Heimat kommt frisch auf den Tisch

St Wendel · Mehr als 40 Betriebe machen mittlerweile mit. Nicht nur aus dem Lebensmittelsektor. Sie produzieren und verkaufen Waren aus der Region in der Region: So ist ein Lokalwarenmarkt entstanden. Und ein wachsendes Bewusstsein für die heimische Kulturlandschaft.

 Der Hofladen auf dem Wendelinushof ist der größte Lokalwarenmarkt im St. Wendeler Land. Hier präsentiert Marktmitarbeiter Robin Scharf Geschenkideen inmitten regionaler Produkte. Foto: B&K

Der Hofladen auf dem Wendelinushof ist der größte Lokalwarenmarkt im St. Wendeler Land. Hier präsentiert Marktmitarbeiter Robin Scharf Geschenkideen inmitten regionaler Produkte. Foto: B&K

Foto: B&K

Nehmen wir den Türkismühler Camembert. Den stellt seit einigen Jahren nach altem Rezept die Käserei Gansen auf dem Johannishof in Furschweiler her. Eines von vielen Produkten der Käserei. Die Milch dazu stammt von den eigenen Kühen. Verkauft wird der Käse im St. Wendeler Land unter anderem auf Wochenmärkten, aber auch auf dem Wendelinushof. Gekauft wird er meist von den Menschen aus der Region.

An diesem Beispiel lässt sich die Idee des Lokalwarenmarktes gut erklären: Waren, die im St. Wendeler Land produziert werden, werden in der Region an die Menschen aus der Region verkauft. Die Wertschöpfung bleibt vor Ort. Die Experten sprechen von kleinen Kreisläufen.

Die Idee des Lokalwarenmarktes ist das Fundament, auf dem die Arbeit der Kulturlandschaftsinitiative St. Wendeler Land (Kulani) aufbaut. Die Kulani hat schon zwei Mal das Land und die Europäische Union mit ihrer Idee des regionalen Vermarktungsprogrammes Lokalwarenmarkt überzeugt und wurde in das Förderprogramm Leader aufgenommen. Seit dem Jahr 2000 hat die EU die St. Wendeler Aktionsgruppe mit insgesamt 4,4 Millionen Euro unterstützt. Die aktuelle Förderperiode ist ausgelaufen. Die Bewerbung der Kulani für eine dritte läuft. Im SZ-Gespräch erläutern der Vorsitzende der Kulani, Werner Feldkamp, und sein Stellvertreter, Thomas Gebel, den Lokalwarenmarkt.

Mehr als 40 Betriebe machen mittlerweile mit, um die heimischen Produkte zu vermarkten und kreisweit ein Netz von Vertriebsstellen aufzubauen. Verkauft werden die Waren in Hofläden, wie zum Beispiel auf dem Wendelinushof, mit mobilen Verkaufsstellen, auf Wochenmärkten, aber auch in so genannten Lokalwaren-Regalen in Dorfläden und Supermärkten, unter anderem im Center Parc.

Die Angebotspalette des Lokalwarenmarktes umfasst Lebensmittel wie Obst- und Gemüse, Backwaren, Fleisch und Wurst, Käse- und Milchprodukte, Eier und Nudeln, Honig, Öle, Säfte, Schnäpse und Liköre. Aber auch Holzprodukte , Naturseifen und Leinen.

Der Lokalwarenmarkt könne und wolle den Einkauf im Supermarkt nicht ersetzen, sondern ergänzen, unterstreicht Feldkamp. Die Kulani hat mit den Fördergeldern zahlreiche Einzelprojekte mitfinanziert und angestoßen. Sie kümmert sich aber auch um die gemeinsame Vermarktung und Qualitätsstandards. So tragen die Partnerbetriebe seit 2012 das Gütesiegel "Bestes aus dem St. Wendeler Land". Damit garantieren sie dem Verbraucher die regionale Herkunft der Produkte.

