„Jeder zündet eine Kerze an“

St Wendel · Knapp 5000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen der einstigen Heimat von Filmawit Abrham sowie Fimon Mesfin auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite. Das junge Paar aus Eritrea ist hierher geflüchtet. Gerade in der Osterzeit fehlt ihm ihre Familien. Bei einem Besuch in der St. Wendeler Redaktion berichten die orthodoxen Christen von Osterbräuchen.

 Filmawit Abrham und Filmon Mesfin vor der Osterkrone in St. Wendel. Foto: B&K

Filmawit Abrham und Filmon Mesfin vor der Osterkrone in St. Wendel. Foto: B&K

Foto: B&K

Bunte Eier hängen an den Ästen, Hasen aus Holz oder Keramik stehen im Blumenbeet. Und in den Geschäften wimmelt es nur so vor Schokoladen-Hasen. Filmawit Abrham und ihr Lebensgefährte Fimon Mesfin finden das ein bisschen "verrückt". "Ich habe noch nie etwas vom Osterhasen gehört", berichtet die 20-jährige Eritrearin. Sie verstünde den Zusammenhang zwischen Hase und Osterfest nicht. Seit neun Monaten lebt sie mit ihrem Lebensgefährten in Oberkirchen. Beide fühlen sich wohl hier, lernen Deutsch in einem Sprachkurs. Ostern verbringen sie mit anderen Flüchtlingen aus Eritrea in St. Wendel .

Für die orthodoxe Christin ist es das wichtigste kirchliche Fest. In ihrer afrikanischen Heimat wird 55 Tage vor der Auferstehung Christi streng gefastet. "Wir essen keine Butter , keine Eier, kein Fleisch und trinken keine Milch", berichtet sie auf Englisch. Während Filmawit Abrham sich in der Regel streng an diese Tradition hält, nimmt es der 22-jährige Fimon Mesfin lockerer: "Ich faste nicht."

Besondere Bedeutung hat in Eritrea die letzte Woche vor Ostern. In Gedenken an den Einzug Jesu auf einem Esel in Jerusalem flechten die Menschen an Palmsonntag Ringe aus Olivenzweigen. Diese tragen sie bis Karfreitag. Dann werden sie feierlich vom Finger genommen.

Was das Fasten betrifft, so verschärfen sich die Regeln. "Bis 18 Uhr essen wir nichts", sagt die 20-Jährige. An Gründonnerstag kochen die Frauen und geben jedem Passanten etwas von dem Essen ab. "Man begrüßt sich an diesem Tag nicht per Handschlag, sondern mit je einem Kuss auf die linke und die rechte Wange", so Filmawit Abrham. Das erinnere an den Judas-Kuss. Auch der Kreuzigung Jesu gedenken die orthodoxen Christen in Eritrea . Als Symbol für die Geißelung des Herrn verteilt der Priester Hiebe mit Palmzweigen.

Die Osterfeierlichkeiten beginnen in der Nacht auf Sonntag. "Alle gehen um Mitternacht zur Kirche", berichtet die Eritrearin. Bis dahin haben sie gefastet. Zwei Stunden dauert der Gottesdienst. "Jeder zündet eine Kerze an als Zeichen dafür, dass Jesus wieder lebendig ist." Danach gehen die Familien nach Hause und essen gemeinsam - meist Porridge (Haferbrei) mit Butter oder Hühnchen.

Ein Vier- bis Fünf-Gänge-Menü gehört zu den Feierlichkeiten an Ostersonntag. "Es ist Tradition, dass der Mann ein Hähnchen oder ein Schaf im Haus tötet." Filmawit Abrham lacht, denn sie weiß bereits, dass dies für Deutsche befremdlich ist. Aber die Frauen und Kinder in ihrer Heimat hätten damit kein Problem. Typisch sei es in ihrem Land auch, den Kaffee selbst zu machen. "An Ostern ist das eine richtige Zeremonie, die schon mal zwei Stunden dauert."

Die Kinder bekommen neue Kleider, Schuhe und eine schöne Frisur. Geschenke wie in Deutschland gibt es zu Ostern aber keine. Filmawit Abrham mag das höchste Fest ihrer Kirche. "Wir genießen es, dass die Familie den ganzen Tag zusammen ist."

Dieses Mal feiert sie alleine mit ihrem Lebensgefährten und anderen Flüchtlingen. Sie werden zusammen essen. "Aber ein Tier schlachten wir nicht", sagt sie und lacht. Ihre Verwandten sind allesamt in Eritrea . Es ginge ihnen gut. Alleine ist sie vor ungefähr einem Jahr geflüchtet. Zu Fuß schlug sie sich zunächst in den Sudan durch. Dort wartete ihr Freund auf sie. Gemeinsam ging es zu Fuß, per Auto und mit dem Schiff nach Deutschland. Vier Monate haben sie dafür gebraucht. "Wir hatten Glück, wir sind gesund."

Winfried Maurer vom Migrationsdienst des Caritasverbandes Schaumberg-Blies kümmert sich um das Paar. "Mr. Maurer ist unser Freund", sagt Filmawit Abrham und lächelt. Er schätzt die beiden als motivierte junge Menschen ein, die schnell Deutsch lernen und im Anschluss studieren möchten. Fimon Mesfin ist Zahnarzt oder besser gesagt Dentist. In seinem Land ist dies wie einst auch in Deutschland ein handwerklicher Beruf, weiß Maurer. Zwei Jahre dauere die Ausbildung. Filmawit Abrham hat Biologie studiert und möchte damit weitermachen.

Auch wenn die beiden ihre Familien vermissen, sie möchten in Deutschland bleiben und sich ein neues Leben aufbauen. Ab August sind sie dann zu dritt. Filmawit Abrham ist schwanger. Kann sie sich vorstellen, einmal deutsche Ostertraditionen zu übernehmen? Sie lacht: "Mein Sohn kriegt den deutschen Brauch bei seinen Klassenkameraden mit und will das dann bestimmt auch. Dann werde ich wohl auch Osterhasen verstecken."

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