Barrierefreiheit Ein Stadtbesuch mit Hindernissen

St. Wendel · Drei Senioren wollten sich St. Wendel ansehen. Der Weg vom Bahnhof in die Innenstadt wurde für die Gehbehinderten zum Problem.

 Ist der St. Wendeler Bahnhof wirklich behindertengerecht? Die kurze, steile Rampe im Inneren des Gebäudes ist für Rollstuhlfahrer alleine nur mit größten Bemühungen zu schaffen. Selbst mit Unterstützung ist diese Rampe keine leichte Hürde, wie unser Symbolfoto zeigt.

Ist der St. Wendeler Bahnhof wirklich behindertengerecht? Die kurze, steile Rampe im Inneren des Gebäudes ist für Rollstuhlfahrer alleine nur mit größten Bemühungen zu schaffen. Selbst mit Unterstützung ist diese Rampe keine leichte Hürde, wie unser Symbolfoto zeigt.

Foto: B&K/Bonenberger/

Friedrich Ebert hatte alles gut geplant. Seinen Freunden aus Dietzenbach im Rhein-Main-Gebiet wollte er zeigen, wie schön das Saarland ist. Auch ein Ausflug nach St. Wendel gehörte zum Programm. „Ich wählte die Stadt aus, weil sie mir als Metropole im Nordsaarland so gut gefällt“, sagt Ebert. Womit der Senior nicht gerechnet hatte: Es sollte eine Besichtigungstour mit Hindernissen werden.

Seine Gäste, ein Ehepaar, sind gehbehindert. Die 83-jährige Frau zu 100 Prozent, ihr 85-jähriger Mann zu 80 Prozent. Trotz seines Handicaps bewegt der Rentner seine Frau für gewöhnlich im Rollstuhl von A nach B. „Als wir am Hauptbahnhof St. Wendel ankamen, fingen für die nicht Muckibuden gestählten Alten fast unlösbare und halsbrecherische Probleme an“, erzählt Ebert. Denn der Weg vom Ankunftssteig ins Stadtzentrum sei nicht barrierefrei. „Da ist zunächst eine noch halbwegs moderate schiefe Ebene, danach eine kurze noch schrägere Rampe zu bewältigen, bei der ein Sturz fast vorprogrammiert ist“, findet er. Die Unterführung selbst sei in Ordnung, aber der Aufstieg eine Herausforderung. Eberts Meinung nach müsse da eine gesunde Person schon Kraft aufwenden, um ihn zu bewältigen.

Er fragt sich nun, warum es weder am St. Wendeler Bahnhof, noch in der Unterführung Aufzüge gibt. Schließlich hätten inzwischen selbst die beiden Regional-Express-Haltepunkte in Neubrücke und Türkismühle einen Fahrstuhl. Die Deutsche Bahn (DB) weiß um die Situation im St. Wendeler Bahnhof. Ein Sprecher bestätigte, dass es dort keine Aufzüge gibt und die Stufenfreiheit durch Rampen sichergestellt ist. Er erklärt auf SZ-Anfrage: „Gemeinsam mit dem Saarland ist die Deutsche Bahn überein gekommen, dass andere Verkehrsstationen, die noch nicht stufenfrei erschlossen sind, mit Aufzügen oder Rampen ausgerüstet werden, bevor man die Situation in St. Wendel erneut begutachtet.“ Für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste habe die Bahn die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) eingerichtet. Hier unterstützen DB-Mitarbeiter Reisende bei der gesamten Planung. „Die besten Verbindungen werden herausgesucht, die notwendigen Hilfen beim Ein- und Aussteigen organisiert und Fahrkarten und Reservierungen auf Wunsch mit der Post beziehungsweise online zugeschickt oder am DB-Automaten hinterlegt“, erklärt der Sprecher. Um diese Hilfestellungen in Anspruch zu nehmen, müssten sich die Fahrgäste anmelden (siehe Info). Wie er weiter mitteilt, begleiten die DB-Mitarbeiter die gehbehinderten Reisenden auf Wunsch auch aus der Verkehrsstation heraus.

Die Unterführung vorm St. Wendeler Bahnhof zählt jedoch nicht mehr zum Zuständigkeitsbereich der Bahn. Denn dabei handelt es sich um ein Bauwerk der saarländischen Straßenbauverwaltung. „Gemäß Vereinbarung mit der Stadt St. Wendel wurde die Unterführung mit Treppen und Rampen gebaut, um die Verkehrsverhältnisse im Bereich Bahnhof für die Fußgänger zu verbessern“, erklärt Klaus Kosok, Sprecher des Landesbetriebes für Straßenbau (LfS). Der Durchlass stamme aus dem Jahr 1970. Zu diesem Zeitpunkt habe es kein Regelwerk über barrierefreies Bauen gegeben, wie es heute vorliegt. „Die bestehenden Rampen haben eine Steigung von zirka zwölf Prozent. Warum kein Aufzug geplant/gebaut wurde, entzieht sich unserer Kenntnis“, sagt Kosok weiter. Er gibt jedoch zu, dass die fehlende Barrierefreiheit sowohl der Straßenbauverwaltung als auch der Stadt St. Wendel bekannt ist. Deren Pressesprecher erläutert, dass es zurzeit keine konkreten Planungen gebe, die Fußgängerführung am Knotenpunkt Bahnhofstraße/Mommstraße zu überarbeiten.

Ebert und seine Freunde werden sich also auch bei zukünftigen Besuchen auf Hindernisse einstellen müssen. Er befürchtet, am Bahnhof in St. Wendel wird sich erst etwas ändern, wenn es zu spät ist. Sprich eine Person auf den Treppen oder steilen Rampen stürzt und sich ernsthaft verletzt. Der SZ-Leser-Reporter erinnert an einen Fall in Münster. Dort ist vor neun Jahren ein 79-Jähriger die Treppen hinunter gefallen und gestorben. Einen Fahrstuhl oder eine Rolltreppe habe es in der Station zu diesem Zeitpunkt auch nicht gegeben. Ebert fragt: „Will die Deutsche Bahn wie in Münster erst den schlimmsten Fall abwarten, bis es zum Bau des dringend notwendigen Aufzuges kommt?“

 Diese Steigung müssen gehbehinderte Personen bezwingen, wenn sie vom Bahnhof in St. Wendel Richtung Innenstadt möchten.

Diese Steigung müssen gehbehinderte Personen bezwingen, wenn sie vom Bahnhof in St. Wendel Richtung Innenstadt möchten.

Foto: Sarah Konrad
 Diese Steigung müssen gehbehinderte Personen bezwingen, wenn sie vom Bahnhof in St. Wendel Richtung Innenstadt möchten. Foto: Sarah Konrad

Diese Steigung müssen gehbehinderte Personen bezwingen, wenn sie vom Bahnhof in St. Wendel Richtung Innenstadt möchten. Foto: Sarah Konrad

Foto: Sarah Konrad

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