Ein Tag bei der Tafel

St Wendel · Die St. Wendeler Tafel verteilt seit sieben Jahren Lebensmittel an Hilfsbedürftige. Dabei ist die Caritas auf Händler-Spenden angewiesen. Waren mit leichten Mängeln, die nicht mehr verkauft werden können, kommen bei denen an, die sie brauchen.

 Mit einem Lächeln auf den Lippen verteilt er das Gemüse: SZ-Mitarbeiter Daniel Ames engagierte sich einen Tag lang im Team der St. Wendeler Tafel. Schnell lernte er, wie stressig der Job bei der Lebensmittelausgabe ist. Fotos: B&K

Mit einem Lächeln auf den Lippen verteilt er das Gemüse: SZ-Mitarbeiter Daniel Ames engagierte sich einen Tag lang im Team der St. Wendeler Tafel. Schnell lernte er, wie stressig der Job bei der Lebensmittelausgabe ist. Fotos: B&K

 Daniel Ames beim Ausladen der Ware.

Daniel Ames beim Ausladen der Ware.

Mittwochs und freitags scharen sich Hilfsbedürftige an der Pforte der St. Wendeler Tafel in der Kelsweiler Straße. Mein Eindruck: Es scheinen mit den Jahren immer mehr zu werden. Wer sind diese Menschen? Wie sieht die Arbeit hinter den Kulissen aus? Und warum stehen morgens große Limousinen auf dem Parkplatz und laden kistenweise Lebensmittel ein?

Einmal selbst mit anpacken, um zu sehen, was dort geleistet wird. Rosi Klos begrüßt mich am Eingang. Sie leitet die St. Wendeler Tafel seit fünf Jahren. Vor mir die Ausgabestation, an dessen Tresen später neun Helfer Tüten für die Hilfsbedürftigen packen. Zu meiner Linken wird schon fleißig sortiert: An einem Tisch werden die Lebensmittel ausgepackt, begutachtet und in Plastik-Schalen verstaut. Kistenweise kommen Bananen, Salat und Möhren an. Vor der Tür wird sich derweil an die Arbeit gemacht, Kartoffeln zu waschen und auszusortieren. Rosi Klos: "Wir werfen nichts weg, was noch einwandfrei genießbar ist."

An den Wochentagen sind jeden Morgen zwei Kleintransporter unterwegs und klappern Läden nach unverkäuflichen Lebensmitteln ab. Doch was heißt unverkäuflich? Hier ein Apfel mit kleinen Druckstellen, dort ein Bund Radieschen, bei dem ein paar Schlechte aussortiert werden müssen. Trotzdem landet so einiges in der Biotonne; die Läden sortieren ihre Gaben nämlich in der Regel nicht vor. Die Tafel bleibt auf den Entsorgungskosten sitzen.

"Wir freuen uns über jeden Helfer", sagt Rosi Klos. Es ist nicht zu übersehen, wie sehr sie in ihrer Rolle aufgeht. Sie arbeitet ehrenamtlich. "Nach dem Tod meines Mannes suchte ich eine sinnvolle Beschäftigung", erzählt mir die ehemalige Krankenschwester. Und sie hat den Laden im Griff. Während sie mich durch Sortierstation, Kühlhaus und Ausgabe führt, klingelt ständig ihr Handy. Trotz Stress bleibt sie immer freundlich und hat ein offenes Ohr für ihre Mitarbeiter. Sie klärt mich auch gleich auf, was es mit den großen Autos auf sich hat, in die regelmäßig Lebensmittelkisten eingepackt werden: "Wir organisieren Patenschaften für alte und Menschen mit Behinderung. Die Paten bringen unsere Pakete zu denjenigen, die selbst nicht mehr zu uns kommen können."

Ich werde in den Lagerraum geführt. Dort stapeln sich Konservendosen, Eingemachtes und Hygieneartikel. Lang haltbare Waren, die bei Engpässen mit ausgegeben werden. "Bei uns soll keiner mit leeren Händen dastehen," beteuert Rosi Klos. Für einige ist allein der Preis für ein Busticket zur Tafel eine Belastung. Praktikanten der St. Wendeler Sozialpflegeschule haben ausgerechnet, dass ein Wochen-Paket einen Wert von 80 bis 100 Euro hat.

