Zeitung macht Schule Von einer Flucht aus Eritrea in eine neue Zukunft

THOLEY · Abdul erzählt seine Geschichte, wie er als Teenager eigenmächtig flüchtete und schließlich in Deutschland landete.

Die Zahl der Flüchtlinge ist groß. Die Gründe dafür sind vielfältig: Armut, Krieg, Verfolgung. Abdul stammt aus Eritrea, einem der ärmsten Länder der Welt. Es liegt im Nordosten Afrikas an der Küste des Roten Meeres und gehörte ursprünglich zu Äthiopien. Nach 30 Jahren Bürgerkrieg spaltete sich Eritrea Anfang der 1990er-Jahre von Äthiopien ab. Seit 1993 ist Isayas Afewerki Präsident des Landes. Unter seiner Herrschaft entstand eine Militärdiktatur. Er zwingt die Menschen zu zeitlich unbegrenztem Militär- oder Nationaldienst. Die Arbeiter werden dafür schlecht oder auch gar nicht bezahlt. Abduls Vater war Soldat und hatte keine Zukunftsperspektive. Auf Flucht stand die Todesstrafe. Dennoch verkaufte er sein Haus und floh mitsamt seiner Familie auf einem Kamel in den nahe gelegenen Sudan. Zu diesem Zeitpunkt war Abdul drei Jahre alt.

Dort lebte er mit seiner Familie jahrelang in einem Flüchtlingslager. Abdul besuchte die Schule und lernte Arabisch. Später siedelte die Familie in die Hauptstadt um. Der älteste Bruder besaß an der Universität ein kleines Restaurant und ernährte von nun an die Familie. Mit 13 Jahren fing Abdul an, als Kontrolleur und auch als Busfahrer in dem Betrieb seines Onkels zu arbeiten, obwohl er keinen Führerschein besaß. Die Familie war im Land geduldet, besaß aber keine Ausweispapiere. Abdul sah hier keine Zukunft für sich. Mit nur 15 Jahren floh er, ohne seine Eltern zu informieren, mit seinem besten Freund nach Libyen. Für die Flucht musste er Schlepper bezahlen, die ihn auf überfüllten Lastern  quer durch die Wüste nach Libyen brachten. Dort hatte er immer wieder unterschiedliche Jobs, bekam aber dennoch Geld von seinem Bruder, damit er seine weitere Flucht finanzieren konnte. Von Tripolis aus überquerte er in einem Flüchtlingsboot das Mittelmeer, um nach Italien zu kommen. Für die bei gutem Wetter acht Stunden dauernde Reise gab es an Bord keinerlei Verpflegung oder Wasser. Nach kurzer Zeit fiel das Navigationssystem aus, da der Akku nicht aufgeladen war. Nur mithilfe des Kompasses erreichten sie italienische Gewässer und wurden dort von einem wartenden Rettungsboot aufgenommen.

Nach 26 Stunden kam Abdul mit seinen Freunden in einem Flüchtlingslager auf Sizilien an. Noch in der gleichen Nacht flüchteten die jungen Männer aus dem Lager, da die Behörde einen Fingerabdruck verlangte. Nach mehreren Tagen erzählte ihnen jemand, dass man in vier Stunden zu Fuß in die Stadt Catania gehen kann. Der Cousin eines Flüchtlings lebte dort, weshalb alle hofften, bei ihm unterzukommen. Nach acht Stunden zu Fuß hatten sie ihr Ziel immer noch nicht erreicht und suchten deswegen das nächste Dorf auf. Ein Araber nahm Abdul und die anderen Flüchtlinge auf und gab ihnen Geld für den Bus, damit sie Catania erreichen und ihre Reise fortsetzen konnten. Da es für den Cousin zu gefährlich war, mehrere illegale Einwanderer aufzunehmen, blieb niemand bei ihm und alle reisten weiter mit dem Zug nach Rom. Dort schickte man sie in eine Kirche, in der man sich um Flüchtlinge kümmerte.

Da Abdul eine ansteckende Krankheit an der Hand hatte, konnten sie dort zur Sicherheit der anderen Gäste aber nicht übernachten und schliefen auf der Straße. Mit einem Zug fuhren sie schließlich ohne Fahrschein nach Mailand. Dort nahmen sie einen anderen Zug nach Paris. Allerdings wurden sie an der französischen Grenze von Zollbeamten erwischt und zurück nach Mailand geschickt. Sie stiegen am ersten Bahnhof auf italienischer Seite wieder aus und liefen zu Fuß an den Schienen entlang nach Frankreich zurück. Wieder in Nizza angekommen, setzten sie sich in einen Zug nach Paris. Immer wieder mussten sie sich während der Fahrt auf Toiletten verstecken, da sie keinen Fahrschein hatten. In Paris trennten sich ihre Wege.

Abdul wollte nach England, seine Freunde nach Deutschland und Schweden. Vor Übermüdung schlief Abdul im Zug ein, wurde erwischt und nach Paris zurückgeschickt. Dort wollte er in einen Zug nach Schweden steigen, welcher jedoch, wie sich herausstellte, nach Frankfurt fuhr. In diesem traf er auf zwei junge Männer aus Eritrea. Alle waren sie wieder ohne Fahrschein unterwegs. Auf die Frage, wie sie den Kontrolleuren entgingen, antwortete Abdul: „Wir rannten davon und versteckten uns auf den Toiletten.“ Am Bahnhof in Saarbrücken wurden sie trotzdem von zwei Polizisten erwischt, die sie aufforderten, den Zug zu verlassen und sie in Gewahrsam nahmen. Insgesamt dauerte seine Reise von Libyen nach Saarbrücken fünf Monate.

Von hier ging es am nächsten Tag zuerst für ihn nach Merzig und von dort weiter nach Lebach in Flüchtlingsheime. Er beantragte Asyl. Nach einem Monat bezog er eine Wohnung in Sotzweiler, die er sich mit zwei weiteren Flüchtlingen teilte. Dort traf er in einer Gaststätte zwei Deutsche, mit denen er sich über einen Übersetzer unterhielt, da er kein Wort Deutsch konnte. Sie boten ihm ihre Hilfe an und nahmen ihn mit zum Einkaufen. Nach drei weiteren Monaten lernte er eine Mitarbeiterin der Gemeinde kennen, die sich von nun an um ihn kümmerte. Von zwei ehrenamtlichen Helfern bekam er Deutschunterricht. Danach besuchte er sechs Monate das Berufsbildungszentrum (BBZ) in Lebach und machte schließlich seinen Hauptschulabschluss in St.Wendel. Er nahm verschiedene Praktikumsstellen in Betrieben an, zuletzt bei der Post. Im Sommer möchte er dort eine Lehre beginnen. Sein Wunsch ist, dass seine Mutter und seine jüngeren Brüder aus dem Sudan zu ihm nach Deutschland kommen. Abdul lebt nun in einem sicheren Land, in dem er sich eine Zukunft vorstellen kann.

Luna Weber und Sophie Zöhler / Klasse 8b Cusanus-Gymnasium

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