Buch Still, still, still, weil’s Kindlein lesen will . . .

Die St. Wendeler SZ-Redakteure haben Bücher aufgeschlagen, die sie ganz besonders mit der Weihnachtszeit verbinden.

 Im Lichterglanz des Tannenbaums genießt es das Mädchen, einer Weihnachtsgeschichte zu lauschen, die ihm sein Vater vorliest.

Im Lichterglanz des Tannenbaums genießt es das Mädchen, einer Weihnachtsgeschichte zu lauschen, die ihm sein Vater vorliest.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/Kerkez

Es war im November 1993. Im Sommer hatte ich gerade erst mit meinem Praktikum bei der Zeitung angefangen. Da wurde ich in eine Schule im Landkreis Birkenfeld geschickt. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, welche Schule es war. Eine Grundschule auf jeden Fall. Und dort las der Autor Achim Bröger aus seinem Buch „Mein 24. Dezember“. Vom kleinen Hund Flocki, der zum ersten Mal Heiligabend erlebt. Und dabei überrascht ist, wie seltsam sich die Menschenfamilie an diesem besonderen Tag benimmt. Ja, es ist ein Kinderbuch. Aber auch mein 18-jähriges Ich hatte Spaß daran.

Zehn Jahre später fragte mich ein Bekannter, ob ich denn nicht Lust hätte, als, wie er sagte, Märchenfee den Kindern in seinem Geschäft eine Weihnachtsgeschichte vorzulesen. Ich hatte Lust. Und mir fiel sofort wieder „Mein 24. Dezember“ ein. Der Autor hatte mir eine signierte Ausgabe geschenkt. Und so nahm ich es mit nach Birkenfeld, wo ich empfangen wurde wie eine Prinzessin. Kein Wunder, ich trug ein langes, apricotfarbenes Kleid mit Reifrock. Am Morgen war ich geschminkt und frisiert worden, und eine Art Thron stand auch bereit. Aber ich setzte mich majestätisch auf den Boden. Schnell war ich umlagert von zig Kindern, vor allem die Mädchen genossen es, in meiner Nähe zu sein. Nach der ersten Seite wusste ich: Das Buch war die richtige Wahl, um die Kleinen auf Weihnachten einzustimmen. Und heute steht es im Bücherregal meiner Tochter.

Noch heute muss ich lächeln, wenn ich an Engel Plotsch denke. Er war in Kindertagen mein treuer Begleiter während der Vorweihnachtszeit. Dem Prinzip eines Adventskalenders folgend – nur ohne Schokolade, dafür mit süßen Engeln – hielt mein liebstes Buch „24 Adventsgeschichten“ bereit. Jeden Tag freute ich mich auf ein neues Abenteuer mit Plotsch. Wobei bei ihm – wie der Name schon erahnen lässt – selbst das Alltägliche zur Herausforderung wurde.

Die Geschichten beginnen damit, dass Plotsch, dessen Job es eigentlich ist, Sterne aufzuhängen (seiner Schusselei verdanken die Menschen übrigens die Sternschnuppen) im Weihnachtshimmel mithelfen darf. Motiviert und voller Freude möchte er sich an die Arbeit machen. Doch es lauert das ein oder andere Fettnäpfchen auf ihn. So verteilt er aus Versehen das Mehl in der Backstube oder stolpert im Musikzimmer so unglücklich, dass er in der Pauke landet. Als er die Geschenke für den Heiligen Abend stapeln soll, macht er das sehr akribisch, doch ausgerechnet vor der Tür. Er ist ein Tollpatsch, aber dabei so unendlich liebenswert. Am Ende des Buches sagt Petrus, dass Plotsch im nächsten Jahr wieder in den Weihnachtshimmel kommen darf. Und auch zu mir kam er zurück – jeden Advent aufs Neue.

Bitte, Eng’lein, sag’ geschwind, wo ich’s liebe Christkind find’, das uns in dieser Heil’gen Nacht, die Freude auf die Welt gebracht?“ Mit diesen Worten beginnt das kleine Gedicht „Wo finde ich das Christkind?“ in dem Kinderbuch „Es weihnachtet sehr“. Die Zeichnung dazu zeigt das Christkind auf einer Winterwiese, wie es mit einem kleinen Mädchen spricht. Im Hintergrund steigt Rauch aus den Kaminen der dick mit Schnee bedeckten Häuser. Väterchen Frost bläst kräftig aus einer Wolke dazu. Eine idyllische Zeichnung. Eine von vielen. Dieses Buch aus dem Jahr 1988 enthält Vorlese-Geschichten zur Weihnachtszeit, Gedichte, Lieder, Bastelanleitungen und Rezepte und begleitete meine Familie in den Jahren, als unsere Kinder noch klein waren. Und mich auch heute noch. Denn in der Adventszeit hole ich mir gerne das mit zahlreichen Zeichnungen angereicherte Buch hervor und schmökere ein wenig darin. Weihnachtsstimmung kommt da auf.

