"Eine gigantische Wertschöpfung"Energiewende als Exportschlager

St. Wendel. Im Jahr 2010 hat jeder Bürger im St. Wendeler Land statistisch gesehen 3100 Euro im Jahr für die Energieversorgung ausgegeben, für Strom, Wärme und Verkehr. Ohne eine Änderung des bestehenden Systems gibt der Bürger im Jahr 2050 das Vierfache für die gleiche Leistung aus, nämlich 12 000 Euro im Jahr

St. Wendel. Im Jahr 2010 hat jeder Bürger im St. Wendeler Land statistisch gesehen 3100 Euro im Jahr für die Energieversorgung ausgegeben, für Strom, Wärme und Verkehr. Ohne eine Änderung des bestehenden Systems gibt der Bürger im Jahr 2050 das Vierfache für die gleiche Leistung aus, nämlich 12 000 Euro im Jahr.Diese Fakten nannte Professor Peter Heck vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement an der Fachhochschule Birkenfeld. Er hat für den Landkreis eine Potenzialanalyse zu erneuerbaren Energien und ein Klimaschutzkonzept erstellt. Die Potenzialanalyse präsentierte Heck am Samstag bei einer Info-Veranstaltung in der Dachdeckerei Zimmer in St. Wendel vor 150 Gästen (wie kurz berichtet).

Auf den gesamten Landkreis gesehen betrugen die Energiekosten im Jahr 2010 286 Milliarden Euro. Sie werden bis 2050 auf 1100 Milliarden Euro steigen. Wenn nichts getan wird. Wenn nicht in Energieeinsparung, wirksamere Techniken und auch erneuerbare Energien investiert wird.

Das gegenwärtige System hat einen weiteren Nachteil. Nur wenig Geld bleibt in der Region. Der Geldmittelabfluss aus dem St. Wendeler Land belief sich 2010 nach Berechnungen von Heck auf 260 Millionen Euro im Jahr.

Das muss nicht so bleiben. Die regionale Wertschöpfung, das Geld, das im St. Wendeler Land bleibt, kann laut Heck deutlich erhöht werden. Je mehr Bürger von dem Ausbau der erneuerbaren Energien profitieren, desto größer wird die Akzeptanz. Und zudem wird durch weniger Kohlendioxid-Ausstoß das Klima geschützt. So macht für den Experten die Null-Emissions-Strategie für das St. Wendeler Land Sinn. 2050 will das St. Wendeler Land der erste Null-Emissions-Landkreis im Saarland sein.

"Das Geld des Dorfes dem Dorfe", zitierte Heck den Gründer der Genossenschaftsbanken Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Und unterstrich damit den Leitgedanken, beim Ausbau der erneuerbaren Energien die Finanzflüsse in der Region zu halten. Zum Beispiel beim Ausbau der Windkraft. Zurzeit investieren dort vor allem Firmen von außerhalb. In der Region verbleiben dann Pachteinnahmen und Gewerbesteuern. "Wenn hier die Kommunen investieren, bleibt das Zehnfache in der Region", so Heck. Sein Rechenbeispiel. Zurzeit gibt es 92 Windkraftanlagen. Werden die von externen Betreibergesellschaften auf privaten Flächen ohne Einbindung der Kreditinstitute und Handwerker aus der Region errichtet, dann beträgt die regionale Wertschöpfung 56 Millionen Euro. Werden diese Anlagen aber von kommunalen Betreibergesellschaften auf Flächen der Gemeinden gebaut, gehen die Aufträge an die Handwerker aus der Region, werden bei den örtlichen Banken die Kredite aufgenommen, dann steigt die regionale Wertschöpfung auf sage und schreibe 539 Millionen Euro. Heck: "Das ist eine gigantische ökonomische Wertschöpfung. Das muss helfen, die Kommunen zu entschulden."

Die Potenziale hat Heck nicht nur für die Windenergie erhoben, sondern auch für Sonnenenergie, Biomasse, Erdwärme, Wasserkraft und natürlich auch für Investitionen in Einsparungen und wirksamere Technik (Energieeffizienz). Allerdings muss zunächst kräftig investiert werden. Hochgerechnet auf 2050 heißt das laut Heck: Hier stehen Investitionen von fünf Milliarden Euro einer regionalen Wertschöpfung von 14,5 Milliarden Euro gegenüber. Profitieren davon können vor allem das Handwerk (3,8 Milliarden Euro), die Bürger (5,1 Milliarden Euro), die Anlagenbetreiber (2,6 Milliarden Euro) und die Banken (1,1 Milliarden Euro). Aber auch die Land- und Forstwirte mit 928 000 Millionen Euro und die öffentliche Hand mit 651 Millionen Euro.

St. Wendel. "Die Energiewende muss regional sein, dezentral sein und dezentral Akzeptanz finden." Das sagte der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald bei der Info-Veranstaltung. Ein Beirat und eine Lenkungsgruppe steuerten die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes. Im November des vergangenen Jahres habe man den Verein Zukunfts-Energie-Netzwerk gegründet, der mittlerweile 80 Mitglieder hat, und sich vorwiegend um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Im Dezember wurde eine Energie-Projektgesellschaft gegründet, die konkrete Vorhaben planen und umsetzen soll. Im kommenden Jahr wird der Landkreis zudem einen Klimaschutzmanager einstellen.

An Bund und Land gerichtet, forderte Recktenwald Verlässlichkeit: "Gegen eine planbare Absenkung der Förderung erneuerbarer Energien hat niemand etwas."

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte: "Zur Energiewende gibt es keine Alternative." Das Saarland stehe vor besonderen Herausforderungen. Das Land habe Kohlekraftwerke, die Energie erzeugen, durch die Industrie werde viel Energie verbraucht. Kramp-Karrenbauer: "Wenn uns die Energiewende gelingt, wird das ein Exportschlager."

Das sah auch Bundesumweltminister Peter Altmaier so: "Wenn wir es in Deutschland schaffen, von nuklearen und fossilen Energien auf erneuerbare umzustellen, werden wir Nachahmer weltweit finden." Die Energiepreise müssten aber bezahlbar bleiben und dürften in den kommenden Jahren nicht zu stark ansteigen. vf

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