Projekten mit Lernorten interessant für Nachbarkommunen St. Wendeler Bildungsnetzwerk macht Schule

St. Wendel · Noch ein Ordner mit allen außerschulischen Lernorten muss überreicht werden. Dann sind alle Kommunen im Landkreis St. Wendel versorgt. Diesem Beispiel wollen jetzt die Birkenfelder Nachbarn folgen.

 Ausstaffiert wie echte Imker lernen die Kinder von den Mönchen der Abtei Tholey Wissenwertes über den Umgang mit Bienen.

Ausstaffiert wie echte Imker lernen die Kinder von den Mönchen der Abtei Tholey Wissenwertes über den Umgang mit Bienen.

Foto: Eva Henn

Sie sind gut gefüllt, die einzelnen Ordner der Gemeinden im Landkreis St. Wendel. Aber ein bisschen Platz ist noch übrig. Muss auch. Wegen neuer Ideen. In sieben Kommunen sind sie schon im Einsatz. Namborn fehlt noch. „Den Ordner werden wir demnächst überreichen“, sagt Landrat Udo Recktenwald (CDU). Dann ist es lückenlos: das Bildungsnetzwerk im St. Wendeler Land.

Seit 2012 gibt es das Projekt bereits, angedockt an die Kulturlandschaftsinitiative St. Wendeler Land (Kulani) und finanziert mit Leader-Mitteln der Europäischen Union. In der ersten Förderphase gab es laut Recktenwald 190 000 Euro, in der zweiten Phase (2015 bis 2020) stehen 300 000 Euro zur Verfügung. „Es geht darum, Kitas und Schulen mit außerschulischen Lernorten zusammenzubringen“, erläutert der Landrat die Idee hinter dem Netzwerk. Heimatkunde oder der Ausflug zum Bauern in die Nachbarschaft seien früher gang und gäbe gewesen. Heute würde dies vernachlässigt. „Dabei ist gerade in unserer digitalen Welt das Haptische umso wichtiger“, sagt Thomas Gebel, Vorsitzender der Kulani. Statt also beispielsweise Pflanzenkunde mithilfe von Bildern im Klassensaal zu vermitteln, haben die Lehrer die Chance, raus zu gehen, sodass die Kinder die Natur an einem Lernort hautnah erleben.

 Gemeinsam geht es auf Entdeckungstour durch den Wald.

Gemeinsam geht es auf Entdeckungstour durch den Wald.

Foto: Eva Henn

70 solcher Lernorte mit kreisweiter Bedeutung und 100 gemeinde-
spezifische gibt es laut Recktenwald. Sie alle sind sortiert und in den einzelnen Ordnern aufgelistet. Und zwar nach Kategorien wie „Natur“ oder „Kulturelles Erbe“. „Das sind alles Themenfelder, die sich auch in den Lehrplänen finden“, erläutert Eva Henn. Sie ist die Koordinatorin des Bildungsnetzwerkes. Dadurch, dass die außerschulischen Lernorte thematisch auf den Lehrplan abgestimmt sind, entsteht kein Mehraufwand. „Es ist vielmehr eine sinnvolle Ergänzung mit Spaßfaktor“, findet Henn. Der Ordner bringt aber noch einen weiteren Vorteil für Erzieher und Lehrer: Alle Ansprechnpartner sind aufgelistet. Wenn die Pädagogen früher einer Ausflug planten, mussten sie sich durchfragen. Und wer habe nach mehreren Absagen, noch die Energie und Zeit weiter nach Ansprechpartnern zu suchen?

 Eva Henn ist die Koordinatorin des Bildungsnetzwerkes. Dadurch, dass die außerschulischen Lernorte thematisch auf den Lehrplan abgestimmt sind, charakterisiert Henn sie als „sinnvolle Ergänzung mit Spaßfaktor“.  Foto: Faber

Eva Henn ist die Koordinatorin des Bildungsnetzwerkes. Dadurch, dass die außerschulischen Lernorte thematisch auf den Lehrplan abgestimmt sind, charakterisiert Henn sie als „sinnvolle Ergänzung mit Spaßfaktor“. Foto: Faber

Foto: Frank Faber

Jetzt hingegen könnten sie sich sicher sein, die Personen, die in den Ordnern angegeben sind, vermitteln ihr Wissen gerne und zielgerichtet an Kinder und Jugendliche. „Alle Lernorte werden qualifiziert betreut“, betont Gebel. Aber eben auch von Ehrenamtlern. Daher sei es wichtig, dass sie nicht sich selbst überlassen werden. „Ein solches Netzwerk braucht einen Kümmerer. Und das ist Eva Henn“, sagt der Kulani-Vorsitzende.

