Ju-Jutsu Kanadische Judoka auf Stippvisite im Saarland

St. Wendel · Beim Besuch in der alten Heimat brachte Torsten Diesel seine Kampfsport-Freunde aus Übersee mit.

 Das gemeinsame Training machte allen Beteilgten sichtbar Spaß.

Das gemeinsame Training machte allen Beteilgten sichtbar Spaß.

Foto: Gaby Rammacher

Vier Stunden Inlandsflug bis Ottawa, von dort ging es weiter nach Montreal. Der Anschlussflug brauchte sieben Stunden. Dann landete die Maschine auf dem Frankfurter Flughafen. Zwei Stunden Zugfahrt obendrauf und schon waren acht kanadische Judoka an ihrem Ziel angelangt: in St. Wendel, wo sie am Bahnhof die Familie Diesel aus Niederlinxweiler in Empfang nahm. Einige Mitglieder des St. Wendeler Ju-Jutsu-Vereins warteten ebenfalls bereits an der Bahnsteigkante.

Der Ju-Jutsu-Verein St. Wendel ist der Heimatverein von Torsten Diesel. Den Niederlinxweiler hat es aus beruflichen Gründen vor Jahren schon nach Kanada verschlagen. Nun war er auf Heimatbesuch und hatte seine neuen Sportkollegen im Schlepptau. Der studierte Ethnologe Diesel, so berichtet Gabriele Rammacher vom Ju-Jutsu-Verein, „hatte schon immer ein besonderes Interesse für die arktischen Regionen und indigene Kulturen.“ Nach zahlreichen Aufenthalten in Alaska und verschiedenen Regionen Kanadas sei er vor fünf Jahren nach Iqaluit aufgebrochen, der Baffininsel im Nordosten Kanadas. Dort ist er für den „Inuit Heritage Trust“ tätig, einer Regierungseinrichtung, die sich mit der Erforschung und Bewahrung der Inuit-Kultur befasst. Saarländische Wintertemperaturen um den Gefrierpunkt kamen den Gästen aus dem Norden Kanadas beinahe wie eine Hitzewelle vor. In ihrer Heimat herrschen aktuell Temperaturen von 30 bis 40 Grad Minus.

Jedenfalls eignete sich Diesel an seinem neuen Lebensmittelpunkt auch neue Fertigkeiten an. Er lernte einen Hundeschlitten zu steuern, zu jagen oder Felle zu bearbeiten. Ganz wollte der ehemalige Ju-Jutsu-Wettkämpfer und -Trainer aber nicht auf sein altes Hobby verzichten. Einen Ju-Jutsu Verein habe er in der Abgeschiedenheit von Baffin-Island zwar nicht gefunden, berichtet Rammacher, dafür aber den Weg zu Nunavut Judo. Nunavut Judo startete vor bald zwanzig Jahren als ein Förderprogramm für gefährdete Jugendliche. In einer Gegend, in der es keine Industrie gibt, in der man keine Landwirtschaft betreiben kann und wo nur einige Minen und etwas Tourismus betrieben werden, fehle es an Arbeitsplätzen und Perspektiven, gerade für junge Menschen. Die Gefahr, gesellschaftlich abzurutschen, sei groß. Nunavut Judo hat das Ziel, dem etwas entgegenzusetzen, die Kinder und Jugendlichen sollen weg von der Straße.

Mittlerweile sei der Verein mit seinen neunzig Mitgliedern bei einer Bevölkerungszahl von nicht ganz 7000 offen für alle Interessierten. Kinder mit sozialen und persönlichen Problemen gebe es immer noch. Ebenso Familien, die sich die Vereinsbeiträge nicht leisten können. Aber auf das Geld verzichte der Verein dann eben und die Kinder würden ebenso integriert wie einige Kinder mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Diese Erfahrung von Zuhause mag erklären, warum das erste gemeinsame Training in St. Wendel mit der Judo-Gruppe der Lebenshilfe, die dem Ju-Jutsu Verein angegliedert ist, unter Leitung von Peter Frank „gänzlich unproblematisch und in völlig entspannter Atmosphäre verlief“, berichtet Rammacher.

Deutsch, Englisch, Hände, Füße – alles sei von Trainer Peter Frank zur Kommunikation genutzt worden, um die jeweilige Übung zu erklären. „Deutsche und Kanadier, Menschen mit und ohne Einschränkung, Junge und Alte mischten sich ohne erkennbare Berührungsängste und trainierten gemeinsam mit sehr viel Spaß und gegenseitiger Anerkennung“, schwärmt die Ju-Jutsu-Pressereferentin. Rammacher berichet auch, dass die Judo-Gruppe der Lebenshilfe vor mehr als zwanzig Jahren mit dem Anspruch gegründet wurde, psychische und körperliche Ängste abzubauen, die Koordination und den Gleichgewichtssinn zu verbessern sowie eine Auszeit vom Alltag zu ermöglichen und Spaß zu haben. „Aber es gibt durchaus auch sportliche Ansprüche.“ Die Mitglieder der Judo-Gruppe würden auch Gürtelprüfungen mit angepassten Anforderungen ablegen.

Die kanadischen Gäste standen  auch an den Folgetagen am frühen Abend immer voller Energie auf der Matte, wobei verschiedene Trainer abwechselnd Judo-Techniken und Besonderheiten des Ju-Jutsu zeigten. Auch hier hätten die Kommunikation und das Miteinander mühelos funktioniert.

 Torsten Diesel unterwegs in der ebenso winterlichen wie imposanten, aber auch eiskalten Landschaft von Kanada.

Torsten Diesel unterwegs in der ebenso winterlichen wie imposanten, aber auch eiskalten Landschaft von Kanada.

Foto: Torsten Diesel

Aber es wurde nicht nur über Kampfsport gefachsimpelt oder trainiert, die jungen Kanadier wollten auch ein bisschen was vom Land sehen. Die Schloßberghöhlen in Homburg waren ebenso Ausflugsziel wie das Römermuseum in Schwarzenacker. Außerhalb des Saarlandes statteten sie Frankfurt einen Besuch ab und auch Düsseldorf. Letzteres aber schon wieder aus sportlichen Gründen, da sie dort den Judo-Grand-Slam besuchten. Nach einer, wie Rammacher sagt, „viel zu kurzen Woche“ traten sie wieder die lange Heimreisen an.

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