Verderbliches landet derweil im Kühlhaus. Der logistische Aufwand, der hier betrieben wird, und die reibungslose Organisation beeindrucken mich. Schließlich nehme ich Platz in der hinteren Ecke des Gebäudes. Um eine Einbauküche sind Tische aufgestellt. Der Raum wird für Seminare und Beratungen genutzt. Hier gibt's die Möglichkeit, mit den Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, in Kontakt zu kommen.

Langsam wird es ernst für mich. In einer halben Stunde geht's los. Ich stehe an der Gemüsetheke mit Marion. "Das ist keine leichte Arbeit", gibt sie mir gleich mit auf den Weg. Seit drei Jahren kennt sie die Arbeit bei der Tafel. Ich bin also vorgewarnt.

Vor der Tür bildet sich eine immer länger werdende Schlange. Punkt 13 Uhr ruft Norbert lautstark die ersten Klienten herein. Vor meiner Station werden Wurstwaren und Milchprodukte mit flinken Fingern eingepackt. Ich habe ein Gemüse-Sammelsurium aus Lauch, Paprika, Tomaten, Maiskolben vor mir aufgebaut. Neben mir werden Obstpakete geschnürt und schließlich Brote verteilt. Am Anfang der Lebensmittelstraße werden die Klienten registriert und zahlen einen Euro für ihr Paket.

Berechtigt, zur Tafel zu kommen ist jeder, der die staatliche Grundsicherung erhält. An mir ziehen Menschen aller Altersgruppen vorbei und zeigen mir ihren Ausweis. Auf dem ist vermerkt, für wie viele Familienmitglieder sie Lebensmittel bekommen. Rentner, junge Familien, Flüchtlinge; bis zu 170 Menschen erscheinen zu den beiden Ausgabetagen der Tafel. Während des Treibens findet Marion immer die Gelegenheit für einen kurzen Plausch.

Nach anderthalb Stunden komme ich ins Schwitzen und sorge damit für Erheiterung bei den Kollegen. Die sind das offenbar gewohnt. Nach drei Stunden, und vielen Kisten voller Lebensmittel, ist mein Arbeitstag bei der St. Wendeler Tafel beendet. Neben dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, freut mich Marions Fazit: "Mit dir hat es Spaß gemacht." Ich darf also wiederkommen. "Durch die Arbeit der Tafeln ist die Not vieler Menschen offenkundig geworden", sagt Michael Schütz, Geschäftsführer des Caritasverbands Schaumberg-Blies. Die Tafel-Bewegung habe geholfen, bedürftige Menschen aus der Schmuddelecke herauszuholen, und die Hemmschwelle, Hilfe anzunehmen, zu senken. Die St. Wendeler Tafel wird seit sieben Jahren von der Caritas organisiert; das in einem Landkreis, der zu den wirtschaftlich stärksten des Saarlandes zählt. Nach zwei Jahren musste wegen des Andrangs in ein größeres Gebäude an der Kelsweiler Straße umgezogen werden.

Die Tafel versorge mittlerweile 497 Haushalte mit 345 Kindern im Landkreis. Die steigende Zahl von Flüchtlingen aus Syrien und Eritrea erschwere die Lage. Schütz: "Wir werden teilweise als Regelversorger angesehen. Wir können aber keine staatlichen Leistungen ersetzen, sondern nur ergänzen."

Sorge bereite auch die Situation der Mitarbeiter vor Ort. Fünf waren als Bürgerarbeiter angestellt. Dieses staatliche Projekt für Langzeitarbeitslose endete zum Jahreswechsel. Laut Schütz müssten nun Ehrenamtler die Aufgaben übernehmen. Möglich seien Einschnitte bei der Ausgabezeiten.

Der Caritas-Verband steckt jährlich 40 000 Euro in die Hilfsorganisation. Die Spendenbereitschaft von Privatleuten, Stiftungen und den Lebensmittelhändlern sei zwar hoch, von Seiten der Stadt wünscht sich Schütz allerdings mehr Unterstützung. Während die Neunkircher Tafel mit jährlich 15 000 Euro bezuschusst werde, fließe von der Stadt St. Wendel kein Cent.

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