Projekt Steinerne Botschafter in der Natur

St. Wendel · Beim Spaziergang Kunst entdecken, das geht im St. Wendeler Land ganz leicht. Ein Projekt will auf die Skulpturenstraße aufmerksam machen.

 Yoshimi Hashimotos „Großer Fuß“ wurde 1978 zwischen Baltersweiler und St.Wendel aufgestellt.

Yoshimi Hashimotos „Großer Fuß“ wurde 1978 zwischen Baltersweiler und St.Wendel aufgestellt.

Foto: B&K/Bonenberger

Er liegt ganz ruhig da. Inmitten des Grüns. Mal stolzieren Vögel über seine Wölbungen, mal klettern Kinder auf ihm herum. Geschaffen hat den „Großen Fuß“ ein Japaner namens Yoshimi Hashimoto. Die Steinskulptur wurde 1978 zwischen St. Wendel und Baltersweiler aufgestellt. Sie hat eine Botschaft. Doch sie drängt sich nicht auf, wird daher gerne übersehen. „Die Skulpturen sind eine Selbstverständlichkeit in der Umgebung wie Bäume“, bringt Künstler Christoph M. Frisch das Dilemma auf den Punkt. „Die Geschichte, die dahinter steckt, muss für jede Generation aufgearbeitet werden.“ Das möchte der Vorsitzende des Vereins Kulturzentrum Bosener Mühle mit einem gemeinsamen Projekt mit dem Verein „Straße des Friedens“ erreichen. „Die Straße der Skulpturen St. Wendel — Reloaded“ will den Fokus auf die Kunstwerke in der freien Natur legen. Deren Botschaft des Friedens ist heute noch so aktuell wie sie es damals war.

„Viele Leute können sich noch gut daran erinnern, als die Skulpturen in den 1970er-Jahren entstanden sind“, weiß die Vorsitzende des Vereins „Straße des Friedens“, Cornelieke Lagerwaard. Der heute 88-jährige Bildhauer Leo Kornbrust inszenierte die „Straße der Skulpturen“ als eine Hommage an den 1943 in einem Konzentrationslager verstorbenen Künstler Otto Freundlich. Dieser hatte bereits in den 1920er-Jahren die Vision einer Straße der Skulpturen von Paris nach Moskau. Es sollte eine „Straße des Friedens“ sein. „Frieden und die Verständigung der Nationen soll mit der Kraft der Kunst ausgedrückt werden“, erklärt die Leiterin des St. Wendeler Museums. Mehr als 500 Skulpturen gibt es bereits. Dazu gehören auch die Werke im St. Wendeler Land. „Dieses Projekt ist ein Selbstläufer“, sagt Lagerwaard. Und es sei lebendig. Denn es gebe Veränderungen — auch hier in St. Wendel. Skulpturen aus Holz seien bereits verfallen, eine Steinskulptur am Symposium bei Baltersweiler zeige erste Risse. Auf der anderen Seite kommen neue Werke hinzu. Schritt für Schritt wächst das europaweite Kunstprojekt. „Junge Leute sind sensibel, wenn es um die Themen Krieg und Frieden geht“, ist Lagerwaard überzeugt. Daher sollen auch sie mit dem „Reloaded-Projekt“ angesprochen werden.

Der Startschuss fällt mit einer Kick-Off-Veranstaltung am Mittwoch, 27. September, 18 Uhr, im St. Wendeler Museum. Dabei soll das Konzept vorgestellt werden. Wobei weitere Ideen den Initiatoren willkommen sind. Wie ein roter Faden zieht sich das Stichwort „Mitmachen“ durch das Konzept. So sind Künstler-Workshops geplant. Die Themen: räumliches Gestalten mit Plastiken und Skulpturen sowie kurzlebige Kunstformen wie Installationen und Performances. Im Museum und im Kulturzentrum Bosener Mühle sollen die Künstler mit den Teilnehmern arbeiten. Für Schüler soll es vormittags Workshops geben. „Nach den Herbstferien bis nächsten Mai wollen wir nach Möglichkeit 30 Kurse anbieten“, konkretisiert Lagerwaard.

