Hund mit Löwenherz in dunkler Nacht

Bliesen · Mischlingsdame Pancha nimmt an der Nachtübung des Hundesportvereins Bliesen teil und beweist ein „gutes Nervenkostüm“

 Wo geht es hier lang? Pancha scheint es zu wissen: Immer der Hundenase nach. Den Mann mit der Kettensäge im Hintergrund ignoriert sie. Foto: B&K

Wo geht es hier lang? Pancha scheint es zu wissen: Immer der Hundenase nach. Den Mann mit der Kettensäge im Hintergrund ignoriert sie. Foto: B&K

Foto: B&K

Ihre weißen Pfötchen zucken, als wäre sie noch am Laufen. Hinter den geschlossenen Lidern rasen ihre schwarzbraunen Hundeaugen hin und her. Was Pancha wohl gerade träumt? Von lebensgroßen Puppen vielleicht? Oder von Angreifern, die aus dem Nichts auftauchen? Es ist Samstagabend, im Fernsehen läuft das aktuelle Sportstudio. Die kleine Mischlingsdame hat sich in ihre beige-farbene Hundedecke eingemummelt. Jetzt verarbeitet sie vermutlich die Erlebnisse vom Abend, als sie mit Frauchen und Herrchen in Bliesen unterwegs war. Gute 50 Minuten war es rund um das dortige Hundeheim über Feld- und Waldwege gegangen. Bei Nacht. Mit allerlei Überraschungen auf der Strecke.

"Die Nachtübung heute ist die erste seit vielen Jahren, die wir veranstalten", erzählt Sigrid Zeyer vom Hundesportverein Bliesen. Sie sitzt im Hundeheim hinter einem großen Tisch, vor sich Din-A4-Blätter mit Listen. Darauf stehen die Namen derjenigen, die sich zu der Nachtübung angemeldet haben. Wir stehen auch drauf, haben die Nummer drei. Alle zehn Minuten startet ein Mensch-Hund-Gespann. "Um 18.16 Uhr geht ihr auf die Strecke", erklärt Zeyer. Es ist jetzt kurz nach sechs. In wenigen Minuten werden wir drei losgehen. Ich höre Pancha bellen. Sie darf nicht ins Hundeheim und wartet daher mit Frauchen draußen. "Los jetzt, komm schon", scheint sie mir zuzurufen.

Der erste Streckenabschnitt führt leicht bergan. Bisschen gruselig ist es schon. Zu wissen, dass gleich etwas passieren wird - aber keine Ahnung zu haben, was genau einen in dunkler Nacht erwartet. "Wollt ihr überfallen werden, und soll der Hund an den Arm gehen?", fragt Zeyer, während ich die Startgebühr begleiche. An den Arm gehen bedeutet zubeißen. "Warum eigentlich nicht?", antworte ich mit einer Gegenfrage. "Wobei mein Hund vermutlich gar nicht weiß, was Beißen ist. Das hat er noch nie gemacht." Als Zeichen, dass ich ein Opfer sein möchte, trage ich einen neongrünen Leuchtring vor der Brust. Doch so weit sind wir noch nicht. Zunächst geht es links ab. Abzweigungen auf der Strecke sind mit Schwedenfeuern oder Blinklampen markiert. Die Wege sind vereist und die Rutschgefahr ist vor allem jetzt in der Dunkelheit nicht zu unterschätzen. Falls einer der Nachtwanderer fällt und sich verletzt, ist der Hundeverein allerdings raus aus der Geschichte. Denn bei der Anmeldung musste jeder unterschreiben, auf der Strecke selbst für das eigene Wohl verantwortlich zu sein.

Dann das erste Hindernis: Über den Weg ist ein Seil gespannt. Daran hängen Absperrbänder und Plastikflaschen, die im leichten Wind flattern. Pancha ist das offenbar wurscht. Unbeeindruckt läuft sie durch den Vorhang aus rot-weißen Bändern und klackernden Flaschen. Dann geht es leicht bergab zum Festplatz Silz. Männerstimmen sind zu hören, und in einem alten Ölfass brennt Feuer. Plötzlich schmeißt jemand eine Motorsäge an, gibt ordentlich Gas - das kennt Pancha, hört sich an wie zuhause, wenn Herrchen Holzstämme zersägt. Kein Problem. Weiter geht es über Flur und Feld. Und zu weiteren Überraschungen. Etwa aus der Dunkelheit auftauchende lebensgroße Puppen. Die sitzen oder stehen am Wegesrand. Oder sie werden an einem Seilzug plötzlich über die Straße gezogen. Pancha, die gemeinhin aufs Wort hört und daher den Großteil der Strecke ohne Leine läuft, ignoriert diese. Fast. An einer hebt sie das Beinchen. Ehe ich das realisiere, ist es passiert. Ich starre verschämt in die Dunkelheit. Hoffentlich hat es niemand gesehen. Ein Stück weiter schmeißt eine Frau, die sich hinter einer Hecke versteckt hatte, Blechnäpfe auf die Straße. Es klappert, Pancha läuft entspannt vorbei. Hinter einer Kehre steht ein Auto. Als wir näher kommen, werfen die Insassen den Motor an, machen Licht, blenden auf und ab und hupen. "Was soll der Quatsch?", scheint Pancha zu denken.

Überhaupt beeindruckt mich meine Hundedame, die vor fast fünf Jahren aus Spanien zu uns kam. Mit dem Flugzeug, vermittelt von einem Tierschutzverein. "Ein sehr gutes Nervenkostüm", wird ihr später Hundefachfrau Zeyer bescheinigen. Ob das daran liegt, dass ich sie bereits als Winzling in die Welpenstunde geschleppt und später mit ihr die Begleithundeausbildung - allerdings ohne Abschluss - gemacht habe? Geschadet hat das sicherlich nicht, sagt Zeyer. Der Hund hat klar erkennbar Vertrauen in Herrchen und Frauchen, dass sie die jeweilige Situation im Griff haben. Aber sie hat auch ein Löwenherz. Das zeigt sich, als wir von einem Vereinsmitglied wie verabredet Mitten im Wald angegriffen werden. Pancha erschrickt zwar, geht dann aber nach vorne und den Angreifer an. Sie beißt ihn zwar nicht. Aber ich glaube, sie würde, wenn der in Schutzkleidung gehüllte Mann nicht zurückweichen würde.

Dann sind wir zurück auf dem Hundeplatz. Der ist mit Fackeln erleuchtet, auf der Mitte des Platzes steht ein Pferdehänger mit heruntergelassener Klappe. Frauchen hält Pancha nun fest, während ich vorlaufe, in den Hänger gehe und mich dort im Schatten verberge. Nun muss Pancha ohne zu zögern zu mir in den Hänger kommen. Auch das meistert die mutige Fellnase bravourös.

Dafür bekommt sie reichlich Leckerlis und Lob von ihren Menschen. "Ein tolles Erlebnis. Es hat richtig Spaß gemacht zu sehen, wie der Hund sich in den verschiedenen Situationen verhält", lautet das Fazit von Frauchen Sarah Gregorius - später auf der Couch, während Pancha in ihren Träumen das Erlebte noch einmal nachzuspielen scheint.

Zum Thema:

Mensch und Hund durch Wald und Flur Ein "Weg voller Überraschungen" hieß die Nachtübung des Hundesportvereins Bliesen. 26 Mensch-Hund-Gespanne nahmen vergangenen Samstag daran teil. Die Übung war für Hunde aller Rassen freigegeben.

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