1150 Jahre ortsgeschichte Ein stilles Jubiläum in Oberlinxweiler

Oberlinxweiler · Ober- und Niederlinxweiler werden an diesem Sonntag jeweils 1150 Jahre alt. Doch eine Party gibt es nicht.

 Das einstige Wahrzeichen von Oberlinxweiler war die Römerbrücke über den ursprünglichen Verlauf der Blies (Abriss um 1980). Im Hintergrund die Hochmühle (rechts) und die Alt Leetsch (Abriss 1927).

Das einstige Wahrzeichen von Oberlinxweiler war die Römerbrücke über den ursprünglichen Verlauf der Blies (Abriss um 1980). Im Hintergrund die Hochmühle (rechts) und die Alt Leetsch (Abriss 1927).

Foto: Archiv Verein für Orts- und Familiengeschichte

Vereinsaktivitäten und kulturelle Feste ruhen pandemiebedingt, da geraten selbst runde Jubiläumsfeiern leicht aus dem Blick. Still und heimlich wird der St. Wendeler Ortsteil Oberlinxweiler am 13. Juni 1150 Jahre alt. Das inzwischen mehr als 2000 Einwohner zählende Dorf blickt auf eine bewegte Geschichte zurück.

„Bei Ausgrabungen auf dem Spiemont wurden römerzeitliche Mauern, Säulenrelikte, Wasserleitungen und Münzen zu Tage gefördert, die auf dem heutigen Oberlinxweiler Bann auf eine Siedlung der Römer bereits in den ersten Jahrhunderten nach Christus hinweisen“, erläutert ein Sprecher des Vereins für Orts- und Familiengeschichte Oberlinxweiler. Urkundlich wurde Oberlinxweiler demnach erstmals 871 als Linchisvillare in einer Urkunde des Kaisers Ludwig II. erwähnt. Hierbei geht es um die Schenkung des 1573 aufgelösten Klosters Neumünster, Keimzelle der heutigen Stadt Ottweiler. Aus der ursprünglichen Ortsbezeichnung wurde im Laufe der Jahrhunderte Linxweiler. „Mit der Richtung links hat der Name nichts zu tun, obwohl in älteren Dokumenten oftmals fälschlicherweise die Schreibweise Linksweiler auftaucht“, stellt der Sprecher klar. Auch wurde in den ersten fünf Jahrhunderten nicht zwischen Ober- und Niederlinxweiler unterschieden, weshalb die Einwohner beider Orte bis heute noch wetteifern, welches von beiden das ältere Linxweiler ist.

Während der Oberlinxweiler Heimatforscher Heinrich Schwingel (1918 bis 2010) den Ursprung Linxweilers auf den heutigen Bann von Oberlinxweiler verortete, sprechen viele historische Überlegungen für Niederlinxweiler wegen seiner Nähe zur damaligen Meierei Ottweiler und des Klosters Neumünster. Außerdem sei in der Gründungsurkunde bereits eine Martinskirche erwähnt, was diese These unterstützt, denn Kirchen wurden erst nach einer Besiedelung errichtet. „Eine Unterscheidung zwischen Ober- und Niederlinxweiler taucht erstmals 1321 im Weisbuch des Klosters Neumünster auf“, weiß der Sprecher. Beide Ortschaften wurden im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) fast vollständig zerstört.

Oberlinxweiler gehörte über Jahrhunderte zur Grafschaft Nassau-Saarbrücken und grenzte im Norden an St. Wendel, das zum Kurfürstentum Trier gehörte. Nach der Besetzung des linken Rheinufers durch französische Truppen 1792 wurde Oberlinxweiler Teil des französischen Saardepartements. Aufgrund der Beschlüsse auf dem Wiener Kongress 1815 kam der Ort ein Jahr später zum Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld, das 1819 in Fürstentum Lichtenberg umbenannt wurde. Nach Verkauf dieses Fürstentums 1834 an Preußen wurde der Ort Teil der preußischen Rheinprovinz. Am 1. Januar 1974 wurde er im Zuge der Gebietsreform Stadtteil von St. Wendel. Weiterhin eigenständig, wäre er heute vermutlich ein wohlhabender Orte, da weite Teile des St. Wendeler Industriegebiets West auf Oberlinxweiler Bann liegen, mutmaßt der Sprecher. Auf ihm befindet sich auch einer der ältesten Grenzsteine des Saarlandes (1585).