Darüber hinaus sind Vorträge, die Vorführung der Dokumentation „Das geht nur langsam“ von Gaby Bollinger, Lesungen der Mitglieder der Bosener Gruppe und geführte Wanderungen geplant.

Der Skulpturenweg verbindet St. Wendel mit dem Bostalsee, indirekt das Museum mit der Bosener Mühle und somit zwei Orte, die oft besucht werden. „In touristischer Hinsicht ist es wichtig, dass die Skulpturenstraße im Fokus bleibt“, sagt Frisch. Wenn alles so klappt, wie er und die St. Wendeler Museumschefin es sich vorstellen, entsteht am Bostalsee, einer zentralen Anlaufstelle für Touristen, ein temporärer Parcours mit Installationen. Cornelieke Lagerwaard ist dabei, Künstler hierfür zu gewinnen. Um diesen Teil des Projekts zu realisieren, braucht es aber auch Geld. „Pro Künstler 5000 Euro“, rechnet Lagerwaard vor.

Wie erleben Menschen, die hier leben, die Skulpturen? Das ist für die beiden Kunst-Experten eine wichtige Frage. Daher haben sie einen Fotowettbewerb ins Leben gerufen, bei dem jeder mitmachen kann. Thema ist die Skulpturenstraße. Kinder und Erwachsene sollen die Kunstwerke in der Natur zu jeder Tageszeit und in jeder Jahreszeit fotografieren. Bis 24. März können sich Hobbyfotografen auf die Suche nach ihrem Lieblingsmotiv begeben. Später werden die Aufnahmen einfach auf einer Internetseite hochgeladen. Diese ist gerade am Entstehen. Eine Jury prämiert schließlich die schönsten eingereichten Fotos. Außerdem sollen die Werke in einer Ausstellung gezeigt werden. Falls sich noch jemand Anregungen holen möchte: Im November/Dezember ist im St. Wendeler Museum eine Schau mit Aufnahmen der Mitglieder des Fotoclubs Tele Freisen geplant. Diese zeigen die Skulpturen im Wechsel der Jahreszeiten.

 Eingefangen im Sonnenuntergang: Die Skulptur von Gernot Rumpf, die zwischen Baltersweiler und St. Wendel steht.

Eingefangen im Sonnenuntergang: Die Skulptur von Gernot Rumpf, die zwischen Baltersweiler und St. Wendel steht.

Foto: CMFRISCH
 Majestätisch ragt diese Skulptur gen Himmel.

Majestätisch ragt diese Skulptur gen Himmel.

Foto: B&K/Bonenberger
 Blauer Himmel und ein Spiel der Wolken: Hobby-Fotografen sollen Skulpturen zu jeder Jahreszeit fotografieren.

Blauer Himmel und ein Spiel der Wolken: Hobby-Fotografen sollen Skulpturen zu jeder Jahreszeit fotografieren.

Foto: B&K/Bonenberger
 Christoph  M. Frisch

Christoph M. Frisch

Foto: B & K/Franz Rudolf Klos
 Cornelieke  Lagerwaard.

Cornelieke Lagerwaard.

Foto: Eva Backes

Um auf die Bedeutung der steinernen und stählernen Arbeiten aufmerksam zu machen, ist es Voraussetzung, dass diese auch gesehen werden. Als Leo Kornbrust noch mobil war, sei er rumgefahren und habe die Skulpturen von Wildwuchs befreit. Oder Hinweise an Gemeinde oder Landkreis gegeben. Das fehle jetzt. Und so verschwinden manche Kunstwerke regelrecht im Gestrüpp. Um dem entgegenzuwirken, hat Cornelieke Lagerwaard eine Idee. „Ich würde mir wünschen, dass Patenschaften entstehen; Menschen einen Stein adoptieren.“ Diesen könnten sie dann entweder selbst pflegen oder Hinweise geben, wenn mal wieder gemäht werden müsste. „Es sind einzigartige Kunstwerke“, sagt Lagerwaard.

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