Morbus Menière-Symposium in St. Wendel Ein Leben wie auf der Achterbahn

St. Wendel · Fachleute informierten beim Morbus Menière-Symposium über die Symptome der seltenen Krankheit. Und was es für Patienten bedeutet, mit Schwindel, Ohrengeräsuchen und ähnlichem klar zu kommen.

 Gut 70 Meldungen lagen für das erste  Morbus Menière-Symposium vor. Dr. Monika Voineag erläuterte zu Anfang die grundlegenden Diagnosemethoden und Therapieansätze sowie die Möglichkeiten an der Bosenbergklinik.

Gut 70 Meldungen lagen für das erste  Morbus Menière-Symposium vor. Dr. Monika Voineag erläuterte zu Anfang die grundlegenden Diagnosemethoden und Therapieansätze sowie die Möglichkeiten an der Bosenbergklinik.

Foto: Ralf Mohr

Beim ersten Bosenberger Morbus Menière-Symposium in den MediClin-Bosenberg-Kliniken in St. Wendel wurde – wie der Name schon verrät – in Vorträgen und Workshops eine Krankheit thematisiert, die den meisten Menschen wohl eher unbekannt sein dürfte. Morbus Menière ist eine chronische Erkrankung mit unklarer Entstehung und Entwicklung. Die klassischen Menière-Attacken bestehen aus Drehschwindel, Hörminderung, Geräuschen, sowie einem Druckgefühl auf einem Ohr. Die leitende Oberärztin des Hals-Nasen-Ohren-Fachbereichs (HNO) an den Bosenberg-Kliniken, Dr. Monica Voineag, erläuterte die Problematik der schwierig zu diagnostizierenden Krankheit. Eines der Probleme dabei sei es, dass die Krankheit so selten auftritt und es daher schon rein statistisch schwierig ist, gesicherte Erkenntnisse zu erlangen. In Europa sind nur rund 13 von 100 000 Einwohnern davon betroffen. „Die Symptome betreffen in erster Linie Menschen im Alter von 40 bis 50 Jahren. Dabei sind Frauen marginal häufiger betroffen, als Männer“, erläuterte die Fachärztin. „Morbus Menière ist eine Krankheit ohne Grenzen“, führte sie weiter aus. Es spiele keine Rolle, in welchem Land die Betroffenen leben, welcher gesellschaftlichen Schicht oder welchem Geschlecht sie angehören. Treffen kann es jeden. Man würde von einem gesicherten Menière sprechen, wenn sich zwei oder mehr Episoden mit spontan auftretendem Schwindel, jede mit einer Dauer zwischen 20 Minuten und zwölf Stunden, ereignet haben. Außerdem sollte ein Ohr von einer Hörminderung betroffen sein, was oft mit einem Druckgefühl und Ohrgeräuschen einhergeht. Sofern sich die Symptome nicht durch eine andere Erkrankung erklären lassen, gilt der Morbus Menière als gesichert.

Zur Diagnose gehören laut Voineag eine gründliche Erfassung der Krankheitsvorgeschichte, sowie eine klinische Untersuchung. Der Nachweis der Erkrankung stelle sich allerdings auch für erfahrene Ärzte als sehr schwierig dar, so die Fachärztin. Für die Patienten gleicht es oft einer Odyssee von Arzt zu Arzt, bis die Diagnose gestellt wird.

Als Therapieansätze, sowohl im akuten Fall als auch vorbeugende Maßnahmen durch Stressabbau, würden sich eine salzreduzierte Kost und die Reduktion des Genusses von Alkohol und Koffein eignen. Dank verschiedener Behandlungsmethoden könne eine komplette Schwindelfreiheit in bis zu 91 Prozent der behandelten Fälle erreicht werden.

Daher appellierte Dr. Voineag vor allem auch an die behandelnden Allgemeinmediziner, bei Unklarheit die Patienten an Spezialisten zu überweisen. Bei einem Verdacht sind regelmäßige Kontrollen notwendig. Ist der Morbus Menière bestätigt, ist es unbedingt erforderlich, eine qualifizierte Behandlung einzuleiten. „Der Morbus Menière ist zwar nach etwa zehn bis zwölf Jahren ausgebrannt und die Anfälle bleiben aus, aber bis dorthin, ist auch der Patient ausgebrannt“, weiß die Medizinerin. Die Patienten mit den entsprechenden Symptomen sollten unbedingt bei ihrem Hausarzt gezielt nachfragen und um eine Überweisung bitten. Außerdem erhalten Betroffene Informationen beim Verein KIMM, bei der Tinnitus Liga, in Selbsthilfegruppen und bei spezialisierten Kliniken wie beispielsweise am Bosenberg.

Bei Nichtbehandlung gehen den Patienten wichtige Fähigkeiten verloren. Neben den akuten Beschwerden wie Dreh- und Schwankschwindel, Geräuschüberempfindlichkeit oder chronischen Kopfschmerzen, die eine deutliche Minderung der Lebensqualität zur Folge haben, können vor allem auch Depressionen, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen dazu führen, dass der Patient keiner geregelten Beschäftigung mehr nachgehen kann. Da die Symptome der Krankheit dem Verhalten eines Betrunkenen gleichkommen, bestünde zudem die Gefahr des Mobbings am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft. Außerdem sei in der Regel auch die Fahrtauglichkeit erheblich eingeschränkt.

Eine Morbus-Menière-Attacke würde sich laut Voineag oftmals schleichend ankündigen. Beginnend mit Unwohlsein und Nackenschmerzen entsteht ein Druckgefühl im Kopf einhergehend mit einem stärker werdenden Ohrgeräusch. Zunehmender Schwindel bis hin zu einer regelrechten Achterbahnfahrt, bei der sich die ganze Welt um einen zu drehen scheint, führe nicht selten zum Übergeben, erläuterte die Sozialpädagogin Gerlinde Koletzki-Rau von der Bosenberg-Klinik die Symptome. Diese treten bei einem Anfall unmittelbar zusammen auf. In der schwächsten Ausprägung kann dieser bis zu zwei Stunden dauern. Bei einem mittleren Anfall halten die Symptome etwa vier Stunden an. Bei acht und mehr Stunden spricht der Mediziner von einem schweren Anfall. „Danach sind die Patienten total erschöpft und bedürfen einer oftmals tagelangen Regenerationsphase“, erläutert die Sozialpädagogin. Das führe auch dazu, dass die Patienten oftmals am gesellschaftlichen Leben kaum oder nur sehr eingeschränkt teilnehmen können, was wiederum zu tiefgreifenden psychologischen Veränderungen bis hin zur Verzweiflung führe. Daher ist eine Behandlung so wichtig und noch wichtiger, die Symptome richtig zu deuten und die Erkrankung zu diagnostizieren. „Darum planen wir, für Allgemeinmediziner und Fachärzte eine entsprechende Veranstaltung durchzuführen, um die Bekanntheit der Erkrankung und die Möglichkeiten der Behandlung zu fördern“, erläutert Voineag weiter. „Kein Arzt kann alles wissen und schon gar nicht über eine derart seltene Erkrankung.“

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