Stiftung Hospital St. Wendel Wenn ein Mann ins Mutter-Kind-Haus zieht

St. Wendel · In der 21-jährigen Geschichte des Hauses lebt aktuell der dritte Vater in der Wohngemeinschaft der Stiftung Hospital.

 In der Spielecke des St. Wendeler Mutter-Kind-Hauses (von links): Erzieherin Melanie Melcher, die zweijährige Jana auf dem Schoß von Papa Kai Kremer und Stiftungs-Direktor Dirk Schmitt.

In der Spielecke des St. Wendeler Mutter-Kind-Hauses (von links): Erzieherin Melanie Melcher, die zweijährige Jana auf dem Schoß von Papa Kai Kremer und Stiftungs-Direktor Dirk Schmitt.

Foto: Evelyn Schneider

Schneemann Olaf aus Disneys „Die Eiskönigin“ ziert eine Wand des Esszimmers. Hier steht ein großer Holztisch, an dem alle Mitglieder dieser besonderen Wohngemeinschaft Platz finden. Gleich daneben können die Kinder spielen. Zehn kleine Racker im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren leben hier aktuell mit Mama oder Papa sowie dem Betreuer-Team der Stiftung Hospital St. Wendel.

An dem geräumigen Gebäude in der Werschweiler Straße steht auf einem kleinen Schild „Mutter-Kind-Haus.“ Doch ganz korrekt ist das gerade nicht, denn auch ein alleinerziehender Vater ist im vergangenen Jahr mit seinen Kindern hier eingezogen. In der 21-jährigen Geschichte des Hauses, das eingerichtet wurde um jugendlichen Schwangeren und jungen Müttern mit Kindern unter sechs Jahren beim Start ins gemeinsame Leben zu helfen, ist er der dritte Papa.

Erzieherin Melanie Melcher schätzt den männlichen Mitbewohner. Es herrsche einfach eine andere Stimmung, als in Zeiten eines reinen Frauenhaushalts. „Mir ist aufgefallen, dass die Männer auch mal auf den Tisch hauen und sagen, ,Jetzt ist gut’, wenn die Mädels sich gerade mal anzicken“, nennt sie ein Beispiel. Umgekehrt scheint es aber auch Vorteile mit sich zu bringen, der Hahn im Korb zu sein. „Die Mädels putzen schon mal für ihn oder räumen an seiner Stelle den Tisch ab“, verrät Melcher und schaut lächelnd auf Kai Kremer. Der 28-Jährige ist derzeit nicht nur der einzige Papa im Haus. Er lebt auch gleich mit drei Kindern hier, was ebenfalls eine Besonderheit ist. Zunächst sei er mit Hanna (fünf Jahre) und Joshua (drei) eingezogen. Die kleine Jana (zwei Jahre) kam erst vor Kurzem dazu und muss sich noch eingewöhnen. Für die beiden älteren Kinder hat er schon das alleinige Sorgerecht, bei Jana stehe diese Entscheidung noch aus. Die Begründung, warum der aus Völklingen stammende 28-Jährige als alleinerziehender Vater in das Haus der Stiftung zog, klingt bei ihm ganz selbstverständlich: „Ich wollte meine Kinder bei mir haben.“ Mit der Mutter habe es einfach nicht mehr geklappt. Wenn die Jüngste ab August in die Krippe der Stiftung Hospital geht, will Kremer beruflich wieder Fuß fassen, eine Ausbildung beginnen. Der 28-jährige beschreibt sich als echten Stadtmenschen, aber sein Berufswunsch ist Landwirt.

Als junger Mann in einer WG mit vielen Regeln zu leben, ist für Kai Kremer kein Problem. „Ich schätze die Struktur, die es hier gibt. Jeden Mittwoch ist Aktivitätstag. Dann wird mit der Gruppe etwas unternommen“, berichtet Kai aus dem Alltag. Auch einen festen Tag zum Putzen gibt es. Darauf achtet auch Kai Kremers älteste Tochter Hanna. „Sie verrät mir dann die Stellen, an denen Papa nicht gewischt hat“, sagt Melcher grinsend.