Viele Jahre war Oberlinxweiler durch den Betrieb zweier Steinbrüche geprägt, in denen zeitweise hunderte Arbeiter in Lohn und Brot standen. Die Zeit des Gesteinsabbaus reicht in die Keltenzeit zurück, der moderne Steinbruchbetrieb setzte 1898 ein, als der Oberlinxweiler Lehrer Brand in der Gewann Röhlenberg mit dem Gesteinsabbau begann. Der Steinbruch am Spiemont ist noch heute in Betrieb. Von 1920 bis 1971 wurde auch auf dem Steinberg Gestein abgebaut. Heute ist dort ein Landschaftsschutzgebiet, das seltene, vom Aussterben bedrohte Tierarten beheimatet.

Da viele Arbeitskräfte mit dem Zug anreisten, erhielt Oberlinxweiler kurz vor dem Ersten Weltkrieg seine lange geforderte Haltestelle, während in Niederlinxweiler lange zuvor bereits ein Haltepunkt existierte. Seit 1971 besitzt Oberlinxweiler ein Gemeindewappen, das auf einen Entwurf des Heimatforschers Heinrich Schwingel zurückgeht. Es enthält die wesentlichen Merkmale des Dorfes. Dargestellt ist die dreibogige Bliesbrücke (im Volksmund Römerbrücke genannt), die Ende der 1970er-Jahre im Zuge der Umleitung der Blies und dem Bau der B 41 abgerissen wurde. Das fünfspeichige Mühlenrad steht für die ehemals fünf Mühlen im Dorf – drei existieren heute noch. An der Hochmühle im kulturellen Zentrum nagt der Zahn der Zeit jedoch ebenso an der Bausubstanz wie an Wollwewersch Mühle neben der Reithalle. Als einzige Mühle ist noch die Walkmühle am Ortsausgang nach Remmesweiler bewohnt. Sie wird weiterhin landwirtschaftlich betrieben.

Neue Wohngebiete sind im Eckenthal, auf dem Hirschberg und zuletzt Auf der Ha entstanden. Während die Bevölkerungszahl ständig wächst, ist die Zahl der Geschäfte in den vergangenen Jahrzehnten rapide geschrumpft. „Fünf Tante-Emma-Läden und noch mehr Kneipen gab es noch bis in die 1970er-Jahre“, erzählt der Sprecher.

 Das letzte Jubiläum wurde 1982 gefeiert: Das Foto zeigt den Eingang zum Festplatz bei der 1111-Jahr-Feier.

Das letzte Jubiläum wurde 1982 gefeiert: Das Foto zeigt den Eingang zum Festplatz bei der 1111-Jahr-Feier.

Foto: Archiv Verein für Orts- und Familiengeschichte

Oberlinxweiler ist zentraler Schulstandort. Die Grundschüler der Nachbardörfer Niederlinxweiler und Remmesweiler erlernen dort das ABC. 1982 wurde unter Beteiligung von mehr als 300 Ehrenamtlichen die 1111-Jahr-Feier, das letzte große Jubiläum, gefeiert. Dass dies in diesem Jahr anlässlich des 1150-jährigen Bestehens nicht der Fall ist, ist nicht allein Corona geschuldet. „Heutzutage ist es schwer, zu einem Dorffest auch nur eine annähernd so große Zahl an Ehrenamtlichen zu mobilisieren“, erzählt Stefan Blasius vom örtlichen historischen Verein. „Das Engagement in den Vereinen ist leider nicht so ungebrochen wie die Feierlaune.“

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