Milch geht den Bach runter

St Wendel · Der Verfall des Milchpreises ist auch in der Region angekommen. Die Landwirte im St. Wendeler Land sind am Ende. Vom Milchverkauf können sie kaum noch leben. Das Angebot ist hoch, die Nachfrage niedrig.

 Das Angebot ist reichlich, Preis und Nachfrage sind gering. Milchwirtschaft lohnt sich nicht mehr. Foto: Ingo Wagner/dpa

Das Angebot ist reichlich, Preis und Nachfrage sind gering. Milchwirtschaft lohnt sich nicht mehr. Foto: Ingo Wagner/dpa

Foto: Ingo Wagner/dpa

Heute, am Tag der Milch , ist der weiße Durstlöscher billig wie nie. Die Folge: Immer mehr Landwirte müssen ihren Betrieb aufgeben. "Bei den meisten Milchviehhaltern sind die Reserven aufgebraucht", sagt Peter Scherer, Kreisvorsitzender des Bauernverbandes St. Wendel . In den vergangenen zwölf Monaten lag der Grundpreis für einen Liter Milch im Schnitt bei 28,5 Cent. "Seit Januar dieses Jahres erlebten wir gleich drei Preissenkungen. Im Mai waren wir bei 21 Cent pro Liter", berichtet er. Viele Landwirte seien frustriert.

Es gibt 35 Milchviehbetriebe im Landkreis St. Wendel . Zusammen halten sie circa 2800 Milchkühe und bewirtschaften 4500 Hektar Land. "Diese Flächen werden zu 66 Prozent als Grünland genutzt, auf dem Rest wird Ackerbau betrieben", erklärt Scherer. Die Milchproduktion sei die Haupteinkommensquelle der meisten Bauern im St. Wendeler Land.

Auch Georg Ostermann verdient damit seinen Lebensunterhalt. 180 Kühe hält er auf seinem Hof in Schwarzenbach. "Meine Eltern haben ihn 1973 aufgebaut. Im Jahr 2003 habe ich ihn übernommen", erzählt Ostermann. Er denkt gerne an die früheren Zeiten zurück. Damals habe es noch deutlich weniger Auflagen gegeben. Außerdem sei das Wetter besser gewesen. "Damals war es noch leichter, von der Landwirtschaft zu leben", erinnert sich Ostermann. Auch ihm machen die Milchpreise zu schaffen. Doch er versucht, das Ganze positiv zu sehen: "Es gab immer mal Zeiten, in denen die Preise hoch waren und Zeiten, in denen sie niedrig waren." Ostermann berichtet von 2009. Etwa zwölf Monate lang erhielten die Bauern rund 24 Cent pro Liter.

Schwierige Zeiten

"Das war eine schwere Zeit, aber dieses Jahr wird es noch schwerer", sagt er, "denn in den vergangen sieben Jahren sind unsere Kosten höher geworden." Aber warum ist der Milchpreis so niedrig? Ostermann sieht eine Ursache in der abgeschafften Milchquote. Bis 2015 schränkte die EU die Milchproduktion ein. Jedem Mitgliedsstaat wurde eine feste Produktionsquote zugewiesen. Ostermann erläutert: "Seitdem es diese Quote nicht mehr gibt, kann jeder so viel produzieren, wie er will. Deshalb ist momentan so ein großes Angebot da." Peter Scherer hält hingegen den Rückgang der Nachfrage auf dem Weltmilchmarkt für das Hauptproblem. Für Russland gebe es ein Embargo, und auch China habe trotz Bedarf die Einfuhr gesenkt. "In zahlreichen Betrieben ist mittlerweile nicht einmal mehr Geld da, um Kraftfutter für die Tiere zu kaufen", berichtet Scherer. Das könne zu einer Senkung der Milchproduktion führen. Hinzu komme, dass einige Betriebe Tiere verkaufen müssten, um ihre finanziellen Verpflichtungen erfüllen zu können. "Ich hoffe, dass sich der Milchverbrauch durch die günstigen Preise belebt. Die Nachfrage wird weltweit auch wieder ansteigen, aber niemand kann sagen, wann das sein wird", erläutert Scherer.

Da sich die Getreidepreise in den vergangenen drei Jahren halbiert haben, sei auch der Getreideanbau keine Alternative. Die Konsequent: Viele junge Menschen wollen keine Ausbildung mehr in der Landwirtschaft beginnen. Die ungewisse Zukunft schreckt sie ab. Auch die beiden Kinder von Milchbauer Ostermann werden den Betrieb nicht weiterführen. "Sie hätten zwar Interesse daran. Aber sie haben Berufe, in denen sie leichter Geld verdienen können", erklärt Ostermann. Findet er keinen Nachfolger, wird er seinen Betrieb in zehn Jahren schließen müssen. Ein Schicksal, das laut Scherer vielen Landwirten droht.

Meinung:

Solidarität ist gefragt

Von SZ-Mitarbeiterin Sarah Konrad

21 Cent erhalten die Bauern für den Liter Milch . Kein Betrieb kann davon überleben. Um ihre Höfe am Laufen zu halten, bräuchten die Landwirte mindestens 40 Cent pro Liter. Erste Folgen der niedrigen Milchpreise sind bereits sichtbar. Den Bauern geht das Geld für Kraftfutter aus. Immer mehr Landwirte müssen ihre Tiere abgeben. Höfe schließen, Erben wollen die Betriebe nicht übernehmen. Die meisten Verbraucher interessiert das nicht. Joghurt, Käse, Kakao - Hauptsache billig. Ein schlechtes Gewissen haben sie beim Kauf von Milchprodukten nur selten. Schuld an der Krise sind ohnehin andere. Etwa Politiker, die die Milchquote abgeschafft haben. Oder die Supermärkte mit ihrem ewigen Preiskampf. Und dann sind da noch Russland und China; die beiden Länder haben die Einfuhr unterbunden oder gesenkt. Doch bei den ganzen Schuldzuweisungen vergessen die Verbraucher eines: Sie könnten über die Zukunft der Landwirtschaft entscheiden, indem sie sich solidarisieren und fair gehandelte Milch kaufen. Damit unterstützen sie auch bäuerliche Familienbetriebe, die teils über Generationen hinweg bestehen. Sie lassen so einen Teil unserer Kultur weiterleben. Und das für 20 Cent mehr pro Liter.

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