Ein Leben mit der Isorette

Niederlinxweiler. Im Zeitalter der Digitalkamera mutet ein Fotoapparat von vor dem Zweiten Weltkrieg geradezu vorsintflutlich an. "Das war noch eine echte Qualitätsarbeit", sagt der 86-jährige Werner Sticher und hält das gute alte Stück ganz vorsichtig in seinen Händen. Vom 14

 Werner Sticher mit seiner Isorette. Foto: dia-saar.de

Werner Sticher mit seiner Isorette. Foto: dia-saar.de

Niederlinxweiler. Im Zeitalter der Digitalkamera mutet ein Fotoapparat von vor dem Zweiten Weltkrieg geradezu vorsintflutlich an. "Das war noch eine echte Qualitätsarbeit", sagt der 86-jährige Werner Sticher und hält das gute alte Stück ganz vorsichtig in seinen Händen. Vom 14. Lebensjahr an, nachdem er die Agfa Isorette 4,5 zur Konfirmation bekam, hat sie ihn auf unzähligen Wegen begleitet - bis heute. "An der Kamera geht nichts automatisch. Alles muss von Hand eingestellt werden, die Belichtungszeit, die Blende und die Entfernung", erklärt der Senior fachmännisch. Den Rollfilm, der in zwei verschiedenen Größen eingelegt werden kann, muss man von einem Bild zum anderen selbst weiterdrehen. "Das durfte ich natürlich nie vergessen, sonst hätte ich später zwei Bilder übereinander gehabt", lacht der rüstige 86-Jährige, der aus Ottweiler stammt und seit 1948 in Niederlinxweiler wohnt.So oft es nur ging nahm Werner Sticher seine Kamera mit. Sein ganzes Taschengeld opferte er damals für die nicht gerade billigen Filme und für das anschließende Entwickeln. Hauptsache aber, er konnte fotografieren, wann, wo und was ihm beliebte. Vor allem auf den Fußballplätzen traf man ihn mit seinem viel bewunderten Apparat an. Er war damals aktiver Spieler. Als er zur Wehrmacht eingezogen wurde, musste er die Kamera schweren Herzens daheim lassen. Seine Mutter versteckte sie vor den einrückenden Amerikanern im Heuschober. Als Werner Sticher aus dem Krieg zurückkehrte, fand er seinen Fotoapparat zwar unversehrt vor, aber total mit Grünspan bedeckt. Er reinigte ihn gründlich und "schoss" mit ihm in den folgenden Jahren Tausende von Bildern bei allen nur möglichen Gelegenheiten, darunter auch bei den St. Wendeler Motorradrennen. Einen Blitz besaß die Kamera natürlich nicht. Werner Sticher fotografierte deshalb vor allem bei Tageslicht und mit der Sonne im Rücken. "Das klappte eigentlich immer", erinnert er sich. Das Fotografieren hat ihn niemals mehr losgelassen. Heute ist Werner Sticher meist auf der Suche nach Landschafts- und Naturaufnahmen. Die Filme, die es normalerweise nicht mehr im Handel gibt, besorgt ihm sein in Berlin wohnender Enkel, der sie dort auch entwickeln lässt. Die Bedienungsanleitung aus dem Jahre 1936, die er noch immer sorgfältig verwahrt, braucht der Hobbyfotograf heute natürlich nicht mehr zurate zu ziehen. Trotzdem nimmt er sie noch ab und zu in die Hand und liest darin. Dann lächelt er still vor sich hin, wenn dort von Zeitaufnahmen, Tiefenschärfe und Blendenzahlen die Rede ist. Oder davon, dass der Film nur bei gedämpftem Licht eingelegt werden darf, und wie die Kamera richtig gehalten wird. Wer seit 73 Jahren mit seiner Agfa Isorette auf Du und Du lebt, hat alle Raffinessen im Kopf. gtr

Auf einen BlickDer Fotoclub Tele Freisen will über kurz oder lang eine Ausstellung mit alten Kameras, Objektiven, Filmen, Fotoplatten, Laborgeräten und anderem ausrichten. Er sucht deshalb solche Geräte, die es möglicherweise noch in Familien oder bei Hobbyfotografen gibt und nicht mehr benötigt werden. Der Vereinsvorsitzende Franz-Rudolf Klos, bittet darum, diese Sachen nicht wegzuwerfen, sondern sie dem Verein zu überlassen, Tel. (06857) 12 13. gtr

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