Von Anfang an beim Bildungsnetzwerk engagiert, waren Imker. Seit zwei Jahren gibt es das „Bienenjahr“, bei dem Schüler die Gelegenheit haben, ein Bienenvolk durch Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter zu beobachten und zu begleiten. „Alleine die Schutzanzüge machen was daher und die Kinder fühlen sich wie kleine Imker“, weiß Henn. Sie sieht in den außerschulischen Lernorten noch einen besonderen Mehrwert. „Schüler, die sich im Unterricht oft nicht so einbringen, reagieren bei solchen Projekten ganz anders“, weiß Henn. Das liege auch daran, dass der Ehrenamtler ganz unvoreingenommen auf die Kinder zugeht. Das tue dem ein oder anderen Schüler gut und er tanke so neues Selbstvertrauen. Ein weiterer Effekt sei, dass die lokalen Anbieter ins Gespräch kommen. „Die Schüler gehen nach Hause und sagen zu den Eltern: ,Wir kaufen den Honig nur bei Onkel Gerd’“, berichtet Henn. Denn die Kinder dürfen die süße, klebrige Masse direkt aus der Schleuder probieren.

„Ein Bewusstsein für die Region schaffen“, sei ihm ein großes Anliegen, sagt Recktenwald. Der Landrat ist überzeugt, dass dies funktioniert, wenn die Menschen von klein auf lernen, was Regionalentwicklung bedeutet und warum der Landkreis beispielsweise Blühwiesen pflanzt. So wird aus Verstehen Verständnis für die eigene Heimat. „Und wenn Kinder und Jugendliche das Besondere in ihrer Heimat kennen lernen, sind sie als Erwachsene eher geneigt, hier ihre Ausbildung zu machen oder nach dem Studium zurückzukehren“, ist Gebel überzeugt.

Das Bildungsnetzwerk hat inzwischen sogar schon Nachahmer gefunden. Im Landkreis Birkenfeld soll ebenfalls ein solches Netzwerk aufgebaut werden. Für Gebel ist es ein spannender Prozess, zu sehen, wie die Nachbarn die Sache angehen. „Es braucht auf jeden Fall Zeit und einen Kümmerer“, sagt er. Einmal im Quartal wolle man sich mit den Verantwortlichen in Birkenfeld zum Austausch treffen. Der Blick über die Landkreis-Grenzen hinweg findet sich auch an anderer Stelle im Bildungsnetzwerk. Denn Eva Henn hat in den Ordnern auch Lernorte wie das Umwelt- und Freizeitzentrum Finkenrech oder den Umwelt-Campus in Neubrücke aufgenommen.

Wenn Landrat Recktenwald den letzten noch fehlenden Lernorte-Ordner demnächst an die Gemeinde Namborn überreicht, wird dieser auch gleich um ein Stichwort erweitert sein: Erinnerungskultur. „Darin ergeben sich vielfältige Themen. Nicht nur was den Zweiten Weltkrieg betrifft. Auch das Thema Bergbau sehe ich dort“, erläutert Recktenwald. Ein Erinnerungsweg in Sötern, das Adolf-Bender-Zentrum oder den Verein Wider das Vergessen und gegen Rassismus nennt Eva Henn schon mal beispielhaft als Partner der außerschulischen Lernorte im neuen Themenkomplex.

Neben dem direkten Erleben funktioniert Bildung auch durch Lesen. Daher gehört auch das Aufstellen von Bücherbäumen zum Projekt. Für jeden dieser Bäume gibt es einen Betreuer. „Die Rückmeldungen sind positiv. Das Angebot wird genutzt“, sagt Henn. Wobei stets ein Mangel an Kinderbüchern herrsche. Erwachsenenliteratur gebe es zu Hauf. In den öffentlichen Bücherschränken können sich Leseratten Bücher ausleihen oder bereits gelesene Geschichten reinstellen. So gibt es immer wieder neuen Lesestoff.

Unter dem Titel „Draußenwirkung“ haben das Bildungsministerium und das Landesinstitut für Pädagogik und Medien eine Broschüre herausgebracht, die sich mit der Frage beschäftigt: Was tun am Wandertag? Auf knapp 80 Seiten sind jede Mange Ideen und Tipps zusammengestellt. Auch das Bildungsnetzwerk St. Wendeler Land mit seinen außerschulischen Lernorten wird darin vorgestellt.

www.bildungsnetzwerk-swl.de

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