Sie haben St. Wendel lieb gewonnen

St Wendel · Ein bisschen Heimweh hat es am Anfang gegeben, aber dann fühlten sich Ivy und Rodrigo sehr wohl in St. Wendel. Der US-Amerikaner und die Taiwanesin nehmen an einem Rotary-Schüler-Austausch teil. Im SZ-Gespräch berichten sie von ihren Erfahrungen.

 Ihre Jacken sind übersät mit Pins und Aufnähern. Allesamt Erinnerungen an ihre Zeit in Deutschland und die Tour durch Europa. Mitte Juli endet das Austausch-Jahr für US-Amerikaner Rodrigo und Taiwanesin Ivy. Foto: Bonenberger & Klos

Ihre Jacken sind übersät mit Pins und Aufnähern. Allesamt Erinnerungen an ihre Zeit in Deutschland und die Tour durch Europa. Mitte Juli endet das Austausch-Jahr für US-Amerikaner Rodrigo und Taiwanesin Ivy. Foto: Bonenberger & Klos

Foto: Bonenberger & Klos

Ein Jahr in einem fremden Land, einer unbekannten Kultur - auf dieses Abenteuer haben sich Ivy (17) aus Taiwan und Rodrigo (17) aus den USA eingelassen. Mit dem Austauschprogramm der Rotarier ging es für die beiden Jugendlichen im vergangenen August nach Deutschland, genauer gesagt nach St. Wendel . Vor ihrer Ankunft am Frankfurter Flughafen wusste Ivy nichts von Deutschland. "Man braucht Mut, um ein Jahr wegzugehen. Wenn ich zuviel darüber nachgedacht hätte, hätte ich es vielleicht nicht gewagt", sagt die 17-jährige Taiwanesin. Heute ist sie froh, dass sie sich der Herausforderung gestellt hat und strahlt übers ganze Gesicht, wenn sie von ihren Erlebnissen erzählt. "Ich will auf jeden Fall zum Urlaub machen wieder nach Deutschland kommen", weiß Ivy jetzt schon. Und von diesen Plänen kann sie auch ein 14-stündiger Flug nicht abhalten.

Ivys Heimat Taiwan kennen die meisten wohl durch Aufkleber oder Etiketts in Produkten mit dem Hinweis "made in Taiwan". "Ich musste den Mitschülern erklären, wo Taiwan liegt", sagt die 17-Jährige, die das Cusanus-Gymnasium in St. Wendel besucht. Die erste Konfrontation mit einer völlig anderen Kultur erlebte die Jugendliche beim Essen. "Ich konnte am Anfang nicht mit Messer und Gabel umgehen", gesteht sie. In ihrer Heimat ist sie es gewohnt, mit Stäbchen zu essen. Und auch, dass täglich Reis auf den Tisch kommt. Den gab es hier nicht. "Aber Kartoffeln mag ich jetzt auch", sagt sie und lächelt. Zu Gast in der St. Wendeler Redaktion plaudert die Taiwanesin locker drauf los - und das in einem sehr guten Deutsch. Das hat sie in nur zehn Monaten hier gelernt. Und dass, obwohl sich Chinesisch in Laut und Schrift doch sehr von unserer Sprache unterscheidet. Hier und da mischt sich ein "Jo" statt "Ja" in Ivys Redefluss - ein Souvenir aus dem Saarland.

Die 17-Jährige hat inzwischen viele Freunde hier gefunden und spricht von einem "ganz anderen, aber schönen Leben". In Erinnerung wird ihr unter anderem das Weihnachtsfest bleiben. "In Taiwan feiern wir kein Weihnachten. Das hat mir hier sehr gut gefallen. Es gab Geschenke und gutes Essen." Sozusagen im kulturellen Austausch hat Ivy dann am 19.Februar zusammen mit ihren drei Gastfamilien chinesisch Neujahr gefeiert. Für Manuela Angel, Jugendbeauftragte beim Rotarier-Club Stadt St. Wendel , ist Ivy gar eine europäische Taiwanesin. "Das Mädchen, das ich damals vom Flughafen abgeholt habe, war wohlerzogen und auch ein wenig schüchtern. Jetzt ist Ivy eine taffe junge Frau", sieht Manuela Angel eine große Entwicklung. Auch Ivys Mutter habe ihr bescheinigt, dass sie sich verändert hat. Während eines kurzen Besuchs in St. Wendel . Die 17-Jährige selbst findet das nicht. "Ein bisschen zugenommen habe ich", gesteht sie und lacht.

