Geschichten, die das Leben schreibt

Sotzweiler · Seit der fünften Klasse schreibt die 15-jährige Magdalena Hell Gedichte. Nun war sie, als Preisträgerin des Wortsegel-Wettbewerbs, zu Gast bei einer exklusiven Autorenlesung mit dem Schriftsteller Martin Bettinger.

 Magdalena war begeistert von der Autorenlesung mit Martin Bettinger. Fotos: Schmidt.

Magdalena war begeistert von der Autorenlesung mit Martin Bettinger. Fotos: Schmidt.

Im Heinrich-Heine-Jahr 2006 startete der Wortsegel-Schreibwettbewerb der Gemeinde Tholey. Seither hat die Jury etwa 3000 Gedichte von Schülern der dritten und vierten Grundschulklasse sowie der Klassenstufen fünf bis 13 der weiterführenden Schulen bewertet. Zum Abschluss des diesjährigen Literaturwettbewerbs lud die Gemeinde Tholey alle prämierten Nachwuchsdichter zu einer Autorenbegegnung mit Martin Bettinger ein. Bettinger veröffentlichte bislang fünf Romane und zwei Erzählbände und erhielt mehrere Preise, darunter den Gustav-Regler-Preis des Saarländischen Rundfunks. Nach mehreren Jahren in Berlin und Neuseeland lebt der Schriftsteller inzwischen wieder im Saarland.

Das Treffen der Nachwuchsdichter mit dem saarländischen Autor sollte in Sotzweiler am Fuße der Stahlplastik Wortsegel stattfinden. Doch spielte das Wetter nicht mit. Die Autorenlesung wurde in den Gastronomieraum der Sotzweiler Sporthalle verlegt. Leider war mit Magdalena Hell vom Johannes-Keppler-Gymnasium Lebach nur eine Preisträgerin der Einladung gefolgt. Die 15-jährige Schülerin hatte mit ihrem Gedicht "Sommerregen" den zweiten Preis in der Kategorie 8./9./10. Klasse der weiterführenden Schulen gewonnen. Gebannt lauschte sie den Worten Martin Bettingers. Unter die 14 Gäste der Lesung reihte sich neben den Jury-Mitgliedern Irmela Freigang und Dr. Thorsten Mergen auch der bekannte saarländische Lyriker Johannes Kühn .

Unter dem Motto "Schreiben wollte ich schon immer, die Worte kamen später" (frei nach Heinrich Böll ) las Bettinger aus seinem Neuseelandbuch "Wo der Tag beginnt" und aus seinem Roman "Ein Galgen für meinen Vater". Während der Lesung erfuhren die Gäste, wie der Autor zu seinen Texten kommt. Das Böllsche Zitat habe er für sich uminterpretiert in "Leben wollte ich schon immer, Worte waren ein Weg dorthin". Als junger Mensch sei er überfordert gewesen und habe nicht gewusst, was er will. Bettinger: "Man muss die Segel wie ein Puzzle zusammensetzen, damit Wind in die Segel kommt. Nach dem Wind suchte ich in den Büchern, um Antworten auf meine Fragen zu finden." Auch berichtete Bettinger von seiner Zettelwirtschaft. Zitate, die ihn berühren, sammelt er noch heute handgeschrieben auf kleinen Zetteln. Er ermunterte junge Nachwuchsschreiber, sich von bekannten Autoren inspirieren zu lassen. Er verriet - nicht ohne Ehrfurcht -, dass er sich Johannes Kühn als seinen literarischen Paten auserkoren habe. Manche Worte von Kühn, die ihn berührten, habe er in seine Texte eingebaut. "Ihr Werk ist so reich, dass sie manches Wort verschenken können. Ich habe die Geschenke gerne angenommen", wandte sich Bettinger mit einem Augenzwinkern an seinen Literaturpaten.

Schwierige Aufgabe

 Schriftsteller Martin Bettinger las unter anderem aus seinem Roman „Ein Galgen für meinen Vater“.

Schriftsteller Martin Bettinger las unter anderem aus seinem Roman „Ein Galgen für meinen Vater“.

2015 war der Wortsegelwettbewerb Rainer Maria Rilke gewidmet. Zitate des Lyrikers sollten Nachwuchsdichtern als Inspiration dienen. So auch der Ausschnitt aus dem Gedicht "Der Panther", entstanden um 1902 in Paris: "Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt." Bettinger sagte dazu: "Junge Autoren sollten Worte für etwas finden, was ihnen nahe gegangen ist. Ich mag Bücher, in denen das Leben den Autor dazu gebracht hat, etwas zu schreiben." Er bekomme auch Texte von jungen Menschen zugesandt, mit der Bitte um Beurteilung. "Das ist ein schweres Unterfangen. Ich darf nichts schön reden und muss offen sagen, was ich von dem Text halte." Dem stimmte Germanist Benno Resch zu: "Für einen Autor ist es schwierig, die Ablehnung eines Textes zu verarbeiten. Dennoch muss man aufrichtig sein in der Beurteilung." Auch für die Vorsitzende der Wettbewerbsjury, Irmela Freigang, keine leichte Aufgabe: "Jedes Jahr bekommen wir mehr als 200 Beiträge zur Begutachtung. Jedes Jurymitglied vergibt Punkte. Dann stimmen wir uns ab. Manchmal lesen wir ein Gedicht laut vor und begründen, warum wir es für preiswürdig erachten."

Preisträgerin Magdalena Hell hat es in diesem Jahr geschafft, die Jury mit ihrem Gedicht zu überzeugen. Die 15-jährige Schülerin fing bereits in der fünften Klasse mit dem Schreiben an: "Ich hatte schon immer eine blühende Phantasie. Mein Deutschlehrer hat mich für das Schreiben begeistert." Sie verfasse nicht nur Gedichte , sondern auch Krimis. Bei aller Begeisterung ist die Schülerin aber auch realistisch: "Ich weiß, dass man vom Schreiben alleine nicht leben kann. Daher will ich meine Begeisterung für das Schreiben später gerne als Deutschlehrerin an Kinder und Jugendliche weitergeben."

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