Tatort Bahnhof: Was ist da bloß los?

St. Wendel · Mit Bierdose ins Gesicht geschlagen, Flaschensammler überfallen, mit Messer zugestochen: Diese Vorfälle haben sich binnen kurzer Zeit am St. Wendeler Bahnhof ereignet. Dennoch gehen die Ermittler nicht von „einem signifikanten Anstieg der Gewalttaten“ aus.

 Letzter Zwischenfall: Im Bahnhofscafé griff ein Mann sein Opfer mit einem Messer an. Foto: Matthias Zimmermann

Letzter Zwischenfall: Im Bahnhofscafé griff ein Mann sein Opfer mit einem Messer an. Foto: Matthias Zimmermann

Foto: Matthias Zimmermann

Blutige Attacke im Bahnhofscafé: Ein Mann sticht mit einem Messer zu, erwischt sein Opfer am Oberkörper. Laut Polizei soll der mutmaßliche Täter nach bisherigen Ermittlungen in Kauf genommen haben, sein Gegenüber tödlich zu verletzen. Der Angegriffene überlebt schwer verletzt, der Stich erreicht keine inneren Organe.

Diese Meldung vom Donnerstag hat viele Menschen aufgewühlt. Was passiert da am St. Wendeler Bahnhof? Können sich Passanten trotzdem noch sicher fühlen? Auf der lokalen Internetseite der St. Wendeler Zeitung beim sozialen Netzwerk Facebook debattieren die Leser. "Was zur Hölle geht einem im Kopf rum? Drehen jetzt alle total am Rad? Unfassbar!", schreibt Nadja Drumm. Ähnlich sieht es Gaby Gärtner: "Ist der Bahnhof neuerdings Klein-Chicago?" Und eine Facebook-Nutzerin mit dem dortigen Namen Schedi Sabine befürchtet gar: "Wird immer schlimmer! Drehen alle durch."

Was ist dran an diesen Einschätzungen, was sagen Experten dazu? Uwe Backes von der St. Wendeler Polizeiinspektion versucht zu beruhigen: "Wir registrieren keinen signifikanten Anstieg von Straftaten." Das beziehe sich auch aufs Umfeld des Bahnhofs, für den seine Behörde zuständig ist. Denn erster Ansprechpartner für das Bahngelände samt Gebäude sind die Kollegen der Bundespolizei . Allerdings arbeiten beide mit weiteren Institutionen in einer Sicherheitspartnerschaft zusammen.

Lothar Meisberger pflichtet seinem Kollegen bei. Der stellvertretende Kriminaldienstleiter: "Die Messerstecherei hat nichts mit dem Ort zu tun." Die Beteiligten seien eher zufällig am Bahnhof aufeinandergetroffen. "Was dort passiert ist, hätte auch sonstwo passieren können." Zudem seien keine Außenstehenden betroffen gewesen. Fahnder sprechen in diesem Zusammenhang von einer Beziehungstat - also von einem Zwischenfall, der darauf beruht, dass sich die Beteiligten kannten und deswegen aneinandergeraten sind.

Ähnliche Hintergründe sieht Meisberger auch bei einer Tat vom 2. September: Da hatte ein Mann einen anderen mit einer Bierdose ins Gesicht geschlagen, ebenfalls am Bahnhof. Ein Oberthaler und ein Nohfelder trafen aufeinander, trugen eine handfeste Auseinandersetzung aus. "Auch hier gab es keinen Bezug zum Bahnhof", versichert der Kriminalbeamte. Ähnlich hätte sich der Streit "auf dem Schlossplatz oder bei der Sparkasse" abspielen können, greift er wahllos Alternativstandorte heraus.

Um gleich drauf nochmals zu betonnen: "Der Bahnhof in St. Wendel ist kein Schwerpunkt geworden." Daran ändere auch die Tat vom 29. August nichts. Damals war ein 55 Jahre alter Mann auf dem Bahnsteig fünf aus einem Zug gerissen und zu Boden geworfen worden. Dann trat ein etwa 50-jähriger Täter auf ihn ein und klaute die gesammelten Pfandflaschen (wir berichteten).

Zwei private Sicherheitsdienste sind neben den staatlichen Polizisten am Bahnhof im Einsatz: Die Stadt St. Wendel sowie die Deutsche Bahn (DB) als Besitzerin beteiligen sich daran. Streifengänge der örtlichen und der Bundespolizei sind nach Angaben der Behördensprecher ebenfalls Teil der Sicherheitspartnerschaft.

Die Diskussion zum Thema Sicherheit am St.Wendeler Bahnhof geht weiter. Jeder kann daran teilnehmen. Das Angebot ist kostenlos.

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Per Gesetz ist die Bundespolizei für die Sicherheit an Bahnhöfen verantwortlich, so auch für den in St. Wendel . Mit Blick auf die Zwischenfälle der vergangenen Wochen kündigt der Bexbacher Bundespolizeisprecher Dieter Schwan verstärkte Präsenz seiner Kollegen an. Von einem Sicherheitsrisiko St. Wendeler Bahnhof will er aber nicht reden. "Es handelt sich um eine unglückliche Häufung", sagt Schwan, um eine "zufällige Verkettung innerhalb kurzer Zeit".

Nichtsdestotrotz nehme seine Behörde die Lage und jede einzelne Straftat ernst. Aber es werde immer dort Vorfälle geben, wo sich Menschen aufhalten. An Bahnhöfen seien eben viele Personen unterwegs. "Die bekommen wir trotz aller Vorkehrungen nicht straffrei" - weder in St. Wendel noch sonstwo.

Von einer "sehr hohen Aufklärungsquote" berichtet er von dort, wo Überwachungskameras eingesetzt sind. Mittlerweile seien viele Züge mit modernen Geräten ausgestattet, die gestochen scharfe Bilder lieferten. In St. Wendel gebe es im Gebäude keine Kameras.

Allerdings sei es nicht Aufgabe der Bundespolizei , diese zu fordern. Schwan: "Das ist eine politische Entscheidung, an welchen Stellen im öffentlichen Raum Überwachung stattfindet."

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