Geflohene! Folge dem Pfad in das Licht, er wird Hoffnung bringen in dein Gesicht.“
Was für Stimmen klangen in der stillen Nacht? Waren sie wahrhaft oder bloß ausgedacht? „Du Geflohene, komm, geh mit mir zu Hades, begraben wird er dein Leid am Ende des Pfades.“
Verzweifelt ballte die Geflohene die rohe Faust, von der Flucht und Furcht war ihr Haar zerzaust. Was sollte sie machen? Was würde sie machen? Konnte sie gar ohne Zittern vorbei an den Wachen?
Aus der Schwärze lockte sie sanft die Stimme: „Folge mir, so dein Schmerz wie Glut verglimme.“ Doch die andere Stimme nahm ihr Herz ein: „Folge mir, dein Mut wird später Zeuge sein.“
An Bächen und Bäumen, an Moor und Moos preschte sie rasch vorbei zu des Lichtes Vorstoß. Zu spät sah die wacker Gefloh’ne die Talenge, zu hören blieben nur Anankes traurige Gesänge.
So erklangen Rufe der Wehmut über dem Tal: „O ihr Denker, es geschehe kein zweites Mal, jenes Leid geschehe niemals nochmal!“