Wenn alle Brünnlein fließen?

St. Wendel · Heiß war es in den vergangenen Monaten, sehr heiß. Und sehr trocken – das weiß aus eigenem Erleben jeder. Aber wie heiß war es, wie trocken? Experten vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach haben exakte Zahlen dazu parat.

 Ein intakter alter Brunnen hält ihren Garten grün, in seinem kühlfeuchten Inneren wachsen Farne: Liz Lorenz-Wallacher und Jörn Wallacher leben im alten Forsthaus auf dem Altenkesseler Pfaffenkopf. Zur Brunnenpumpe, im Haus installiert, führt eine unterirdische Leitung. Foto: Dietze

Ein intakter alter Brunnen hält ihren Garten grün, in seinem kühlfeuchten Inneren wachsen Farne: Liz Lorenz-Wallacher und Jörn Wallacher leben im alten Forsthaus auf dem Altenkesseler Pfaffenkopf. Zur Brunnenpumpe, im Haus installiert, führt eine unterirdische Leitung. Foto: Dietze

Foto: Dietze

Landwirten bereitet das heiße, trockene Wetter - das bald wiederkehren wird - große Probleme. Auch Hobbygärtner haben damit ihre Not. Welche Alternativen gibt es für sie, um nicht mit teurem Leitungswasser zu gießen? Allabendlich das gleiche Ritual. Nach der Arbeit den Schlauch im Garten ausrollen, Sprenger in Position bringen, Wasserhahn aufdrehen. Nach anderthalb bis zwei Stunden den Sprenger weiter rücken. Vier bis sechs Stunden ist das Ding dann im Dauerlauf. Seit Juni, fast täglich; nur an wenigen Regen- und Gewittertagen blieb es ausgeschaltet.

Etwa einmal pro Woche bekommt jedes Beet eine Sprengerrunde ab. Dürreschäden gibt es trotzdem. Die Wiese ist braun. Apfelbaum und Hasel werfen Früchte ab, Magnolie und Birke lassen vorzeitig Blätter fallen. Hortensien zeigen alle paar Tage Durchhänger. Rittersporne und einige Rosen stehen unschön weiß bepudert da - Mehltaupilze lieben es halt trocken und warm. Immerhin, Stauden und Gehölze, darunter innig geliebte und gehätschelte Schätzchen, haben die Sommerglut überlebt. Was freilich seinen Preis hat: Die Wasserrechnung wird hoch.

Ein Gartenwasserzähler kann Abhilfe schaffen. . Er wird dort montiert, wo die Außenwasserleitung beginnt - drinnen, er braucht im Winter Frostschutz - und misst, wie viel Wasser man im Garten versickern lässt, statt es in die Kanalisation zu leiten. Für diese Wassermenge muss man dann nur den Wasserpreis bezahlen und spart die - deutlich höhere - Schmutzwassergebühr.

Allerdings fordern die Wasserversorger Gebühren für die Zähler-Einrichtung. Die lohnt sich daher erst für ordentliche Mengen Gartenwasser. Beim Wasserzweckverband Warndt (WZW) sind das 26 Kubikmeter pro Jahr, hat Betriebsleiter Hermann Schon auf SZ-Nachfrage ausgerechnet. Schons Kalkulation ist auf sechs Jahre bezogen, denn in diesem Takt müssen - überall - Zähler gewechselt oder nachgeeicht werden: 166 Euro für den Zähler, rund 40 Euro für den Einbau, 103 Euro Jahresgebühr, macht 824 Euro. Gespart wird die Schmutzwassergebühr, in Völklingen sind das 5,29 Euro pro Kubikmeter. Verbraucht man in sechs Jahren 156 Kubikmeter Wasser, also 26 pro Jahr, hat man die Zählerkosten wieder drin. Ist die Wassermenge höher, gewinnt man. 26 Kubikmeter - 2600 Gießkannen voll! - wollen freilich erstmal verbraucht sein. Für ein 300-Quadratmeter-Handtuchgärtchen lohnt sich der Extra-Zähler nicht.

