Zu hohe Hürden für Behles?

St Wendel · Unterschiedlicher könnte das Urteil nicht ausfallen: CDU und Landrat Udo Recktenwald sprechen von einer vertanen Chance, die SPD hingegen von einer guten Nachricht. Die Rede ist von der Rücknahme des Antrages der Firma Behles, den ÖPNV in der Region auf eigene Kosten zu übernehmen. Im Kreistag sorgte das für eine heftige Debatte.

Landrat Udo Recktenwald findet am Montagabend im Kreistag deutliche Worte: "Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Firma Behles ein Stück weit in den Rückzug getrieben wurde." Der Landkreis sei bemüht, Monopolstrukturen aufzubrechen. Recktenwald: "Aber Wettbewerb scheint beim ÖPNV nicht gewollt zu sein."

Die Kritik des Landrates richtet sich an die Genehmigungsbehörde, die Verkehrsmanagement-Gesellschaft Saar (VGS). Die hätte über den eigenwirtschaftlichen Antrag des Busunternehmens Behles entscheiden müssen. Soweit ist es aber nicht gekommen. Behles hat diesen Antrag vor wenigen Tagen zurückgezogen (wie berichtet). Ursprünglich wollte das Unternehmen ab 2016 auf eigenes Risiko den Öffentlichen Personennahverkehr im Landkreis übernehmen.

Die VGS habe Behles mit zusätzlichen, eigenwirtschaftlich nicht leistbaren Anforderungen regelrecht in die Rücknahme der Anträge gedrängt, so Recktenwald. Der Landkreis hatte zwar in seiner Stellungnahme im Juni weitere Anforderungen definiert. Der Landkreis habe jedoch nie gefordert, dass zusätzliche Bedarfe ohne Bezuschussung erfüllt werden müssten, so Recktenwald. Kritik auch am Zeitplan. Die VGS habe nach der Stellungnahme des Landkreises Mitte Juni bis Ende August gebraucht, um die Firma anzuschreiben.

Der Rückzug des Unternehmens "ist aus Sicht der SPD-Fraktion eine gute Entscheidung", sagte deren Fraktionsvorsitzender Magnus Jung . Er versetze den Kreis in die Lage, im Zuge einer Ausschreibung selbst festzulegen, welche Strecken zu welchen Zeiten gefahren werden und die Qualitätsstandards zu definieren. Jung: "Das ist keine Abkehr vom Wettbewerb. Die Ausschreibung führt zum Wettbewerb." Daran könne sich auch die Firma Behles beteiligen.

Die Kritik des Landrates sei der Versuch, den Schwarzen Peter auf die VGS zu schieben, so Jung. Der Landrat sei von Anfang an Feuer und Flamme für das Behles-Angebot gewesen und habe auf das falsche Pferd gesetzt. Zudem hätte man bei dem Behles-Konzept nicht eine Million Euro eingespart. Denn zusätzliche Summen kämen durch weitere Anforderungen hinzu. Von einer Einsparung von einer Million Euro zu reden, sei unseriös.

Die berechnete Einsparsumme liege bei 700 000 Euro, sagte Landrat Udo Recktenwald . Er lasse den Schwarzen Peter dort, wo er hingehöre. Die VGS habe sich hinter Zusatzbedarfen versteckt.

"Wir haben uns sehr differenziert mit dem Antrag von Behles beschäftigt", sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Stefan Spaniol. Ziel sei es gewesen, dass der Bedarf in der Region gedeckt werde, das Ganze aber auch bezahlbar sei. Dieses Vorgehen der CDU sei besser als das populistische Nein der SPD . Er bedauere, dass die Firma Behles zum Rückzug gedrängt worden sei. Spaniol: "Auf Landesebene ist eine Chance vertan worden, verkrustete Strukturen aufzubrechen."

Den Populismusvorwurf wollte Torsten Lang, SPD , nicht im Raum stehen lassen. Seine Partei habe sich ebenfalls differenziert mit dem Konzept befasst. Probleme habe man in den Qualitätsstandards und bei der Bezahlung der Fahrer gesehen. Lang: "Mit dem Behles-Angebot war nicht die Qualität zu erreichen, wie wir sie uns wünschen."

Friedbert Becker, CDU , betonte daraufhin: "Auch die Firma Behles fährt nach Tarif." Das Unternehmen sei in den vergangenen Monaten zum Teil diffamiert worden. Becker: "Behles hatte keine Chance." Und: "Wir wissen gar nicht, wer die Ausschreibung gewinnt."

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HintergrundDas Busunternehmen Behles hatte im April einen Antrag gestellt, ab 2016 den öffentlichen Busverkehr im St. Wendeler Landkreis auf eigene Kosten zu übernehmen, also auf staatliche Zuschüsse zu verzichten. Eigenwirtschaftlich heißt dies in der Fachsprache. Bisher fließen pro Jahr 1,2 Millionen Euro an Subventionen von Land, Kreis und Kommunen, um auch wirtschaftlich nicht rentable Strecke zu bedienen. Behles hatte ein eigenes Konzept für die Buslinien im Kreis vorgelegt, das zum Teil Verbesserungen beinhaltete, aber auch Nachteile, vor allem in den frühen Morgen- und späten Abendstunden.Die Verkehrsmanagement-Gesellschaft (VGS) in Saarbrücken ist die Genehmigungsbehörde für die Buslinien im Land. Sie hätte auch über den eigenwirtschaftlichen Antrag entscheiden müssen. Ein solcher eigenwirtschaftlicher Antrag hat Vorrang vor einer öffentlichen Ausschreibung, weil möglicherweise keine öffentlichen Zuschüsse fließen und der Betreiber auf eigenes Risiko handelt. Mit dem Behles-Konzept haben sich die Kommunen im Landkreis und der Kreistag selbst ausführlich befasst. Zwei Kommunen haben dieses abgelehnt, fünf haben zugestimmt, aber mit weiteren Anforderungen. Ebenso hat der Kreistag mehrheitlich ein positives Votum abgegeben. Die Stellungnahmen haben jedoch keinen bindenden Charakter für die Genehmigungsbehörde, sie sind lediglich Empfehlungen.Nach dem Behles-Rückzug wird die Vergabe der Buslinien im Landkreis wie ursprünglich geplant europaweit ausgeschrieben, um das günstigste Angebot zu ermitteln. So sieht es das Gesetz bei Projekten vor, die der Staat mitfinanziert. Bei der Ausschreibung können Landkreis und Kommunen ihre Anforderungen festlegen. vf

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