Kolumne Unsere Woche Und dann kommt doch die Euphorie

Pünktlich zur EM: SZ-Redakteur Thorsten Grim macht sich Gedanken zum Thema Fußball.

SZ-Redakteur Thorsten Grim macht sich Gedanken über die Fußball-EM
Foto: SZ/Robby Lorenz

Kleine Deutschlandfähnchen an den Autos oder im Großformat vor den Häusern im Wind flatternd, Hütchen, Wimpelchen, Kappen und Hawaii-Ketten in Schwarz-Rot-Gold. . . Nix davon zu sehen. Zwar startet diesen Freitag die Fußball-Europameisterschaft, doch Vorfreude oder gar Euphorie spüre ich nicht. Zudem muss ich gestehen, dass ich Fußball zwar nach wie vor liebe, mich aber seit Jahren immer weiter von ihm entfernt habe. Oder er von mir? Wir haben uns jedenfalls auseinandergelebt. Und nein, das hat nichts mit einer über Jahre gewachsenen Plauze zu tun, die den Ball immer weiter von mir fernhält. Den Bruch mache ich an einer Zahl fest: 222 000 000. In Euro. Für diese irre Summe wechselte der brasilianische Schauspieler Neymar 2017 von Barcelona nach Paris. Gut, ein Ballzauberer ist er auch – aber rechtfertigen Kabinettstückchen auf dem geschorenen Grün die Fantastillionen, die für Kicker hingeblättert werden? Professionelle Ball- und Finanzjongleure sagen vermutlich ja. Meine Antwort: Nein. Ich habe Konsequenzen gezogen und sehe mir zumindest keine internationalen Vereinsfußballspiele mehr an, selbst wenn sie – was ja nur noch selten genug vorkommt – im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt werden. Denn diese wahnwitzigen Summen können nur bezahlt werden, weil es ganz viele Menschen gibt, die sich die Spiele anschauen – am besten für teures Abo-Geld vor der heimischen Glotze. Jetzt bin ich zwar nur ein kleines Rädchen in der großen Gelddruckmaschinerie. Dennoch mache ich da nicht mehr mit. Ich will diesen Irrsinn nicht unterstützen. Die EM-Spiele werde ich mir aber dennoch anschauen. Denn eines hat sich ja nicht geändert: Ich liebe Fußball. Apropos: Wo ist eigentlich mein Deutschland-Trikot? Und hatte ich nicht noch irgendwo Fähnchen fürs Auto? Die liegen bestimmt beim schwarz-rot-goldenen Sonnenhütchen und den Wimpeln.

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