In Saarbrücken bringen einen schon 15 bis 20 Kubikmeter Gartenwasser in die "Gewinnzone". Otto Drossel vom Zentralen Kommunalen Entsorgungsbetrieb (ZKE) erklärt das Saarbrücker Verfahren: Um den Zähler kümmert man sich selbst, der ZKE kommt für 75 Euro zur Abnahme vorbei. Auf Antrag erstattet der ZKE dann Jahr um Jahr die Schmutzwassergebühr; das kostet jeweils eine Bearbeitungsgebühr von 20 Euro. Regenwasser sammeln, das ist die zweite Möglichkeit. Ökologisch - Zisternen und Tonnen seien eine Hilfe, um "kurze Trockenperioden zu überbrücken und den Grundwasserschatz zu schonen", lobt Sabine Schorr, Pressesprecherin des Umweltministeriums, diese Lösung. In einzelnen Kommunen gebe es dafür Förderprogramme. Und wo gesplittete Abwassergebühren gelten, sparen Regenwasser-Nutzer auch noch die Gebühr fürs Niederschlagswasser, weil sie den Regen ja in den Garten leiten statt zum Kanal. Der Haken: Wenn ein Sommer so regenarm ausfällt wie der jetzige, sind die Speicher rasch geleert. Brunnenbau ist die dritte Variante. Unabhängig sein von Niederschlag und Wasserleitung, das ist für viele Hobbygärtner ein Traum. Er ist nur nicht billig. "Ein paar tausend Euro", Pumpe inklusive, koste ein neuer Brunnen , sagt Markus Kukor (26), Prokurist der Völklinger Brunnenbaufirma Kukor. Genau kalkulieren könne man die Kosten erst, wenn klar sei, wie tief man bohren müsse. Das wisse das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA). Fragen wir mal: In welcher Tiefe ist, beispielsweise, im Saarbrücker Stadtteil Klarenthal Wasser zu erwarten? Etwa zehn Meter betrage dort der Grundwasserflurabstand, antwortet Sprecherin Schorr. Dieser Wert schwanke aber jahreszeitlich. Zudem treffe der Bohrer da auf Karbon-Gestein, einen schlechten Grundwasserleiter; man müsse mit größerer Bohrtiefe rechnen, um eine wasserführende Kluft zu erreichen. Und ehe Brunnenbaumeister Kukor loslegen darf, muss das LUA den Brunnenbau genehmigen - im Wasserschutzgebiet sehr unwahrscheinlich, außerhalb aber kein Problem.

Das Bohren erledigt dann ein "kleines" Gerät, sagt Kukor. Sechs Tonnen schwer ist es und fährt auf Gummiketten; nicht sehr breit, aber eine Auto-Zufahrtmöglichkeit zum Garten sei schon nötig. Einmal gebaut, brauche der Brunnen keine Wartung mehr, auf Jahrzehnte. Und wenn man einen alten, nicht mehr funktionsfähigen Brunnen wieder in Betrieb nehmen möchte? Ans Sanieren, sagt Kukor, "gehen wir nicht dran" - zu gefährlich: Nach den Weltkriegen sei häufig Munition in Brunnen versenkt worden; man wisse nie, ob man in der Tiefe nur auf Schlamm stoße oder auf explosive Kampfmittel.

Glücklich, wer einen intakten alten Brunnen besitzt. Liz Lorenz-Wallacher und Jörn Wallacher haben in ihrem barocken Forsthaus am Saarbrücker Pfaffenkopf einen solchen vorgefunden. Er liefert Wasser für ihren riesigen Garten - heute noch. Die Schüler wird's gefreut haben, dass ihre Ferien Ende Juli mit idealem Schwimmbadwetter begannen: Temperaturen über 30 Grad, strahlend blauer Himmel, kein Regenwölkchen - Supersommer. Meteorologisch ist das aber alles andere als normal. Udo Busch von der Pressestelle des Deutschen Wetterdienstes (DWD) kann das mit Zahlen belegen.

