Erinnerung an den 25. Juni 1989 in St. Wendel Verdammt lang her

St. Wendel · Vor genau 30 Jahren ging das siebte Open-Air in St. Wendel über die Bühne. Daran erinnert sich auch Wolfgang Niedecken.

 20 000 Menschen feierten beim Open-Air 1989 im St. Wendeler Bosenbachstadion. Das Festival mit Julian Lennon, BAP und Joe Coker wurde live im TV übertragen.

20 000 Menschen feierten beim Open-Air 1989 im St. Wendeler Bosenbachstadion. Das Festival mit Julian Lennon, BAP und Joe Coker wurde live im TV übertragen.

Foto: Thiry/Archiv Stadt St. Wendel

Mit den Fantastischen Vier hat sich die Stadt St. Wendel im vergangenen Jahr als Open-Air-Stadt zurückgemeldet. Ein Sommermärchen. Da wurden auch Erinnerungen wach an die Konzerte mit großen Künstlernamen in den 1980er-Jahren. Verdammt lang her. Aber nach wie vor legendär ist jenes siebte Freiluft-Festival, das am 25. Juni 1989 im Bosenbachstadion gefeiert und live im TV übertragen wurde. Vor genau 30 Jahren. Damals gehörten Joe Cocker und BAP zu den auftretenden Künstlern. Die Saarbrücker Zeitung hat den Jahrestag zum Anlass genommen, zurückzublicken.

„Das war damals ein Festivalpaket, bei dem wir uns mit Joe Cocker immer als Headliner abgewechselt haben“, erinnert sich BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken. „Einen Tag spielte der Cocker Headliner und wir unmittelbar davor, am nächsten Tag dann umgekehrt. Irgendwann sind wir dahinter gekommen, dass Cocker immer in den Metropolen Topact war und wir in der Provinz.“ Neben den beiden wechselnden Top-Acts waren noch die Band Fischer-Z, Suzanne Vega und Julian Lennon sowie weitere Musiker beim Festival dabei. „Ein Lennon in St. Wendel – das war schon etwas Besonderes“, sagt Werner Klär von der St. Wendeler Stadtverwaltung. Er war damals als technischer Gesamtleiter bei den Open-Airs involviert. Niedecken bedauert es heute noch, dass Julian Lennon mit der Musik nicht richtig weitergemacht hat. „Ich fand den großartig. Er hat geklungen wie sein Vater – die gleiche Stimme“, schwärmt der BAP-Sänger. Er verbindet „schöne Geschichten“ mit dem Festival in St. Wendel. Zum Beispiel diese: „Die Entourage der wichtigen Manager um Joe Cocker hatte beschlossen, dass sie ihren eigenen Back-
stage-Bereich wollte. Notgedrungen hat sie einen gekriegt. Der war aber genau hinter den PA-Wings, wo es sehr laut war. Am Ende saß Joe bei uns im Backstage-Bereich und machte mit uns Party. Seine Manager, die etwas Besonderes wollten, saßen derweil mit Ohrstöpseln in dieser höllisch lauten Zone.“

Sonderwünsche – das sei bei allen Open-Airs in der Kreisstadt ein Thema gewesen, wie Klär verrät. Wobei es oft das Umfeld und nicht die Stars selbst waren, die die Verantwortlichen auf Trab hielten. „Wir haben dann schon mal in der Nacht vor dem Konzert bei den Möbelhäusern angerufen und um Hilfe gebeten, weil es eine besondere Couch sein musste“, berichtet Klär. So landete die Auslage aus dem Schaufenster ruckzuck auf dem Festivalgelände.

Mega-Star Joe Cocker hat der städtische Festivalleiter als „sympathisch und unauffällig erlebt.“ Er bedauere es, dass es immer diese Legenden um den Sänger gab, wonach er zuviel getrunken habe. „Ja, er hat oft stacksig gewirkt, aber ich hatte drei Mal mit ihm zu tun und habe ihn nie mit Alkohol erlebt. Er trank immer nur lauwarmen oder kalten Tee.“

Wolfgang Niedecken denkt gerne an seinen Tourpartner, der inzwischen verstorben ist, zurück. Auch an ein Erlebnis in St. Wendel. „Das Konzert wurde damals fürs Fernsehen aufgenommen. Es waren dermaßen viele Kameras auf der Bühne, dass Cocker nach dem zweiten oder dritten Lied abgebrochen hat. Er ist wortlos nach hinten gegangen und hat zu seinen Managern gesagt, dass die Kameras weg müssten. Er wolle doch für die Leute spielen und nicht für Kameras“, berichtet Niedecken. „Ich stand hinter der Bühne und habe alles mitbekommen. Denn an dem Abend waren wir ja der Topact“, ergänzt der Sänger und lacht.