Kontrastprogramm ist da ein Adventsbuch, das ich dieses Jahr geschenkt bekommen habe. Es enthält nämlich 24 Kriminal-Kurzgeschichten. Hier wird gemordet und aufgeklärt, was das Zeug hält. Jeden Tag ein anderer Autor, jeden Tag eine andere Geschichte. Von Idylle keine Spur, trotzdem lesenswert. Ein Adventsbuch der anderen Art eben. Das zu lesen, auch Spaß macht.

Ebenso wie mancher Klassiker. Ein Vorschlag: Wie wäre es denn mit der „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens. Habe ich gerade aus meinem Bücherregal geholt. Die Kinderbuchversion. Muss ich mal wieder lesen. Und so fängt sie an: „Es war Heiligabend. Scrooge arbeitete in seinem eiskalten Kontor...“

Fröhliche Weihnachten allesamt. „Pah“, sagte Scrooge, „dummes Zeug“. Mit diesen berühmten Worten nimmt eine Geschichte Fahrt auf, die uns alle Jahre wieder die wahren Werte des Weihnachtsfestes vor Augen führt.

Im Mittelpunkt steht ein alter Geizkragen, für den nur eines wichtig ist: Geld. Menschlichkeit und Nächstenliebe sind für ihn Fremdwörter. Die Armen und Kranken widern ihn an. Am Heiligen Abend erhält der unsympathische Zeitgenosse Besuch von verschiedenen Geistern. Sie zeigen ihm auf ihre Weise, was wirklich im Leben zählt. Toleranz, Hilfsbereitschaft, Freundschaft und Familie.

Mich hat die Verwandlung des hartherzigen Mannes schon als Kind begeistert. Vor allem weil Autor Charles Dickens seine Leser nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern viel Humor zum Nachdenken bringt. Scrooge, Marley, der kleine Tim sowie die Geister der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gehören zu Weihnachten einfach dazu. Denn obwohl Dickens die Geschichte schon im Jahr 1843 zu Papier gebracht hat, ist sie auch heute noch so aktuell wie eh und je.

 Melanie Mai

Melanie Mai

Foto: SZ/Robby Lorenz
 Evelyn Schneider

Evelyn Schneider

Foto: SZ/Robby Lorenz
 Thorsten Grim

Thorsten Grim

Foto: SZ/Robby Lorenz
 Sarah Konrad

Sarah Konrad

Foto: SZ/Robby Lorenz
 Volker Fuchs

Volker Fuchs

Foto: SZ/Robby Lorenz
 Melanie Mai als Märchenfee, umlagert von Kindern. Sie liest ihnen aus dem Buch „Mein 24. Dezember“ vor.

Melanie Mai als Märchenfee, umlagert von Kindern. Sie liest ihnen aus dem Buch „Mein 24. Dezember“ vor.

Foto: Hinze
  Foto: Jens Kalaene/dpa

Foto: Jens Kalaene/dpa

Foto: picture alliance / dpa/Jens Kalaene

Es war Anfang der 80-er Jahre. Tommi Ohrner hatte sich als Timm Thaler sein Lachen längst zurückgeholt, Patrick Bach war als Silas aus einem Wanderzirkus geflohen und bereiste als Waisenjunge Jack Holborn die Welt. Doch die neueste ZDF-Weihnachtsserie ließ nichts Gutes erahnen. Der Titel des Weihnachts-Mehrteilers – diese Serien versammelten in einer längst vergangenen Zeit die jungen Fernsehzuschauer zwischen den Tagen vor den Bildschirmen – lautete: Nesthäkchen. Der Name ließ schon erahnen: Das ist nix für meines Vaters Sohn. Mein inneres Brummen hatte wohl das Christkind mitbekommen, denn was war ich froh – schon immer eine Leseratte –, als an Heiligabend die Schatzinsel unterm Weihnachtsbaum lag. Nicht als Eiland, sondern in Buchform. Geschrieben von Robert Louis Stevenson und bebildert mit Zeichnungen von Robert T. Schulz. So ging ich, statt mit dem Nesthäkchen durch die Kaiserzeit zu reisen, in den folgenden Tagen mit Jim Hawkins, Schiffskoch Long John Silver, Doktor Livesey und Friedensrichter John Trelawney auf die Suche nach dem Schatz des berüchtigten Piraten-Kapitäns Flint. Dieses Buch habe ich noch heute. Ebenso „Das große Weihnachtsbuch“ mit Liedern, Spielen, Gedichten, Bastelvorschlägen und Rezepten. Als kleiner Junge habe ich es geliebt, in weihnachtlicher Vorfreude in dem roten Wälzer zu blättern, die Bilder zu gucken und zu staunen über die Weihnachtsbräuche in anderen Ländern – denn davon handeln viele Erzählungen. Die ließen mich ahnen, dass es nicht überall auf der Welt ist wie bei uns. Und dass Gott die Vielfalt mag und keinen Absolutismus. Wie auch immer, heute blättere ich mit meinem Filius in dem Buch, singen wir Weihnachtslieder, lesen die Gedichte. Für meinen zweijährigen Sohn ist das alles neu – ich hingegen genieße es,  noch einmal in meine Kindheit eintauchen zu dürfen.

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