Schauen wir zunächst auf den Regen . Und nehmen dabei die Zeit vom März an ins Visier, seit Beginn der Vegetationsperiode - Pflanzen brauchen Wasser zum Wachsen, es bewahrt sie nicht nur vorm Verdursten, sondern auch vorm Verhungern, weil es die im Boden vorhandenen Nährstoffe löst. Im 30-Jahres-Mittel (1981 bis 2010) hat die DWD-Wetterstation am Ensheimer Flughafen für die Zeit von Anfang März bis Ende Juli insgesamt 422 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen. Von März bis Juli 2015 hingegen fielen nur gut 204 Liter, gut 48 Prozent des langjährigen Mittelwertes - viel zu wenig.

Noch deutlicher erkennt man den Wassermangel, wenn man die Niederschläge in Beziehung setzt zu den Temperaturen. Je wärmer es draußen wird, desto mehr Bodenfeuchtigkeit verdunstet, ohne dass Pflanzen sie nutzen könnten - Hitze vergrößert das Niederschlagsdefizit. Wie groß es tatsächlich ist, kann der DWD in seinen so genannten klimatischen Wasserbilanzen berechnen. Auf SZ-Nachfrage hat Busch seine Experten um Saar-Zahlen gebeten. Ergebnis: An der Station Saarbrücken-Burbach fehlten bis zum 16. August 301,9 Liter pro Quadratmeter, am Flughafen 298,4 Liter. Im Nordsaarland sieht es ein Tickchen besser aus; in Weiskirchen beläuft sich das Defizit "nur" auf 248,9 Liter.

Ganz ausgeglichen sei die klimatische Wasserbilanz nie, erläutert Busch dazu. Im Sommer seien die Böden nie mit Wasser gesättigt, im Winter gebe es oft Überschüsse. Doch dieses Jahr falle deutlich aus dem Rahmen.

Das gilt auch für die Temperaturen - nicht nur der Winter war in unserer Region ungewöhnlich warm. Im März hat die Ensheimer Flughafenstation eine Durchschnittstemperatur von 11,1 Grad gemessen, 1,6 Grad mehr als im langjährigen Mittel. Der April war durchschnittlich 15,7 Grad warm (Mittel: 13,8), der Mai 18,5 Grad (Mittel: 18,2), der Juni 22,7 Grad (Mittel: 21,2). Und der Juli hat mit einer Durchschnittstemperatur von 27,7 Grad den Vogel abgeschossen - der Mittelwert der vergangenen 30 Jahre, bei denen ja auch etliche sehr heiße Sommer mit dabei waren, liegt bei 23,6 Grad.

Produktion dieser Seite:

Hannelore Hempel

Matthias Zimmermann

 Im Dauerlauf: Ohne täglichen Einsatz des Gartensprengers hätte so mancher Pflanzenschatz die heißen, knochentrockenen Juni- und Juli-Wochen nicht überlebt. Foto: Döpke

Im Dauerlauf: Ohne täglichen Einsatz des Gartensprengers hätte so mancher Pflanzenschatz die heißen, knochentrockenen Juni- und Juli-Wochen nicht überlebt. Foto: Döpke

Foto: Döpke
 Beim Gießen vergessen – prompt steht die Hosta mit vertrockneten Blättern da. Foto: Döpke

Beim Gießen vergessen – prompt steht die Hosta mit vertrockneten Blättern da. Foto: Döpke

Foto: Döpke

Zum Thema:

Auf einen Blick Der Deutsche Wetterdienst (DWD) stellt auf seinen Internet-Seiten eine Fülle von Wetter- und Klimadaten zur Verfügung. Klimatische Wasserbilanzen findet man über den Menüpunkt "Agrarwetter". Tagesgenaue Messwerte einzelner Wetterstationen - von Temperatur über Regenmengen bis hin zur Windgeschwindigkeit - gibt es unter "Klima und Umwelt". dddwd.de

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