Kurde lehrt türkisches Kulturgut

St. Wendel · Wertschätzung für andere Kulturen, Inklusion: Für Ralph Schäfer-Lösch ist das neue Angebot an der Fun-Music-School mehr als Musik. Ab Januar gibt dort . Hasan Hüseyin Talaz Saz-Unterricht.

Er ist Kurde und zitiert Goethe. Hasan Hüseyin Talaz unterrichtet ab sofort an der Fun-Music-School (FMS) in St. Wendel das Instrument Saz (türkische Langhalslaute). Er sieht darin, genau wie FMS-Leiter Ralph Schäfer-Lösch, aber mehr als reinen Musikunterricht. Weshalb er an den großen deutschen Dichter erinnert. Talaz: "Goethe sagte, dass einem der Reichtum seiner Kultur erst dann bewusst ist, wenn man sich mit anderen Kulturen austauscht." Und genau das will er tun.

Die FMS sei die erste Musikschule im Saarland, die Saz-Unterricht anbietet - die nächste sei in Mannheim. Talaz sieht darin eine echte Bereicherung für St. Wendel , für das Saarland, aber auch für das Instrument. Denn dadurch werde es bekannter und vielleicht auch von Menschen gespielt, die es bisher noch nicht gekannt haben. "Wir bereichern uns gegenseitig", sagt Talaz. "Ich hoffe, dass sich dieses Instrument in seiner Schönheit einen festen Platz in Deutschland erarbeitet."

Saz, auch Baglama oder Tembur genannt, ist ein Zupfinstrument aus Holz. Der Sound ähnelt einem Cembalo. Es hat einen schmalen Hals und meist sieben Saiten. "Es fühlt sich an, als würde man in Watte spielen, die Saiten sind so weich, genau wie das Plektron", erklärt Schäfer-Lösch, der das Spielen auf einer Saz in Zukunft ebenfalls erlernen möchte.

Talaz ist Kurde und Alevite. Bei den Aleviten spiele Musik eine sehr große Rolle. Die Saz werde in Glaubensversammlungen gespielt, sie sei wichtig für rituelle Tänze. Er selbst habe erst mit 17 angefangen zu spielen. In Deutschland sei es für ihn aber schwer gewesen, professionell Unterricht zu nehmen. Es gab kein Angebot. Der heute 33-jährige Kurde kam mit sieben Jahren als Flüchtling nach Deutschland. Er lebt in Saarbrücken. Talaz wollte sich nicht damit abfinden, das Instrument nicht erlernen zu können. 2004 ging er nach Istanbul, um sich unterrichten zu lassen. Außerdem habe er in Büchern recherchiert, sich vieles selbst beigebracht. Vor zwölf Jahren war er soweit: Er entschloss sich, selbst Saz-Unterricht zu geben. Hat mittlerweile Unterrichtsräume in Merzig, St. Wendel , Völklingen und Saarbrücken. Mehr als 100 Schüler kommen zu ihm. In diesen zwölf Jahren habe er erst zwei Deutsche unterrichtet, meist kommen türkisch-kurdisch-stämmige Schüler zu ihm, aber auch Afghanen. Im aktuellen Kurs sind zwei syrische Flüchtlinge.

Mit dem Andocken an eine Musikschule erhofft sich Talaz mehr Deutsche für sein Instrument begeistern zu können. Vielleicht sehe oder höre ein anderer Schüler, der gerade zum Gitarren- oder Klavierunterricht geht, das hier noch recht unbekannte Instrument. Vielleicht werde dann sein Interesse geweckt. Vielleicht sei es aber auch umbekehrt: Ein türkisch-kurdisch-stämmiger Saz-Schüler höre zufällig Klavier - und sei begeistert.

Schäfer-Lösch spricht in diesem Zusammenhang von Inklusion. Er möchte in der FMS auf aktuelle Entwicklungen reagieren, möchte Instrumente anbieten, die im Landkreis gespielt werden. Schäfer-Lösch: "Das ist nicht nur ein großer interkultureller Wurf im Landkreis, damit nehmen wir eine Ausnahmestellung in Deutschland ein." Denn an der FMS werden auch andere Instrumente aus dem arabischen Raum gelehrt. "Wir sind damit die einzige Musikschule im Saarland, die sich interkulturell ins Zeug legt, den diesbezüglichen Fächerkanon sukzessive ausbaut und damit konform mit der bundesdeutschen Inklusionspolitik geht", sagt Schäfer-Lösch. Und er ist sich sicher: Ist das Angebot erst einmal da, wird es auch angenommen. Für den neuen Kurs, der im Januar startet, liegen bereits 25 Anmeldungen vor. Unterrichtet werden beispielsweise auch Ukulele und Darbuka. Die Schüler der jeweiligen Kurse will Schäfer-Lösch zusammenbringen: "Dann kriegen wir ein Ensemble zusammen, wie es St. Wendel noch nie gehört hat."

fun-music-school.de

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