Polizei Jugendliche bedrängen Frau am Bahnhof

St. Wendel · Eine 62-Jährige will mit dem Zug von St. Wendel in die Landeshauptstadt fahren. Plötzlich verfolgen und nötigen sie vier junge Männer.

 Einsatzort St. Wendeler Bahnhof (hier eine Archivaufnahme). Die Polizei sucht nach vier jungen Männern, die eine Frau genötigt haben.

Einsatzort St. Wendeler Bahnhof (hier eine Archivaufnahme). Die Polizei sucht nach vier jungen Männern, die eine Frau genötigt haben.

Foto: hgn

Als Antonia Müller (Name geändert) in der Redaktion anruft, steht sie noch immer unter Schock. Ihre Stimme zittert. Sie schluchzt. Angst, Verzweiflung und Wut scheinen die Saarbrückerin gerade zu überwältigen. Doch unterkriegen lassen will sie sich nicht. Die Menschen sollen erfahren, was ihr an jenem Abend am St. Wendeler Bahnhof zugestoßen ist.

Es ist ein Dienstag Mitte Dezember. Die 62-Jährige hat einen Bekannten im Krankenhaus der Kreisstadt besucht. „Um 17.30 Uhr machte ich mich auf den Rückweg. Ich wollte mit dem Zug nach Saarbrücken fahren“, erzählt die SZ-Leser-Reporterin. Doch am Bahnhof merkt sie plötzlich, dass ihr eine Gruppe Jugendlicher folgt. Vier Heranwachsende, sie schätzt zwischen 14 und 16 Jahren alt. Drei von ihnen hätten eine ausländische Sprache gesprochen, einer deutsch. Um dieser unangenehmen Situation zu entfliehen, eilt Müller zum Bahnsteig. Aber die jungen Männer lassen nicht von ihr ab.

„Sie haben laut geredet und sich so um mich herumgestellt, dass ich nicht weitergehen konnte“, berichtet die 62-Jährige. Immer wieder hätten die Unbekannten sie angerempelt. „Irgendwie ist es mir schließlich gelungen, nach hinten zu entkommen.“ Die Frau rennt zu einem anderen Bahnsteig, steigt in den falschen Zug ein. „Der ist glücklicherweise auch nach Saarbrücken gefahren. Ich kann mir das alles nicht erklären. Ich war wie erstarrt“, sagt Müller.

Sie erzählt der Schaffnerin, was ihr gerade passiert ist. Die drückt ihr aber lediglich eine Karte mit einer kostenpflichtigen Notrufnummer in die Hand. „Das konnte ich nicht nachvollziehen. Warum sollte ich bezahlen, um einen Übergriff zu melden?“, ist die 62-Jährige empört. Sie fragt die Schaffnerin nach ihrem Namen. Doch die weigert sich, diesen zu nennen. Stattdessen geht sie zum Lokführer und informiert die Leitstelle. „Kurze Zeit später kam die Zugbegleiterin zurück. Sie erklärte, dass ich mich an die Bundespolizei wenden müsse.“ In Saarbrücken meldet Müller den Vorfall sofort. „Die Polizisten waren sehr nett und haben sich um mich gekümmert“, sagt sie. Doch eine Aussage macht die 62-Jährige stutzig: Es sei der Polizei bereits bekannt gewesen, dass Jugendliche am St. Wendeler Bahnhof Gäste belästigen.

Als die SZ bei der Bundespolizei in Bexbach nachhört, erklärt ihr Pressesprecher Dieter Schwan: „An Bahnhöfen kann es immer wieder zu derartigen Vorfällen kommen.“ Zwar gelte die Station in St. Wendel als Schwerpunkt, solche Übergriffe seien hier aber ganz selten. Dennoch: „Wir nehmen die Sache sehr ernst und gehen ihr absolut nach“, versichert Schwan. Menschen, die in eine ähnliche Situation geraten wie die SZ-Leserin, sollten sofort die Polizei einschalten. Der Sprecher rät davon ab, zunächst den Schaffner zu informieren oder die kostenpflichtige Notrufnummer der Bahn zu wählen. Opfer sollten sofort die 110 anrufen. Je eher die Polizei von einer solchen Straftat erfahre, desto schneller könne sie reagieren. „Viele Menschen trauen sich nicht, den Notruf zu wählen. Aber das ist nichts Verbotenes“, betont Schwan.

Er gibt an, dass die Ermittlungen der Bundespolizei im Fall von Antonia Müller noch immer andauern. Seine Kollegen versuchen die Täter ausfindig zu machen. In den nächsten Tagen würden außerdem Kameras zur Überwachung am St. Wendeler Bahnhof installiert. Schwan ist es darüber hinaus wichtig, nach einem derartigen Übergriff mit den Opfern in Kontakt zu treten. „Wir wollen ihnen die Angst nehmen. Sie sollen sich wieder sicher fühlen“, erklärt der Polizeisprecher. Er hat auch mit Antonia Müller geredet. Doch die bleibt skeptisch.

In den vergangenen Monaten habe sie schon öfter brenzlige Situationen erlebt. „Betrunkene und pöbelnde Passagiere gehören beim Zugfahren leider fast schon dazu“, sagt die 62-Jährige und betont: „Und das hat nichts mit der Nationalität zu tun. Unter ihnen sind sowohl Ausländer als auch Deutsche.“ Müller hat lange Zeit in Leipzig gearbeitet, ist häufig mit dem Zug zwischen dem Saarland und Sachsen hin und her gependelt. „Ich bin früher gerne mit der Bahn gefahren“, sagt sie. Doch seit dem Übergriff im Dezember hat es sich die 62-Jährige nicht mehr getraut, in einen Zug zu steigen. Der Schock sitze noch immer zu tief.

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