Blick auf das Leben der Herzogin Luise Zwischen Trauer, Enttäuschung und Liebe

St. Wendel · Das St. Wendeler Stadtarchiv gewährt Einblicke in das Leben der Herzogin Luise: Die Brief-Sammung wird am Dienstag vorgestellt.

 Dieses Gemälde von Ludwig Döll zeigt Luise mit ihren beiden Kindern.

Dieses Gemälde von Ludwig Döll zeigt Luise mit ihren beiden Kindern.

Foto: Stiftung Schloss Friedenstein, Gotha

„Und grüße die Kinder von mir.“ Dieser Satz ist Ausdruck tiefer Sehnsucht einer Mutter nach ihrem Nachwuchs, von dem sie getrennt wurde. Unfreiwillig. Herzogin Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld schrieb diese Zeile am 4. Dezember 1825 an ihren Mann Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Da lebte sie schon seit einem Jahr in der Stadt St. Wendel, dem damaligen Fürstentum Lichtenberg. In diesen Teil des Herzogtums hatte ihr Gatte sie quasi verbannt.

Nicht nur diese Tragik macht Luise nach Ansicht des Historikers Josef Dreesen zu „einer besonderen Frauengestalt des 19. Jahrhunderts, die bislang unterschätzt wurde“. Das soll sich ändern. Ein Buch des St. Wendeler Stadtarchivs möchte Einblick in das Gefühlsleben der Herzogin gewähren. Es trägt den Titel „und grüße die Kinder von mir.“ Neben Aufsätzen werden darin 37 Briefe vorgestellt, die Luise in St. Wendel geschrieben hat beziehungsweise später von Paris aus in die Kreisstadt schickte. 36 der Schreiben stammen aus dem Staatsarchiv Coburg, das als Mitherausgeber fungiert, ein Schriftstück ist im Staatsarchiv Gotha zu finden.

Josef Dreesen vom Stadtarchiv wird die Publikation zusammen mit der Luise-Darstellerin Jutta Stumm am Dienstag, 7. Mai, 19 Uhr, im Mia-Münster-Haus vorstellen. Dieser Vortrag ist Teil der Veranstaltungsreihe „Herzogin Luise – die Vorfahrin der Windsors in St. Wendel“. Während die Welt anlässlich seines 200. Geburtstags den Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, den Gatten der englischen Königin Victoria, feiert, rückt St. Wendel dessen Mutter in den Mittelpunkt (wir berichteten). Jene Frau, die als Stammmutter der Windsors bezeichnet werden kann.

Die 1800 geborene Luise genoss eine liberale Erziehung. „Sie durfte ihre Meinung sagen“, weiß Dreesen. Bereits im Alter von 16 Jahren heiratete sie im Jahr 1817 den 17 Jahren älteren Herzog Ernst I. „Er war ein Vertreter der alten Schule“, sagt der Historiker. Als Mann war er der Vormund seiner Gattin. Doch Luise sah sich als ebenbürtig. Da waren Konflikte programmiert. „Luise war in ihrem Auftreten und dem Anspruch auf Ebenbürtigkeit sehr aufmüpfig“, beschreibt Dreesen. Damit sei Ernst nicht klar gekommen. Seine Mutter Auguste schrieb ihm 1823/24 in einem Brief, er dürfe Luise nicht mit den jungen Kavalieren umgehen lassen. Er müsse dies verbieten. Seit 1821 unterstellte Ernst seiner Gemahlin Affären. Die wohl vielmehr er selbst hatte.

Der so frei erzogenen jungen Luise kam in dieser Ehe nur eine Aufgabe zu: Thronfolger zu gebären. Das tat sie auch. 1818 kam Ernst II. auf die Welt, ein Jahr später Albert. Doch an dem Verhältnis zwischen den Eheleuten änderte die Geburt der Kinder nichts. Das Zerwürfnis zwischen den beiden wird auch in einem Brief Luises an Ernst deutlich: „Ich hatte das Gefühl, Du wurdest kälter. Da wurde auch ich kälter.“

Am 2. September 1824 musste Luise mitten in der Nacht und ohne ihre beiden Söhne Coburg verlassen. Es ging für sie nach St. Wendel. Obwohl sie keine glücklichen Umstände in ihre neue Heimat führten, lernte die Menschen hier schätzen und diese wiederum verehrten Luise als Landesmutter des Fürstentums. Die Scheidung des ungleichen Paares erfolgte im März 1826. Auf den Titel Herzogin von Sachsen-Coburg-Saalfeld musste Luise verzichten, stattdessen durfte sie den Titel Herzogin von Sachsen führen.

Trotz der schwierigen Situation, kein Umgang mit ihren Kindern haben zu dürfen, zählten die sechs Jahre in St. Wendel wohl zu der glücklichsten Zeit im Leben Luises. Einen Anteil daran hatte auch Maximilian von Hanstein. Er wurde wenige Monate nach der Scheidung ihr zweiter Ehemann, nachdem er zuvor zum Grafen von Pölzig und Beiersdorf ernannt worden war. „Man musste dafür sorgen, dass der Partner ebenbürtig war“, erklärt Dreesen. Der Historiker glaubt, dass Ernst bei dieser Verbindung seine Hände im Spiel hatte und Maximilian bewusst nach St. Wendel schickte, um Luise zu heiraten.

Also wieder eine Verbindung aus Kalkül, in der die Gefühle fehlten? „Ich glaube, dass Maximilian Luise auf Händen getragen hat“, sagt Dreesen. Bei ihm habe sie sich als Frau fühlen dürfen. Selbst als die Herzogin 1831 an Gebärmutterkrebs erkrankte und zur Behandlung nach Paris reiste, war Maximilian an ihrer Seite. Aufzeichnungen zufolge habe er sie gewaschen, als die Kammerfrau erkrankt war. „Man darf hier von Liebe sprechen“, sagt Dreesen. Eine Liebe, die viel zu schnell endete, denn Luise starb im gleichen Jahr. Und zwar ohne ihre beiden Söhne nochmal wiedergesehen zu haben.

Prinz Albert heiratete die englische Königin Victoria und hatte mit ihr neun Kinder. „Er beschäftigte sich viel mit ihnen, was auch ein Ausdruck fehlender Mutterliebe nach der Trennung von Luise gewesen sein mag“, vermutet der Historiker. Albert habe alles gesammelt, was er von seiner Mutter finden konnte. Es gebe eine persönliche Notiz Alberts in Windsor mit dem Vermerk „Mamas letzte Briefe.“

Sein Bruder Ernst II. schien mehr nach dem Vater zu kommen. Er war kein Kostverächter, was Frauen betraf, und heiratete 1842 die 16 Jahre alte Prinzessin Alexandrine von Baden. Sie duldete die Eskapaden ihres Mannes, den sie um gut zehn Jahre überlebte. Die Ehe blieb kinderlos.

Es ist jener Herzogin Alexandrine zu verdanken, dass Luises Briefe erhalten sind. Sie hatte wohl erkannt, welch‘ besondere Frau ihre Stiefmutter war. Daher verfügte sie 1893: „Diese Briefe bilden eine hochinteressante Charakteristik meiner seligen Schwiegermutter und zeigen die Güte und Liebenswürdigkeit ihrer Seele, die alle Herzen gewann. Die Briefe verdienen als historische Dokumente einen Platz im Archiv.“ Dort sind sie bis heute sicher verwahrt und lassen einen kleinen Einblick in das Leben Luises zu.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort