Landesseniorentag Stehen Senioren im digitalen Abseits?

St. Wendel · Ein Mediengerontologe von der Universität Heidelberg referiert beim Landesseniorentag über Modelle zur Stärkung digitaler und sozialer Teilhabe älterer Menschen im ländlichen Raum.

 Der Mediengerontoge Michael Doh referierte beim dritten Landesseniorentag im St. Wendeler Saalbau.

Der Mediengerontoge Michael Doh referierte beim dritten Landesseniorentag im St. Wendeler Saalbau.

Foto: Frank Faber

Deutschlands Schulen sind digital abgehängt. Zu diesem Fazit kommt der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitcom) in einer eigens durchgeführten Studie. Hoppla. Und wie sieht es denn da bei der fortschreitenden Digitalisierung im Vergleich mit den älteren Menschen aus, die im ländlichen Raum leben? Stehen die Senioren etwa schon ganz im Abseits? „Die Idee ist, dass wir neue Möglichkeiten schaffen durch die Digitale auch wieder analoge Teilhabe gewährleisten können“, sagte Michael Doh.

Der Mediengerontologe an der Universität Heidelberg referierte beim dritten Landesseniorentag im St. Wendeler Saalbau über innovative Modelle zur Stärkung digitaler und sozialer Teilhabe älterer Menschen im ländlichen Raum. „Dass jemand, der digital nicht teilnimmt, sozial ausgeschlossen ist, ist nicht neu“, stellte der Referent fest, dass jeder Smartphone-Besitzer bereits digital dazugehöre. Im achten Altenbericht schneidet Deutschland europaweit bei der Digitalisierung mit Platz zehn schwach ab. „Über viele Jahre ist es versäumt worden, die Digitalisierung anzuregen. Auch ältere Arbeitnehmer sind nicht miteinbezogen worden“, bemängelte der Gerontologe.

Rund 80 Prozent der Deutschen im Alter zwischen 60 und 69 Jahren seien laut einer Statistik mittlerweile online unterwegs. Dies entspreche 13 Millionen Menschen. Mit 65,1 Prozent (zuvor 55 Prozent) hat das Saarland bei den sogenannten Onliner-Senioren im Alter ab 60 Jahre in den vergangenen Jahren wie kein anderes Bundesland zugelegt. „Gerade ältere Personen nutzen aber auch heute noch weniger das Internet, als jüngere Personen. So besteht weiterhin eine hohe digitale Kluft zwischen Alt und Jung“, räumte Doh ein. Deshalb plädierte er, ähnlich wie Schulen, auch Pflegeeinrichtungen digital auszurüsten. Denn eine Sensibilisierung älterer Menschen für das Thema und die Aufklärung über die Potenziale des Internets für deren Lebensgestaltung müsse stärker beachtet werden. „Beispielsweise können formell kleine Lerngruppen entstehen, in denen die neuen Technologien vermittelt werden“, regte Doh als Vorschlag an.

Dies könne mit dem Peer-to-Peer-Modell (Gleichgestellte) funktionieren. Der Vorteil. „Dabei vermitteln ältere Menschen, die eine gemeinsame Sprache sprechen. Sie nehmen die Befürchtungen und Ängste des Gegenübers deutlicher wahr und bringen auch mehr Zeit mit“, meinte der Mediengerontologe. Ein Musterbeispiel der digitalen Nachbarschaftshilfe stellt sich für ihn wie folgt dar: „Die Menschen treffen sich digital und haben zudem die Gelegenheit noch analog die Zeit für Gespräche zu nutzen“.

Ab Juni soll im Saarland das Programm „Digitaler Kompass“ angeboten werden und wie bereits seit dem Herbst 2018 in Rheinland-Pfalz praktiziert, digitale Botschafter ausgebildet werden. „Dabei ist eine Kooperation von Haupt- und Ehrenamt ganz wichtig, denn es muss eine Rückkoppelung an die Kommune stattfinden“, betonte Doh. Ein Manko seien allerdings die Kosten der technischen Infrastruktur wie die Anschaffung von Tabletts. „Ein Leasing-Modell könnte dabei helfen“, findet der Dozent.

Unter dem Motto „Mobil, digital und regional“ bot der Landesseniorentag Infos und Anregungen für die Gestaltung des regionalen, sozialen und digitalen Lebensumfelds älterer Menschen an. Des Weiteren wurde über die digitalen Chancen für den ländlichen Raum informiert, etwa durch neue Angebote der Daseins- und Gesundheitsversorgung ebenso wie zu alternativen Einkaufsmöglichkeiten auf „digitalen Marktplätzen“ und Begegnungen in virtuellen Mehrgenerationenhäusern. Musik gab´s von Martina Veit, Ya-Weng Yang und Brill Alarm.

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