Wer kutschiert uns durchs Land?

St Wendel · Europaweit macht sich die Kreisverwaltung demnächst daran, Busstrecken in der Region auszuschreiben. Sie erhielt den Auftrag vom Kreistag, grenzüberschreitend nach Anbietern Ausschau zu halten. Allerdings haben SPD und CDU unterschiedliche Auffassungen, was die Tarife für Busfahrer betrifft.

 Welcher Betreiber liest hier am zentralen Busbahnhof in St. Wendel und anderswo im Landkreis ab 2016 Buskunden auf? Das Landratsamt bereitet nun die Unterlagen vor, um Liniennetze europaweit auszuschreiben. Foto: hgn

Welcher Betreiber liest hier am zentralen Busbahnhof in St. Wendel und anderswo im Landkreis ab 2016 Buskunden auf? Das Landratsamt bereitet nun die Unterlagen vor, um Liniennetze europaweit auszuschreiben. Foto: hgn

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Zumindest in einer Sache waren sich die Parteien im St. Wendeler Kreistag einig: Spätestens im Januar sollen alle Formalitäten geregelt sein, um in Europa nach einem geeigneten Partner Ausschau zu halten, der Busstrecken ab 2016 in unserer Region betreibt. Bis dahin ist weiterhin die Saar-Pfalz-Bus-Gesellschaft dafür verantwortlich.

Allerdings stritten Union und Sozialdemokraten als die größten Fraktionen in dem Gremium darüber, unter welchen Bedingungen die Unternehmen an der Ausschreibung beteiligt werden sollen. So forderte SPD-Fraktionschef Magnus Jung , "Eckpunkte festzulegen", die unter anderem den Lohn der Busfahrer und übrigen Bediensteten betreffen. So solle der Tarifvertrag Nahverkehr (TVN) Saar festgeschrieben werden. Dies sei jener, der die Beschäftigten am besten stellt. Ein Vertrag, der mit den kommunalen Arbeitgeberverbänden und der Gewerkschaft Verdi geschlossen worden war. Jung: "Wir sollten die TVN als Mindeststandard verlangen, wie im benachbarten Landkreis Neunkirchen."

Welcher Tarif soll gelten?

Sein Kontrahent von der CDU , Stefan Spaniol, sah dies anders. Der Kreistag habe sich ohne Frage ans saarländische Tariftreuegesetz zu halten. Aber: "Wir sollten keinen Tarifvertrag vorgeben." Hintergrund: Im Saarland existieren drei Flächentarifverträge für die Branche. An welchem sich die Unternehmen bei der Ausschreibung orientieren, sollten ihnen überlassen bleiben, befand Spaniol. Und begründete dies mit der Tarifautonomie zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Würde sich der Kreistag auf den Tarifvertrag mit höheren Lohnabschlüssen festlegen, würde dies auch "kostenintensiver" für den öffentlichen Haushalt, argumentierte er. Torsten Lang (SPD ) entgegnete: "Wir sollten die Sparbemühungen nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer austragen." So unterstrich er die Forderung seines Fraktionsvorsitzenden nach dem TVN. Und gleichzeitig die nach einem Beschäftigungsschutz. Konkret: Die Übernahme der bisherigen Fahrer zu den bisherigen Konditionen durch den möglicherweise neuen Anbieter solle in der Ausschreibung aufgeführt werden. Spaniol widersprach abermals: "Wir tragen das nicht auf dem Rücken der Beschäftigten aus. Wir vertrauen auf die Rolle der Tarifpartner."

So lehnte der Kreistag mit Mehrheit der Christdemokraten ab, es dem Nachbar-Landkreis gleich zu tun und den TVN als Bestandteil der Ausschreibung zugrunde zu legen. Außerdem scheiterte die SPD mit ihrem Vorschlag, den Kreistag einzubinden, die Fahrpläne zu gestalten. Das macht jetzt das Landratsamt mit dessen Fachpersonal allein. Einigkeit indessen, was die Laufzeit betrifft: Acht Jahre fanden alle Politiker für angemessen. Zudem sollen die Ausschreibungsunterlagen einen Passus zur Qualität enthalten. Detailliert betrifft dies sowohl Fahrer als auch Busse. Gleichzeitig erlaubt der Kreistag, Subunternehmer in den Fahrplan aufzunehmen. Jedoch sind dem Kreistag sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen wichtig. Auch in diesem Punkt herrschte bei der Abstimmung Einigkeit. Ein Paukenschlag, als der Weiskircher Unternehmer Behles Ende September sein Angebot zurückzog. Ein Angebot, mit dem der Landkreis, die Gemeinden sowie das Saarland kräftig Geld sparen wollten. Das versprachen sie sich damit. Denn der Busbetreiber hatte vorgeschlagen, das Streckennetz im St. Wendeler Land ohne staatliche Zuschüsse betreiben zu wollen. Eigenwirtschaftlich. Damit setzten die Politiker darauf, bis zu 1,2 Millionen Euro pro Jahr einbehalten zu können, mit denen zurzeit unrentable Routen subventioniert werden. Dann aber zog Behles seine Offerte zurück. Die Hürden, kritisierte Landrat Udo Recktenwald (CDU ) seinerzeit, seien wegen zusätzlicher Auflagen durch die Saarbrücker Genehmigungsbehörde zu hoch gewesen. Verantwortlich dafür: die Verkehrsmanagement-Gesellschaft Saar (VGS). Die SPD sah dies anders. Deren Fraktionschef im Kreistag, Magnus Jung , betrachtete den Rückzug als Chance, eigene Qualitätsstandards und Anforderungen an den Tarif zu setzen.

Hintergrund: Prinzipiell ist der Staat ab einem gewissen Auftragsvolumen verpflichtet, Aufträge innerhalb der Europäischen Union (EU) auszuschreiben. Das sehen gemeinsame Gesetze zwischen den Staaten vor. Allerdings hat auch jede Regel ihre Ausnahme. Wie in diesem Fall, als Behles eigenverantwortlich die Chose übernehmen wollte. Denn wäre es dazu gekommen, hätte die Staatskasse nicht blechen müssen. Somit hatte dieser Vorstoß Priorität. Mit dem Rückzug beginnt das ganze Verfahren von vorn. Es wird ab Januar europaweit ausgeschrieben. Daran kann sich übrigens sowohl Behles als auch der bisherige Quasi-Monopolist, die Deutsche-Bahn-Tochter Saar-Pfalz-Bus-Gesellschaft, beteiligen.

Zum Thema:

Auf einen BlickDrei Tarifverträge für Busfahrer:Tarifvertrag Nahverkehr (TVN) Saarland: Vertragspartner sind kommunale Arbeitgeber und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi (zweitgrößte Einzelgewerkschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB). Unter anderem werden Beschäftigte der Neunkircher Verkehrsgesellschaft (NVG) danach entlohnt. Die Saar-Pfalz-Bus (Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn DB) hat sich dem angeschlossen.Tarifvertrag zwischen Landesverband Verkehrsgewerbe Saarland (LVS) und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Hier geht es um Abschlüsse der privaten Linienbusunternehmen. Tarifvertrag zwischen privaten Anbietern und Verdi.Unterschiede: Bezahlung, Urlaub, Arbeitszeiten, Nacht- und Wochenendzuschläge. hgn

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