Engagiert mit Holz und Herz

St Wendel · Seit gut zwei Jahren kommen verstärkt Kriegsflüchtlinge aus Syrien im Landkreis St. Wendel an. Aber auch Menschen aus Ländern wie Afghanistan oder Eritrea verlassen ihre Heimat und wollen hier ein neues Leben beginnen. Dazu braucht es einige Voraussetzungen: Die deutsche Sprache muss erlernt, sich mit der Kultur auseinander gesetzt werden. In einer Serie will die Saarbrücker Zeitung einen Einblick geben, wie es hier in Sachen Integration läuft. Heute wirft die SZ ein Blick in den Werkraum der Dr.-Walter-Bruch-Schule. Dort gibt es so genannte Willkommensklassen.

 Gruppenfoto der Flüchtlinge mit (von links) Werkstatt-Leiter Benedikt Bollinger, Hermann Josef Bäumler, Landrat Udo Recktenwald und Schulleiter Hubert Gottschlich. FOTOs: Bonenberger & Klos

Gruppenfoto der Flüchtlinge mit (von links) Werkstatt-Leiter Benedikt Bollinger, Hermann Josef Bäumler, Landrat Udo Recktenwald und Schulleiter Hubert Gottschlich. FOTOs: Bonenberger & Klos

Schmetterlinge, Blumenranken, das Wort Mama sind in das helle Holz eingebrannt. Stolz zeigt der 16-jährige Eyob aus Eritrea den Bilderrahmen, den er selbst gezimmert hat. Noch ist die Innenfläche leer, doch schon bald soll das Foto seiner Eltern hier einen Ehrenplatz bekommen. "Das Arbeiten mit dem Holz macht mir Spaß. Das könnte ich mir auch später vorstellen", sagt Eyob, der seit zehn Monaten in Saarbrücken lebt. Mit dem Zug kommt er jeden Tag in die Dr.-Walter-Bruch-Schule nach St. Wendel . Hier lernt er nicht nur fleißig Deutsch, sondern kann sich auch kreativ beim Werken austoben.

Chef der "Holz-Klasse" im Werkraum im Keller der technisch-gewerblichen Schule ist Schreinermeister Benedikt Bollinger. Seit zwei Jahren ist er an der Schule. Zuvor war er unter anderem in der Reha-Ausbildung in Wallerfangen tätig, nachdem er 2007 seine Selbstständigkeit aufgegeben hatte. In Gruppen aufgeteilt, werden die jungen Flüchtlinge in den Bereichen Metall, Holz oder Elektro geschult. Auf seine Schützlinge angesprochen, bildet sich prompt ein Lächeln auf Bollingers Lippen. "Sie sind so wissbegierig und arbeitswillig", schwärmt er.

Der Unterricht starte ähnlich wie eine Lehre. Zunächst hat der Schreinermeister die Werkzeuge erklärt. Dann ging es an die ersten Übungen: Mit der Tischlersäge galt es, exakt entlang verschiedener Linien zu schneiden. "Das ist anstrengend und nicht sehr spannend", gesteht der Fachmann. Doch die Jugendlichen seien mit Disziplin an die Sache rangegangen, auch wenn sie den zweiten oder dritten Holzblock bearbeiten sollten: "Es wurde nicht gemurrt, und wir waren trotzdem noch Freunde", sagt Bollinger.

Nachdem die ersten Techniken erlernt waren, ging es ans Werkeln. "Ich habe eine Box gemacht und danach einen Stuhl", berichtet der Syrer Marwan. Auch er ist seit zehn Monaten in Deutschland. Fleißig paukt er Deutsch. Dass die Sprache nicht ganz einfach ist, gesteht Afghane Rohulla. Auch er genießt die Zeit im Werkraum. Könnte er sich vorstellen, auch beruflich mit Holz zu arbeiten? Der junge Mann möchte nichts ausschließen, habe aber noch keinen konkreten Berufswunsch. "Ich muss auf meine Noten schauen", sagt er und lächelt. Am Nachbartisch ist derweil ein 18-Jähriger konzentriert bei der Arbeit. Mit der Feile bearbeitet er eine Holzfläche. Mit gleichmäßigem Schwung führt er die Bewegung aus. Alles soll schön glatt werden.