Diese Szene sei typisch gewesen für Joe. „Er war ein unglaublicher Gentleman und hat es nicht ertragen, dass die Leute ihn nicht sehen konnten. Wo er doch für sie und nicht für die Kameras singen wollte. Das ist mir immer haften geblieben. Daran habe ich oft gedacht, wenn wir aufgetreten sind und Kameraleute auf der Bühne waren, die den Leuten die Sicht genommen haben.“

Nicht nur wegen der Live-Übertragung: Das Open-Air war mit einer Riesen-Logistik verbunden. So galt es, die mächtige Bühne (32 Meter breit und 17,5 Meter tief) aufzubauen. „Damals mussten noch viele Stahlteile hochgehievt werden“, sagt Klär. Lampen hatten ein stattliches Gewicht von 20 bis 30 Kilo. Es wurden zwei Kilometer Elektrokabel verlegt, 500 Meter Wasser- und 600 Meter Abflussrohre. Dafür musste dann teils auch mal eben rasch einen Meter tief in den Boden gegraben werden. „Kurz vor Einlass kam an mancher Stelle erst die Erde wieder drauf“, erinnert sich Klär. Aber nicht nur im Vorfeld, auch zwischen den einzelnen Auftritten gab es einiges zu tun. Das anstrengendste bei solchen Festivals seien die Umbauarbeiten, findet Niedecken. „Das Publikum denkt, warum machen die so lange Pause, es müssen doch nur andere Musiker auf die Bühne und ein paar Instrumente eingestöpselt werden. Aber so einfach ist das nicht. Es wurde ja im Sound-Check jede Einstellung geprobt. Und wenn es zu einem Stau im Programm kommt, lauert das Ende der Genehmigungsfrist für das Konzert.“

20 000 Menschen haben vor 30 Jahren im Bosenbachstadion gefeiert. „Ausgelassenheit, Fröhlichkeit und Lebensfreude prägten das Bild“ heißt es in einem SZ-Bericht danach. 46 Mark kostete das Ticket an der Tageskasse, schon um die Mittagszeit ging es los. BAP trat als letzte Band auf. Die Dunkelheit hatte sich schon übers Rund gelegt, als Wolfgang Niedecken unter anderem „Stellt üch vüür (Imagine)“ anstimmte. „Wenn wir auf die Bühne kommen, sieht man die Freude in den Augen der Menschen, die funkeln dann. Sie machen sich ihr Konzert ja quasi selbst. Dann kann man gar nicht schlecht sein. Man surft regelrecht auf einer Welle des Wohlwollens. Aber das muss man auch können.“ Diese Erfahrung hat auch Werner Klär bei all den Konzerten gemacht: „Es gibt Künstler, die die Euphorie des Publikums zu nutzen wissen.“

Die Musiker der Kölner Gruppe BAP waren immer gern gesehene Gäste in St. Wendel. „Sie waren unkompliziert“, sagt Klär. Und nahbar. Nach den Konzerten seien die Bandmitglieder gerne noch in einer Inn-Kneipe nahe des Saalbaus eingekehrt. Übernachtet haben die Kölner in der Region. „Ich kann mich noch an das Hotel von damals erinnern“, sagt Niedecken. „Dort gab es einen Zigarettenautomaten aus Eiche mit Schnitzereien. Der sah so aus wie bei unsren Tanten die Möbel in der Küche. Das war die Sensation. Jeder musste sich damit fotografieren lassen.“ Erzählt es und muss selbst über diese kuriose Erinnerung lachen.

Seine Musikkarriere führte den 68-Jährigen nicht nur 1989 in die Kreisstadt. Bereits zwei Jahre zuvor feierte BAP St.Wendel-Premiere „Wir sind zum ersten Mal in St. Wendel kurz vor unserer China-Tour aufgetreten. Es war damals der erste Auftritt unseres Schlagzeugers Jürgen Zöller, der inzwischen leider in Rente gegangen ist. Da gibt es ein Lied drüber – über seinen ersten Auftritt: ,Schrääsch hinger mir’“. In dem Lied heißt es „En Samsdaachnaach, September wohr ‘t, em Saarland, enn ‘nem Stadion. Als letzte Band eez kohme mir, Warm-up für die China-Tour.“ So ganz hat jener Schlagzeuger hinter Niedecken die Taktstöcke aber nicht an den Nagel gehängt. In der Formation Rockanarchie ist er zusammen mit Thomas Blug und Rudi „Gulli“ Spiller wieder in St. Wendel aufgetreten.

Damals wie heute, es geht meist eine besondere Faszination von Konzerten unter freiem Himmel aus. „Ich mag Open-Airs sehr gerne“, sagt Niedecken. „Es ist das Sahnehäubchen einer Saison, wenn man open-air spielen kann und das Wetter halbwegs funktioniert. Ich habe die meisten Open-Airs in unglaublich guter Erinnerung.“ Aktuell stehen im Tourkalender von BAP einige Freiluft-Partys an. Aber der Sänger blickt schon einmal weiter in die Zukunft. „Übernächstes Jahr werde ich 70. Dann werden wir wieder auf große Tour gehen. Jetzt spielen wir noch 15 Konzerte im Sommer. Dann machen wir ein kleines Päuschen. Und denken uns was Neues aus. 2021 geht es dann weiter.“

 Joe Cocker 1989 bei seinem Konzert in St. Wendel.

Joe Cocker 1989 bei seinem Konzert in St. Wendel.

Foto: Agentur Thiry
 Wolfgang Niedecken 1989 mit Bürgermeister Klaus Bouillon.

Wolfgang Niedecken 1989 mit Bürgermeister Klaus Bouillon.

Foto: Thiry

Was die Open-Airs in St. Wendel betrifft, so soll es nach der Pause in diesem Jahr 2020 wieder eine Freiluft-Sause geben. Mit „einem internationalen Star“ wie Bürgermeister Peter Klär (CDU) unlängst andeutete.

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