Der lokale Markt hat laut Feldkamp eigene Gesetzmäßigkeiten, die man kennen müsse. Die Lokalwaren werden handwerklich hergestellt, es gibt keine Massenware. Das heißt aber auch, die Produkte sind nicht unbegrenzt verfügbar. Die Produzenten sind persönlich bekannt, der Käufer weiß beim Fleischkauf, auf welchem Hof das Tier gelebt hat. Darüber hinaus gibt es einige Lebensmittel nur saisonal. Feldkamp: "Das sind alles Qualitätszeichen. So ist es ein Qualitätsmerkmal, das nicht alle Produkte immer da sind." Äpfel aus der Region gibt es so nur nach der Erntezeit im Herbst. Und nicht das ganze Jahr über.

Positiv sehen es Feldkamp und Gebel, dass mittlerweile immer mehr Partnerbetriebe enger zusammenarbeiten, untereinander ihre Produkte vermarkten. Manche verwirklichen mittlerweile auch gemeinsame Ideen. Gebel nennt ein Beispiel. So liefere der Geflügelhof Joseph aus Hasborn Eier an den Obst- und Gartenbauverein Oberkirchen für dessen Eierlikör. "Diese Zusammenarbeit ist ein zentrales Element unsere Initiative", so Feldkamp.

Welche Wertschöpfung mit der Idee des Lokalwarenmarktes in der Region erzielt werden kann, hat die Kulturlandschaftsinitiative beispielhaft ausgerechnet: "Wenn die Bürger des Landkreises durchschnittlich fünf Prozent ihres Lebensmittelbedarfes mit lokalen Produkten decken würden, könnten die lokalen Erzeuger und Hersteller der Region zusammen im Jahr rund sechs Millionen Euro umsetzen. Auf den einzelnen Verbraucher umgerechnet würde das bedeuten, dass bei einem statistisch errechneten Jahresbedarf an Lebensmitteln in Höhe von rund 1300 Euro je Einwohner, jeder nur einen monatlichen Betrag von etwas mehr als fünf Euro für regionale Produkte ausgeben müsste, um den Jahresumsatz zu erfüllen" (Quelle: Kulani aktuell, Ausgabe 4).

Ziel des Lokalwarenmarktes ist es nicht, das Einkaufsverhalten auf den Kopf zu stellen, sondern das Bewusstsein für Waren aus der Heimat zu schärfen. Dazu tragen auch weitere Schwerpunkte des EU-Förderprojektes bei wie die Stärkung des ländlichen Energiemix, die Inwertsetzung des kulturellen Erbes unter dem Motto "St. Wendeler Land steinreich" und der Aufbau des Bildungsnetzwerkes St. Wendeler Land.

Letzteres bringt Kindergärten und Schulen mit so genannten außerschulischen Lernorten zusammen: Heimatkunde modern auf dem Bauernhof, im Handwerksbetrieb oder Museum.

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HintergrundDie Anfänge des Lokalwarenmarktes reichen bis ins Jahr 1995 zurück. Damals veranstaltete der Landkreis in Zusammenarbeit mit den grünen Vereinen den ersten Bauernmarkt in Winterbach , eine kleine grüne Messe. In Nohfelden gab es zeitgleich die ersten Brennholztage, ein Beispiel für kleine Kreisläufe. 1994 gründete sich die Kulturlandschaftsinitiative als ein informeller Zusammenschluss von grünen Verbänden und Organistionen. 2001 flossen Gelder des Bundesprojektes "Regionen aktiv" in St. Wendeler Land. Mit der Idee des Lokalwarenmarktes überzeugte Kulani 2003 und kam in das EU- Förderprogramm Leader plus. Voraussetzung war die Gründung eines Trägervereines. Deshalb ist die Kulani seit 2003 als Verein organisiert. Vorsitzender ist von Beginn an Werner Feldkamp. Die zweite Förderperiode startete 2007. Zurzeit bereitet sich Kulani auf eine weitere Förderung bis 2020 vor. Eine wichtige Aufgabe wird dabei der Nationalpark spielen. vf

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