Knochenjob als perfekter Urlaub

Tholey · Aus ganz Deutschland reisen Jahr für Jahr Hobbyarchäologen ins Saarland, um bei den Ausgrabungen im Wareswald bei Tholey dabei zu sein. Fünf Tage lang können sie dort unter professioneller Aufsicht buddeln.

 Hobbyarchäologen aus ganz Deutschland suchen derzeit im Tholeyer Wareswald nach Gegenständen aus Zeiten der Römer. Foto: Sarah Konrad

Hobbyarchäologen aus ganz Deutschland suchen derzeit im Tholeyer Wareswald nach Gegenständen aus Zeiten der Römer. Foto: Sarah Konrad

Foto: Sarah Konrad

Seit sieben Stunden kniet Heike Pilz im Schlamm. Nur eine Gummimatte schützt sie vor dem Untergrund. Mit einer Kelle trägt die 47-Jährige die Erde Zentimeter für Zentimeter ab. Ihre Hände sind schmutzig, Dreck klebt unter den Fingernägeln, die Glieder schmerzen vom ewigen Sitzen. Ein Knochenjob. "Für mich ist das der perfekte Urlaub", sagt Pilz. Die Buchhalterin ist extra aus Zwickau angereist, um bei der Ausgrabung im Tholeyer Wareswald mithelfen zu können. Das tut sie schon seit zehn Jahren.

Immer im Juni nimmt Pilz mit ihrer Schwester am sogenannten Grabungscamp teil. Interessierte aus ganz Deutschland haben dabei die Möglichkeit, fünf Tage lang unter professioneller Aufsicht des Archäologen Klaus-Peter Henz auf die Suche nach römischen Scherben, Münzen und Werkzeugen zu gehen. Der Projektleiter der Terrex im Wareswald gibt den Teilnehmern zunächst eine Einführung in die Grabungstechniken. Anschließend stattet er sie mit Werkzeugen aus, dazu zählen etwa Schaufeln, Kratzer, Schubkarren und Kellen. "Mit der Kelle wird die Erde abgezogen", erklärt Henz. "Wenn wir einen Gegenstand finden, müssen wir ihn so freiputzen, dass er beim Herausnehmen nicht zerbricht." All das weiß Dieter Hofmeister bereits. Der 71-Jährige hat sich schon als kleiner Junge mit dem Archäologen-Fieber infiziert. "Damals habe ich ,Götter, Gräber und Gelehrte' gelesen", erinnert er sich. Das Buch erzählt von den Ausgrabungen des berühmten, altägyptischen Pharaos Tutanchamun . Der Traum selbst einmal zu graben, hat den Bielefelder seitdem nicht mehr losgelassen. Als Hofmeister in Rente geht, beginnt er, römisch-griechische Geschichte zu studieren. Zum zehnten Mal nimmt er nun schon am Camp im Wareswald teil. Er ist somit seit dem Start des Projektes im Jahr 2006 dabei. Um nicht die ganze Zeit knien zu müssen, hat sich der Hobbyarchäologe auf einem Holzhocker niedergelassen: Er hält einen braunen, gebogenen Klumpen in der Hand. "Das ist ein Nagel", erläutert Hofmeister nach kurzem Betrachten. Kein Grund zur Aufregung. Solche Nägel gibt es im Wareswald schließlich zuhauf. "Vergangenes Jahr habe ich eine Fibel gefunden. Eine Gewandnadel in Form eines laufenden Hundes", berichtet Hofmeister stolz. Das sei schon etwas Besonderes gewesen. So besonders, dass er heute noch ein Foto des Schmuckstücks in seiner Tasche trägt.

"Die Teilnehmer hier sind eben sehr motiviert", sagt Henz. Seit 15 Jahren ist der Experte für die Grabungen im Wareswald verantwortlich. In dieser Zeit hat er schon mit einigen Archäologen zusammengearbeitet. Doch mit Laien auf die Suche zu gehen, sei immer wieder eine tolle Erfahrung. "Sie gehen extrem sorgfältig vor, weil sie Angst haben, etwas kaputt zu machen", erläutert Henz. Das sei aber noch nie passiert. "Die meisten Teilnehmer sind ja auch gar keine richtigen Laien", sagt der Saarbrücker und ergänzt, "die meisten von ihnen helfen in ihrer Freizeit häufiger bei Ausgrabungen mit."

So auch Thomas Subkowski. Der 56-Jähirge aus Heidelberg hat schon in Italien, Österreich, Portugal und Frankreich nach Relikten aus vergangenen Zeiten gesucht. In Tholey ist er zum ersten Mal. "Mir gefällt es sehr, dass die Gegenstände hier direkt unter der Oberfläche liegen", schwärmt er vom Wareswald. Seine bisherige Ausbeute kann sich sehen lassen: eine Fibel, Keramik, Nägel und Spielsteine. "Ich hoffe, ich finde noch ein paar Münzen . Die faszinieren mich immer besonders", sagt der Bio-Chemiker. Er genießt es, an der frischen Luft zu arbeiten. "Zu Hause sitze ich ausschließlich am Schreibtisch", berichtet er.

Wenige Meter weiter hat Heike Pilz begonnen, ihre Werkzeuge zu reinigen. Feierabend - nach acht Stunden. Doch Pilz ist noch immer voller Euphorie: "Die Geschichte quasi aus der Erde herauszuholen. Nicht zu wissen, was man als nächstes findet, das ist einfach spannend", erläutert sie. Ein Adrenalinkick sozusagen, für den es sich lohne 570 Euro auszugeben. So viel kostet das Grabungscamp - ein Ausflug zur Nero-Ausstellung in Trier inklusive. "Die einen machen Urlaub am Strand, ich grabe mich durch die Geschichte", sagt Pilz und lacht. Und wie sieht ihr perfektes Urlaubserlebnis aus? Da muss die Sächsin nicht lange überlegen, sie erklärt: "Mein absolutes Highlight wäre es, eine Öllampe zu finden."

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