Nach dem vergangenen Schuljahr sind jetzt die Regale in der Werkstatt gut gefüllt. Bilderrahmen, Boxen, Teelichthalter mit Kerzen - die jungen Flüchtlinge haben in den vergangenen Monaten einiges gezimmert. Die Ergebnisse dürfen sie mit in ihre Unterkünfte nehmen. Dazu zählen auch Regale, kleine Schränke oder Stühle. Das war bei dem Projekt gewünscht, denn so haben die Jugendlichen noch einen Nutzen von dem, was sie geschaffen haben.

Überwiegend Jungs sind in Bollingers Gruppe, aber seit kurzem auch eine junge Asiatin. Sie sei am Anfang sehr zurückhaltend gewesen, jetzt taue sie langsam auf. Sprachbarrieren? Davon will Bollinger nichts wissen. Zum einen lernen die Flüchtlinge fleißig Deutsch, zum anderen könne man sich mit Englisch behelfen. "Und Dank des Handys kann ich schnell mal schauen, wie ein Fachbegriff auf Arabisch heißt." Keine Frage, Bollinger genießt den Unterricht mit den jungen Flüchtlingen, auch wenn er am Nachmittag oft mal "kaputt ist". Es sei eben ein ganz anderes Arbeiten als am Bau. In den Neubürgern sieht der erfahrene Schreinermeister ein "Wahnsinnspotenzial fürs Handwerk". Er wünsche sich Meister-Kollegen mit etwas Idealimus, die Vorreiter werden wollen und den jungen Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, eine Perspektive in ihrem Betrieb geben. Zum Ende des vergangenen Schuljahres gingen noch 57 junge Flüchtlinge auf die Dr.-Walter-Bruch-Schule in St. Wendel . In der Spitze seien es 81 gewesen, berichtet Hubert Gottschlich. Der Schulleiter spricht mit Bedauern von einer großen Fluktuation. Beständigkeit hingegen wäre besser für die Lehrerfolge der jungen Leute. Vier so genannte Willkommensklassen gab es für die vor Krieg aus ihrer Heimat geflohenen Jugendlichen. "Diese wurden je nach Sprachkompetenz gebildet", so Gottschlich. Hauptaugenmerk beim Unterricht lag auf Deutsch. Aber auch Sport und Werken standen für die Flüchtlinge auf dem Stundenplan.

Vertrauter Stoff zum Werken

 Mousa aus Syrien arbeitet fleißig an einem Teelichthalter mit Herz in der Mitte.

Mousa aus Syrien arbeitet fleißig an einem Teelichthalter mit Herz in der Mitte.

 Rohulla aus Afghanistan genießt die Arbeit im Werkraum. Einen konkreten Berufswunsch hat der junge Mann noch nicht.

Rohulla aus Afghanistan genießt die Arbeit im Werkraum. Einen konkreten Berufswunsch hat der junge Mann noch nicht.

Beim Werkstatt-Unterricht setzte die Schule auf die Bearbeitung von Holz . "Das ist ein Stoff, den jeder kennt", begründete der Schulleiter. Vom Landkreis St. Wendel gab es außerhalb des Haushaltes 5000 Euro, damit die Schule Holz , Werkzeuge und kleinere Maschinen anschaffen konnte. Die Idee hinter diesem Projekt: "Die Schüler sollten so einfache Möbel und Regale für den Eigengebrauch herstellen", erklärt Gottschlich. Im zweiten Schulhalbjahr habe auch Ethik, Sozialkunde, Mathe und Physik Einzug in den Unterrichtsplan für die Flüchtlinge gefunden. Einen großen Erfolg gab es am Ende des Schuljahres schon: Einer der Flüchtlinge hat nach einem Jahr den Hauptschulabschluss geschafft.

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