Vorträge beleuchten die Schicksale von Ostertaler Auswanderern

Hoof · Im Laufe von drei Jahrhunderten sind viele Menschen vom Ostertal in die Welt ausgewandert. Zu diesem Thema hat der Heimat- und Kulturverein Ostertal eine Vortragsveranstaltung in Hoof angeboten.

Es war wohl das Thema, das Bezüge zur Flüchtlingssituation erwarten ließ, das die vielen Zuhörer angezogen hatte. Jedenfalls war der Saal des protestantischen Gemeindehauses Hoof bis auf den letzten Platz besetzt, als der Vorsitzende des Heimat- und Kulturvereins Ostertal, Hans Kirsch, ins Thema "Auswandererschicksale aus dem Ostertal" einführte. Es gehe um Auswanderungen in den vergangenen drei Jahrhunderten, ihm selbst sei bei den Forschungen kein Fall von politischer oder religiöser Verfolgung untergekommen. Vielmehr sei fast immer der Wunsch ausschlaggebend gewesen, der Not im eigenen Land zu entkommen, in einem anderen Land ein besseres Leben führen zu können.

Nachdem Klaus Zimmer einen Überblick über Zeiten, Zahlen, Ziele und Wege der Auswanderungen aus dem Ostertal gegeben hatte, berichtete Walter Harth über den frühesten Auswanderer, Hans Adam Klein aus Bubach. Der zog mit der ersten pfälzischen Welle 1709 nach Georgia in Nordamerika und führte später von dort aus einen jahrelangen Zivilprozess mit seiner Ostertaler Verwandtschaft wegen seines Erbes. Kirsch berichtete über mehrere Ostertaler Familien, die 1724 nach Südungarn zogen und dort das Dorf Moragy gründeten, in dem bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nur Deutschstämmige lebten. Danach wurden sie ausgewiesen und flüchteten nach Westdeutschland.

Integrationsgedanke früher

Einer der Ausgewiesenen beschrieb später das Zusammenleben in dem ungarischen Dorf: "Alle von Amts- und Würdenträgern inszenierte Versuche, das feste Band zu lockern, die deutsche Sprache, die Lieder, ihre deutsche Eigenart zu stören, wurden mit einer Allzweckwaffe, dem gewaltlosen Widerstand, abgewehrt. Sie nahmen einfach nichts an, was nicht von ihrer Art war, schon gar nicht, wenn man es ihnen aufzwingen wollte." An dieser Stelle gab es Heiterkeit und Fragen nach Integration und Parallelgesellschaften, was heute doch so strikt gefordert werde.

Marianne Kirsch erfuhr 1999, dass schon seit 1784 Verwandte ihrer Familie in der Batschka, heute Serbien, lebten. Nachfahren standen plötzlich auf dem Selchenbacher Friedhof. Gernot Spengler besuchte vor einigen Jahren die Nachfahren des 1847 aus Saal ausgewanderten Daniel Seyler in den USA und berichtete davon. Melanie Jung erzählte die Geschichte von zwei jungen Burschen aus Selchenbach, die "krumme Dinger" gedreht hatten und sich deswegen nicht mehr im Dorf halten konnten.

Zum Abschluss schilderte Kirsch das Leben von Helmut Berg aus Niederkirchen, der 1929 nach Chicago auswanderte, aber nicht aus Not, sondern weil er wissen wollte, ob es tatsächlich so sei, dass man in Amerika mit Mut und Arbeit alles erreichen könne. Tatsächlich wurde er in den 1960er Jahren zum Besitzer einer Bäckereikette, starb aber früh.

Stefan Wailersbacher illus trierte die Vorträge mit Bildern, und Walter Harth spielte dazwischen mit dem Akkordeon und sang Auswandererlieder. In seinem Schlusswort ging Kirsch auch auf die derzeitige Flüchtlingssituation ein und sprach die weitverbreiteten Zweifel an, "ob wir das schaffen". Dabei sagte er: "Ja, wir schaffen es, weil wir unsere Zweifel zulassen, ohne in Panik zu verfallen, ohne dass wir Zäune bauen und Notleidende mit der Waffe in der Hand abwehren. Wir diskutieren, was wünschenswert und was machbar ist, wir ringen um Konzepte. Wichtig ist, dass wir zu unseren Zweifeln stehen, aber sie durch Anpacken und Hilfe auch überwinden."

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