Dass 24 Stunden Betreuer in der Wohngemeinschaft sind, wertet der junge Vater nicht als Kontrolle. Im Gegenteil: „Es ist immer jemand da. Wenn es ein Problem gibt, helfen die Betreuer direkt.“ Einmal im Monat gibt’s Ausgang: Dann können die Jungmamas oder -papas am Abend etwas unternehmen. Und was wünscht sich Kai Kremer für die Zukunft? „Dass ich alleine mit meinen Kindern leben kann.“

Diesen Schritt in ein selbstständiges Familienleben als alleinerziehender Papa mit Kind hat Alexander Scherzinger vor Kurzem vollzogen. Der Kontakt zu dem Mutter/Vater-Kind-Haus ist geblieben. Regelmäßig schaut er mit Töchterchen Mia-Sophie vorbei. „Einige Freundschaften, die ich während meiner Zeit hier geknüpft habe, bestehen noch heute.“ Der 28-Jährige zog vor etwa zwei Jahren mit einem zweimonatigen Säugling auf dem Arm in der Werschweiler Straße ein. Erzieherin Melanie Melcher kann sich noch genau an diesen Moment erinnern. „Er sagte, ,Ich kann gar nichts, aber ich will es unbedingt, ihr müsst mir alles beibringen’.“

Und tatsächlich kämpfte der damals 25-Jährige wie ein Löwe um sein Kind, das kurzzeitig in der Obhut des Jugendamtes war. „Ich wollte unbedingt, dass meine Tochter bei einem Elternteil aufwächst“, sagt Scherzinger. Da es bei der Mutter nicht klappte, sprang er ein. Der gelernte Krankenpflegehelfer hat inzwischen das alleinige Sorgerecht. „Die Kleine und ich sind ein eingespieltes Team.“ Für ihn, der zuvor allein gelebt hatte, sei es schon eine Umstellung gewesen, plötzlich in einer WG unter der Kontrolle von Betreuern zu wohnen. Aber die Mädels hätten ihm den Einstieg schon leicht gemacht. Irgendwann möchte er mit seiner Tochter wieder zurück in Richtung Völklingen ziehen. Dort kommt er her und dort gibt es auch Oma und Opa, die mal auf die zweijährige Mia-Sophie aufpassen könnten. Als er sich Mitte 20 für das Leben mit seinem Kind entschied, sei das nicht bei allen Kumpels gut angekommen. „Ich habe in meinem Freundeskreis aussortiert. Einige gute Freunde sind geblieben. Auf die kann ich mich verlassen und die haben mich auch hier in St. Wendel besucht“, sagt Scherzinger. Ebenso beherzt wie er sich für seine Tochter eingesetzt hat, wünscht er sich das Wort Vater im „Mutter-Kind-Haus“. Eine reine Vater-Kind-Stelle gebe es übrigens in Mannheim.

Mia-Sophie und Jana stürzen sich ins Bällchenbad im Esszimmer und wollen mit ihren Papas spielen. Weitere Bewohnerinnen gesellen sich mit dem Nachwuchs zu ihnen. „Die jüngste Mama ist aktuell 16 Jahre, die älteste 27“, berichtet Melcher. Für acht Erwachsene plus Kinder bietet das großzügige Haus Platz. An sieben Zimmer schließt sich je ein eigenes Kinderzimmer an – mit Bettchen, Schrank, Wickelkommode und Spielecke. „Alle Räume sind möbliert“, erklärt Melcher. In einem Elternzimmer steht das Kinderbettchen mit im Raum, ein Badzimmer schließt sich an. Fast jeder Bewohner hat sein eigenes Badezimmer. Nur zwei müssen sich eines teilen, das dafür aber auch geräumiger ist. Im Dachgeschoss gibt es zwei Küchen. Ein weiterer sanfter Schritt in die Selbstständigkeit. Ansonsten gibt es für alle eine Gemeinschaftsküche und ein Wohnzimmer. Darüber hinaus hat das Gebäude noch eine Einliegerwohnung zu bieten. Hier können Jungmamas oder -papas einziehen, die schon relativ selbstständig sind – in einer Art Betreutes-Wohnen-Modell.

Sozialarbeiter, Erzieher und Kinderkrankenschwestern arbeiten im Schichtdienst im Mutter-Kind-Haus. Es gibt einen Früh-, einen Spät- und einen Nachtdienst. Die Betreuung wird mit Frauenpower gestemmt. „Ehrlich gesagt, finde ich, dass ein Mann dem Team gut tun würde“, sagt Melcher. Die Papas der hier lebenden Kinder oder die neuen Partner der Müttern dürfen nicht nur zu Besuch kommen, sondern am Wochenende auch über Nacht bleiben.

Wie Melcher berichtet, kommen die Schützlinge nicht nur aus dem kompletten Saarland hierher, sondern auch darüber hinaus. Einmal habe eine junge Frau hier gelebt, die im Zeugenschutzprogramm war, da sie einen Schlepperring hatte auffliegen lassen. Finanziert wird das Mutter-Kind-Haus über Pflegesätze. Ein Posten, so erläutert Stiftung Hospital-Direktor Dirk Schmitt, für den nur wenig Mittel zu Verfügung stünden, seien Instandhaltungskosten. Daher würde sich das Haus auch über Sachspenden freuen. Windeln und kleine Matratzen würden immer gebraucht, wie Erzieherin Melcher aufzählt. Oder Bobbycars.

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