Flüchtlingshelferin: „Alles versinkt im Chaos“

Scheuern · Auf eigene Faust ist eine junge Frau aus dem St. Wendeler Land nach Südeuropa aufgebrochen. Dort will sie sich ein Bild von Lagern machen, wo Menschen aus Kriegsgebieten gestrandet sind. Ihr Eindruck: Die Lage ist erschütternd.

Wie wirkt sich der Vertrag zwischen der Europäischen Union (EU) und der Türkei auf Syrer aus, die in Griechenland angekommen sind? Wie wird mit den Menschen verfahren, die illegal in das EU-Land einreisten und laut Abmachung mit der türkischen Regierung in Ankara an den Bosporus abgeschoben werden? Yasmin Breuer, ehrenamtlich für die Flüchtlingshilfe im Landkreis St. Wendel aktiv, will wissen, wie die Situation in Südeuropa ist. Was die 36-Jährige dort erlebt, ist teils dramatisch. So auf der Insel Lesbos.

Die Scheuernerin berichtet von dort per Telefon von Zwangsräumungen, die sie kurz nach ihrer Ankunft miterlebt habe. Und davon: "Die Menschen hauen aus dem offiziellen Camp Moria ab, weil es mittlerweile zum Gefängnis geworden ist." Dort harrten die Menschen eingepfercht auf ihre drohende Abschiebung in die Türkei aus. Die griechischen Behörden gingen hart gegen Illegale vor: "Die Leute werden bei Nacht und Nebel von Militär und Polizei eingesammelt und inhaftiert. Die Migranten in dem eingezäunten Camp bekämen noch nicht einmal Zeit, ihre Sachen aufzulesen und einzupacken. Spenden, darunter Zelte würden anschließend zerstört und in Containern entsorgt. Deswegen werde dieses Lager, das nach unterschiedlichen Angaben zwischen 2500 und 3000 Menschen beherbergt, nicht mehr von ehrenamtlichen Helfern versorgt. Breuer: "Alles versinkt im Chaos ."

Für Journalisten war es seit des EU-Türkei-Abkommens zunehmend schwerer, aus dem Camp zu berichten. Breuer ist mit einem befreundeten Syrer aus Deutschland dorthin geflogen, um zu erfahren, wie die Situation vor Ort ist. Doch auch die beiden haben es nach eigener Darstellung äußerst schwer, an gesicherte Informationen heranzukommen. "Mein Freund und ich kommen nirgends mehr durch", schildert Breuer frustriert. Gespräche mit Flüchtlingen seien deswegen äußerst schwierig: "Wir sprechen Flüchtlinge an, die wir in Wäldern und auf Gassen aufgabeln." Von ihnen erfuhren sie von den dramatischen Zuständen.

Entspannter, wenn auch meilenweit von idealen Verhältnissen entfernt, stelle sich die Lage in Idomeni an der mazedonischen Grenze dar. Dort sollen sich nach Breuers Schätzungen bis zu 12 000 Menschen aufhalten. Allerdings seien hier zahlreiche Hilfsorganisationen im Einsatz. "Hier gibt es stadtähnliche Strukturen", schildert die Unterstützerin. Wie in Läden sollen die Migranten sich dort versorgen, von Obst und Gemüse über Zigaretten bis hin zu Karten für Mobiltelefone. Die griechischen Behörden versorgten das Lager mit Wasser und Strom, stellten transportable Toiletten auf und reinigten diese.

Doch wie es mit den dort Gestrandeten weitergeht, bleibt unklar. Seit Mazedonien seine Grenze für eine Weiterreise nach Mitteleuropa hermetisch abgeriegelt hat, ist hier Endstation. Yasmin Breuer, die vor ihrem Abflug nach Griechenland mit einer Schweizer Hilfsorganisation Kontakt aufnahm und nun in dem Lager mit anpackt: "Die Menschen wissen nicht wohin. Sie wollen Rat von mir, aber ich kann ihnen keinen geben."

Unterdessen spitze sich die Situation auch für die Griechen zu, die ohnehin unter schwerer wirtschaftlicher Notlage zu leiden haben. Breuer kritisiert, dass es trotz Einigung zwischen den EU-Staaten, Flüchtlinge umzuverteilen, nicht dazu komme. "Es passiert nichts." Von 60 000 Migranten seien gerade mal 200 auf andere Länder verteilt worden. Breuer unterstreicht: "Die Griechen warten auf Unterstützung, werden aber komplett alleine gelassen."

Am heutigen Freitag kommt Breuer wieder nach Deutschland zurück. Ihre Erfahrungen, die sie in Griechenland macht, sollen in ihre Arbeit hier einfließen. Auch als Ehrenamtliche von Pro Asyl. Um diese Reise überhaupt unternehmen zu können, habe sie tief in die eigene Tasche greifen müssen. So löste sie sogar nach eigenen Angaben Versicherungspolicen auf, um mit diesem Geld zumindest einen Teil dieser ehrenamtlichen Erkundung zu finanzieren.

Die Einkäufe in Griechenland, um sich selbst mit Lebensmitteln zu versorgen, sollen ebenfalls mächtig zu Buche geschlagen haben - Breuer: "Ich habe mein Dispo gnadenlos überzogen."

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