Wo die USA liegt, musste Rodrigo bei seinem Antrittsbesuch im St. Wendeler Cusanus-Gymnasium nicht erklären. Wohl aber, wo genau Ohio ist. Aus diesem Staat, genauer gesagt aus der Stadt Cleveland, kommt der 17-Jährige. Ein wenig vermisse er schon die Großstadt, gleichzeitig genieße er es, dass er hier viel unternehmen könne. Zuhause ist er darauf angewiesen, dass jemand Zeit hat, ihn mit dem Auto beispielsweise zum Treffen mit Freunden bringt. Hier steigt er einfach in den Zug und fährt in die nächste Stadt. Schienenverkehr, so Angel, werde in den USA hauptsächlich zum Transport für Güter genutzt. Weniger für Passagiere . "Er hat es als Freiheit empfunden, einfach in den Zug oder Bus zu steigen und zu entscheiden, wohin er will", so Manuela Angel.

Der Schulalltag in der Heimat unterscheidet sich von dem Unterricht in St. Wendel . Ivy findet das Schulsystem hierzulande besser. Denn in Taiwan ist sie von 8 bis 17 Uhr in der Schule und muss danach noch lernen. Rodrigo geht in eine Privatschule, an der ebenfalls bis Nachmittag Unterricht ist. Deshalb essen die Schüler auch gemeinsam in der Schule. Neu war für beide Jugendliche am Cusanus-Gymnasium das Fehlen einer Uniform. "Am Anfang habe ich genossen, dass ich anziehen konnte, was ich wollte. Aber jetzt ist es stressig. Da ist immer das Problem: Was ziehe ich an", berichtet die 17-Jährige schmunzelnd.

Neben dem Alltag, den die Austauschschüler in ihren Gastfamilien erleben, stehen bei Rotary Ausflüge auf dem Programm. Dabei treffen sich alle Jugendliche aus einem Distrikt zu gemeinsamen Unternehmungen, im Februar ging es beispielsweise auf Europa-Tour. Der Distrikt, zu dem der Club St. Wendel Stadt gehört, vereint neben dem Saarland auch Teile des Hunsrücks, der Pfalz oder Baden-Württembergs. 80 Rotary Clubs gehören dazu. Das Treffen mit den anderen Jugendlichen sei wichtig zum Austausch, sagt Manuela Angel. Wenn Ivy und Rodrigo Mitte Juli in den Flieger nach Hause steigen, dann ist ein bereits bekannter Begleiter dabei: das Heimweh. Nur dieses Mal gilt es dem einst fremden Deutschland, das ihnen jetzt ans Herz gewachsen ist.

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Auf einen BlickSchon seit Jahren beteiligt sich der Rotarier-Club Stadt St. Wendel an einem weltweiten Programm zum Schüleraustausch . Dabei gilt die Regel: Der Club, der Jugendliche rausschickt, nimmt im Gegenzug auch Jugendliche auf. Weltweit stehen viele Länder zur Wahl, wobei die Rotarier auf die Sicherheit ihrer Schützlinge bedacht sind. Die Jugendlichen können sich Ländergruppen für ihren Aufenthalt wünschen: wobei jeweils nur eine Ländergruppe Englisch und eine Spanisch sprechend sein darf. Das Programm ist mehr als ein reiner Schüleraustausch . Es geht darum, fremde Kulturen kennen zu lernen. Gleichzeitig werden die deutschen Jugendlichen im Ausland zu Botschaftern ihrer Kultur. Kontakt: Wer Interesse an dem Austausch hat, kann sich an den Jugenddienst des Clubs wenden, E-Mail: manuela.angel@gmx.de. Infos im Internet: www.rotary-jugenddienst.de/jugenddienst . evy

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